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148.000 Euro Spenden an einem Tag: Deutsche Krebshilfe bedankt sich bei deutschen Meme-Lords

Wenn ein renommierter Sicherheitsforscher, eine Krypto-Schad-Software und das anarchische deutsche Meme-Board pr0gramm aufeinandertreffen, gewinnt: die Krebsforschung.
Spendenbeleg auf pr0gramm | Screenshot: pr0gramm

In der Nacht zum Mittwoch, den 28. März, gehen 25 Euro Spendengelder auf einem Konto der Deutschen Krebshilfe ein. Das ist nicht ungewöhnlich. Doch aus den 25 Euro werden im Laufe des Mittwochs hunderte, tausende, zehntausende Euro. Am Ende des Arbeitstages wundert sich die Deutsche Krebshilfe in einer Pressemitteilung über 103.000 Euro an Spendengeldern von etwa 5.900 Menschen. Heute wurde die Zahl aktualisiert: Die Spenden betragen über 148.000 Euro.

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Die Spenden stammen vom Image-Board pr0gramm, ein pseudoanonymes deutsches Forum, auf dem Nutzer Memes, Porno und derbe Witze teilen und kommentieren. Das Forum gibt sich wie ein geheimer Club, "man spricht nicht über das pr0gramm" ist ein etwas willkürlicher Leitsatz, den viele Nutzer verinnerlicht haben. Das Publikum, das pr0gramm bevölkert, war bislang nicht unbedingt bekannt für soziales Engagement. Bis zum Dienstag, den 27. März, als sich das Forum plötzlich mitten in eine internationale Kontroverse katapultiert fand.

Der Auslöser für den Spendenregen: Der renommierte US-Sicherheitsforscher Brian Krebs berichtete auf seinem Blog über eine Verbindung zwischen Coinhive und pr0gramm. Coinhive ist ein weitverbreitetes Programm, mit dem Seitenbetreiber die Rechner ihrer Besucher dazu benutzen können, Kryptowährungen wie Monero zu schürfen. Häufig passiert das aber ohne das Einverständnis der Nutzer, so dass die Prozessoren von Besuchern den Site-Inhabern unfreiwillig beim Geldverdienen helfen. Von Experten wird Coinhive deshalb als Schad-Software klassifiziert, Krebs nennt sie "eine der größten Bedrohungen für Web-User". Eine vorläufige Version von Coinhive wurde zunächst auf pr0gramm getestet. In einem Blogpost gibt der Gründer von pr0gramm, Dominic Szablewski, zu, Coinhive entwickelt zu haben, allerdings ist er seit Jahren nicht mehr der Betreiber des Imageboards.

Von Krebs' Recherche fühlten sich viele pr0gramm-Nutzer angegriffen und behaupten, Krebs hätte sie ins falsche Licht gerückt. Tatsächlich liest sich Krebs’ Recherche über das obskure deutsche Forum wie ein Techno-Verschwörungs-Thriller: Krebs findet Verknüpfungen von pr0gramm zur rechtsextremen Szene, zu bayrischen Separatisten, verurteilten Mördern, Spammern und Ameisenzüchtern. Die Nutzer fühlen sich verleumdet und bemängeln, Krebs habe die Klarnamen von Menschen veröffentlicht, die nichts mit Coinhive zu tun hätten. Zunächst reagieren sie mit Beleidigungen und Memes auf Krebs und sorgen sich darum, dass ihr Forum offline gehen könnte.

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Doch als im Laufe des Tages der erste Nutzer einen Beleg über seine 25-Euro-Spende an die Krebshilfe postet ("gegen Krebs"), machen es ihm viele Nutzer nach – und geben dem Protest so einen ganz anderen Dreh. Statt wie gewohnt mit Memes und derben Sprüchen gegen vermeintliche Eindringlinge zu feuern, starten die Nutzer eine massive Spendensammlung unter dem Hashtag #krebsiscancer, die das komplette Forum überrollt. Seit Mittwoch sind auf pr0gramm fast ausschließlich Screenshots von Spendenbelegen zu sehen, Memes, Porn und Tierbilder dagegen kaum. In der vielleicht absurdesten Wendung der Coinhive-Story bedankt sich jetzt die Krebshilfe bei "pr0gramm, einer Bilderplattform" für die "einzigartige virale Spendenkampagne":

"Die Webseite der Deutschen Krebshilfe hatte allein am Dienstagabend zehn Mal mehr Zugriffe als üblich. Bisher spendeten über 5.900 Menschen. Der aktuelle Spendenstand beträgt 148.000 Euro", heißt es in einer Pressemitteilung. Die auf Spender angewiesene Organisation "dankt allen Spenderinnen und Spendern für ihre Unterstützung im Rahmen dieser außergewöhnlichen Initiative. Sie alle helfen uns, die Versorgung krebskranker Menschen weiter zu verbessern und die Krebsforschung voranzubringen."

Auszug aus der Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe zur Spendenaktion | Bild: Screenshot | krebshilfe.de

Auf die Nachfrage, wie die Deutsche Krebshilfe ansonsten zu pr0gramm steht, gibt es zur Zeit keine Antwort: "Zu dem Forum 'pr0gramm' sowie den Recherchen von Brian Krebs kann die Deutsche Krebshilfe keine Aussage treffen", heißt es in der Pressemitteilung. Vielleicht auch besser so. Die Aktion lief auf pr0gramm unter dem Motto: "Krebs ist scheiße".

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