Ich habe iPhone-User in Berlin-Mitte mit Sascha-Lobo-Einhörnern getrollt
Das wohl Einzige, was den Internetpropheten Sascha Lobo noch schöner machen kann, ist nun mal: ein Einhorn. Bild: Imago / Bearbeitung: Motherboard.

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Ich habe iPhone-User in Berlin-Mitte mit Sascha-Lobo-Einhörnern getrollt

Und ich zeige dir, wie auch du das hundertmal am Tag ganz einfach hinkriegst.

Nicht lachen, nur nicht lachen! Wir befinden uns beim Tech Open Air 2015, einer gemütlichen Konferenz voller Berliner Startup-Menschen und rund doppelt so vielen Apple-Geräten. Viele der Besucher verlassen für zwei Tage ihre Spaces in Berlin-Mitte und versammeln sich für Vorträge und Workshops in der Alten Teppichfabrik—der perfekte Ort für den Start meines persönlichen Überwachungsexperiments: 48 Stunden lang werde ich alle Mitmenschen in meiner Umgebung mit einem hübschen Bildchen belästigen, gegen das sie sich nicht wehren können.

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Als erstes taufe ich mein iPhone in „Günter Oettinger" um, nach dem beliebten EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Ich bin ausgestattet mit dem zauberhaften Bild eines zum Einhorn gemorphten Sascha Lobo auf meinem Smartphone, mit dem Günter Oettinger jetzt erstmal aufmerksam zuhörende Fremde aus dem Konzept bringen wird.

Dabei hilft mir AirDrop—eigentlich eine nützliche Funktion, mit der man ohne W-Lan drahtlos Dateien zwischen Apple-Geräten austauschen kann. Aber, wie ich in den kommenden Tagen erleben durfte, kannst du die WiFi Ad-Hoc-Übertragung auch für weniger nützliche Dinge einsetzen: Zum harmlosen Trollen von iPad- und iPhone-Besitzern in der U-Bahn, in Cafés oder beim Flanieren durch die wohlgepflasterten Gehwege von Berlin-Mitte.

Du kannst meinen Sascha Lobo ignorieren, aber anschauen musst du ihn doch.

Mein AirDrop-Drive-By ist leicht durchzuführen und irritiert dabei doch höchst effektiv: Wenn irgendjemand in deiner Nähe die AirDrop-Funktion aktiviert hat, kannst du sein Gerät in einer Liste auswählen und ihm ungefragt ein Bild deiner Wahl von deinem iPhone schicken. Widerstand ist zwecklos: Zwar kann derjenige das Bild nun entweder speichern oder ablehnen, aber bis zu dieser Entscheidung prangt das Bild quer über den Bildschirm, das Telefon bleibt bis dahin unbenutzbar. Du kannst meinen Sascha Lobo ignorieren, aber anschauen musst du ihn doch.

Und wo könnte die Konzentration an Bluetooth-affinen Menschen mit iPhones und iPads höher sein als auf besagter Konferenz oder rund um den Rosenthaler Platz?

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Im Konferenzraum beim Tech Open Air in Berlin, Tagesziel Irritation.

Ich drücke mich also im Konferenzraum herum, schalte AirDrop an und suche nach Opfern. Die AirDrop-Funktion ist nicht automatisch aktiviert, aber es gibt durchaus Smartphone-User, die vergessen, Bluetooth und AirDrop wieder zu deaktivieren—natürlich ist auf die Tech Open Air-Besucher Verlass.

Manche klicken das Bild irritiert weg wie eine unverständliche Windows-Fehlermeldung. Andere schießen zurück.

Ganze neun Mal in nur einer halben Stunde kann ich Sascha ein neues Zuhause geben. Manche klicken das Bild irritiert weg wie eine unverständliche Windows-Fehlermeldung. Viele suchen den Raum mit den Augen nach dem Absender ab. Einer raunt seinem Nachbarn zu: „Is this a program annoucement or what?" Andere müssen lachen und nehmen das Bild an. Besser ist das, denn wer mein Bild ablehnt, wird bestraft: Ich schicke es einfach nochmal.

Und nochmal. Und nochmal.

So sieht es auf einem iPhone aus, wenn dir jemand ungefragt per AirDrop Bilder schickt.

Leider ist ein Teil des Spiels auch, dass man sich dabei absolut unauffällig verhalten muss. Das fällt mir verdammt schwer; ganz besonders, als eines meiner Opfer mich zurücktrollt. Plötzlich poppt auf meinem Telefon nämlich das Foto eines Hundes im Profil auf. Wo kam das denn jetzt her?

Ich lehne das Bild ab, doch bevor ich etwas anderes machen kann, ist er schon wieder da. Wir spammen uns gegenseitig für ein paar Minuten zu und ich muss mich ziemlich zusammenreißen, um nicht zu kichern.

Äh, was?! Hier hat jemand ziemlich lässig reagiert und einfach zurückgetrollt.

Natürlich setze ich mich immer dorthin, wo ich die größte iPhone- und iPad-Konzentration vermute. Beim Laufen quer durch die Reihen gucke ich permanent auf mein Telefon, denn jeden Moment könnte ja ein AirDrop-Gerät in der Liste auftauchen. Leider wirke ich dadurch wie ein orientierungsloser Vollidiot, der versucht, sich per Google Maps in einem einzigen Raum zurechtzufinden. Ich wechsele fünfmal den Platz während des Vortrags, bis ich rundum genervte Blicke kassiere. Dann schlurfe ich nach draußen, um im Coworking-Garten weiter zu trollen.

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Hinter mir auf der Wiese landet gerade eine Drohne in einem Hundehaufen. Ich spendiere allen Anwesenden noch eine Runde Einhörner und mache mich davon, bevor ich zu sehr auffalle. Gerne doch. Das Schöne an der AirDrop-Technologie ist ja auch, dass die Besitzer die Bilder auch dann finden werden, wenn wir schon kilometerweit voneinander entfernt sind.

Mein nächstes Ziel: Das Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz

Spammen von der Empore im Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz in Mitte.

Am nächsten Tag mache ich mich auf nach Berlin-Mitte. Gerne nutze ich die Gelegenheit, bereits meine Mitmenschen in der U-Bahn mit Sascha Lobo zu beglücken. Wenn wir schonmal auf so engem Raum zusammengequetscht sind, dann sollte ich doch auch die Bluetooth-Funktion mit ihrer Reichweite von rund sechs Metern ausnutzen.

Anders als The Verge, die in ihrem großartigen Artikel schon viel Spaß mit AirDrop in New York hatten, finde ich hier jedoch kaum empfangsbereite iPhones. Insgesamt kann ich Sascha Lobo trotz mehrstündiger U-Bahn-Fahrten an diesen zwei Tagen an nur zwei iPhones im ÖPVN schicken. Da ist die Reichweite seiner Reden zur Lage der Internet-Nation dann doch deutlich beeindruckender.

Auch das Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz entpuppte sich nicht gerade als perfekter Jagdgrund. Erst nach nach meinem ersten Latte Macchiato finde ich überhaupt ein Opfer—und insgesamt finde ich trotz längerem Rumsitzen nur drei iPhone-Destinationen für mein Einhorn im Coworking-Raum über dem Mitte-Café, das vor knapp zehn Jahren kein geringerer als Sascha Lobo (in seinem und Holm Friebes Buch „Wir nennen es Arbeit") zum Zentrum der Digitalen Bohème erklärte.

Aber das Schöne ist ja: Dieses Spiel kann beliebig oft an beliebigen Orten wiederholt werden. Ich jedenfalls höre nach 48 Stunden jetzt nicht auf.