Drei wenig erfolgreiche YouTuber
Diese YouTuber machen weiter – selbst mit wenig Publikum | Bild: Screenshot

YouTube | Lucian Calligo | Flufu |  Katrins Vlog | Bearbeitung: Motherboard

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Ständig Videos, kaum Zuschauer: Erfolglose YouTuber erzählen, warum sie immer weitermachen

Wie frustrierend ist es eigentlich, wenn dir kaum jemand zuschaut, obwohl du ständig neue Videos bringst?

Schon klar, nicht jeder kann Bibi, Julien Bam oder Gronkh sein: Nur 169 YouTube-Kanäle haben in Deutschland derzeit eine Million Abonnenten. Aber da gibt es noch Tausende andere YouTuber, die sich mächtig ins Zeug legen – und fast keine Zuschauer haben. Was treibt sie an?

Motherboard hat mit Hilfe einer Datenbank 50 YouTube-Kanäle ermittelt, die auch Jahre nach ihrem ersten Videoupload weniger als 100 Abonnenten haben. Vier von ihnen waren zu einem Interview bereit. Sie erzählen, warum sie sich nicht entmutigen lassen, wie sie auf Hass reagieren und was sie von ihrem eigenen Kanal gelernt haben.

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Katrin (21), Auszubildende im Einzelhandel: "Vollzeit wäre mir zu unsicher"

Themen: Beauty und Lifestyle
aktiv seit: 2018
Aufwand pro Woche: 15 Stunden
Abos: 95

Katrin

Seit rund fünf Monaten spricht Katrin auf ihrem YouTube-Kanal über Beauty und Mode. Viele Leute schauen ihr noch nicht dabei zu — aber das ist Katrin auch nicht wichtig | Bild: Katrin S.

Motherboard: YouTube ist voller Beauty-Kanäle. Wieso wolltest du auch einen?
Katrin: Ich habe meinen Kanal seit 2013. Den habe ich aber nur genutzt, um andere Beauty-Kanäle wie SunnyLoops oder Saskia's Beauty Vlog anzuschauen. Ich habe mich damals nicht getraut, selbst Videos zu drehen. Jahre später habe ich meinen jetzigen Freundeskreis kennengelernt und da sagten viele: "Mach einfach, und wenn es nichts wird, kannst du es doch immer noch löschen!" Vor etwa fünf Monaten habe ich dann losgelegt.

Was willst du mit dem Kanal erreichen?
Meinen wichtigsten Meilenstein habe ich schon erreicht: Ganz am Anfang habe ich mir mit meinen Freunden zum Ziel gesetzt, nicht schon nach dem ersten Video aufzuhören, sondern erst mal zehn Videos zu produzieren. Und dann zu schauen, ob es mir immer noch Spaß macht. Ich bin immer noch dabei.

Was nervt dich an deinem Kanal am meisten?
Bei neuen Videos bekomme ich immer zwei, drei Daumen runter. Ich vermute, dass das Menschen sind, die mich persönlich kennen und nicht mögen. Aber meine Freunde stehen hinter mir, schauen sich jeden Sonntag alles an. Da sind mir die ein, zwei Daumen runter egal.

Gerade im Beauty-Bereich werden manchmal Kanäle plötzlich riesengroß. Hoffst du darauf, dass dir das auch passiert?
Zwei Videos von mir haben die 800er Marke geknackt. Da war ich schon erstaunt, normalerweise schauen sich etwa Hundert Leute meine Videos an. Klar, freue ich mich darüber, aber mir gefällt das besser, wenn der Kanal langsam wächst und man sich an die Zahlen gewöhnen kann, statt dass meine Videos plötzlich im Zentrum der Öffentlichkeit stehen. Ich habe ja einen Job, der mir auch wichtig ist. YouTube ist nur ein Hobby, das mich da nicht behindern soll.

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Versuchst du nicht, das Erfolgsrezept von YouTube-Stars zu kopieren?
Naja, in einem der Videos zeige ich meine Schminksammlung, das macht man aber natürlich nur einmal im Jahr, sonst denken ja die Leute: "Toll, du hast die Pinsel umgestellt, mehr ist nicht passiert." Das andere Video zeigt, wie ich meinen Kleiderschrank ausgemistet habe, das macht man aber ja auch nicht so häufig. Aber ich habe daraus schon Schlüsse gezogen: Ich lade vielleicht eher mal einen Drogerie-Haul hoch statt ein weiteres Schminkvideo.

Wann würdest du deinen YouTube-Kanal sofort deaktivieren?
Wenn sich da mal ein Arbeitgeber beschweren würde, dann wäre mir der Job wichtiger. Ansonsten: Wenn ich mich nicht mehr in dieser Öffentlichkeit auf YouTube wohlfühle.

Kannst du dir vorstellen, Vollzeit-YouTuberin zu werden?
Nein, gar nicht. Selbstständigkeit ist nicht unbedingt meins. Ich denke da an die Zukunft, Stichwort Rente, und da habe ich lieber einen festen Arbeitgeber — bei YouTube weiß man ja nie, wie es in einem Jahr noch aussieht. Vielleicht mal als Nebenjob, aber nicht mehr.

Florian Reichel (33), Krankenpfleger & Schriftsteller: "Ich bin mein eigener Algorithmus"

Themen: Buchvorstellungen und Interviews
aktiv seit: 2015
Aufwand pro Woche: 3-5 Stunden
Abos: 54

Florian

Florian Reichel schreibt unter seinem Pseudonym Lucian Caligo Fantasy-Romane. Auf YouTube bespricht er seine Bücher und interviewt andere Autoren und Autorinnen | Bild: Screenshot | YouTube

Motherboard: Unternimmst du etwas, damit dein Kanal wächst?
Florian: Ich weiß, wie es geht, aber ich kann es nicht. Ich müsste mehr mit dem Dashboard arbeiten, Keywords einsetzen und auch andere Videos kommentieren. Aber weil ich Legastheniker bin, brauche ich schon für einen einfachen Kommentar wirklich lange, muss ihn gegenlesen, durch ein Rechtschreibprogramm jagen und selbst dann rutscht immer nochmal was durch. Was Adäquates zu sagen ist auch nicht so leicht. Ich will ja nicht nur: "Das war cool!" schreiben, sondern etwas Gehaltvolles.

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Was motiviert dich?
Das Schriftsteller-Dasein ist einsam. Wenn ich eh in meinem Kämmerchen sitze, kann ich auch gleich Videos machen und so den Kontakt zu anderen Menschen herstellen. Ansonsten habe ich die Hoffnung, dass der Kanal einmal groß wird. Ich bin aber noch nicht so weit, weil ich lieber Bücher schreibe. Aber ich finde, der Kanal erweitert meinen Horizont. Ich bin sozusagen mein eigener Algorithmus. Wenn ich nicht jede Woche ein Video hochstelle, würde es wieder einschlafen. Deswegen setze ich mir jeden Sonntag eine Deadline, 12 Uhr. Dann muss ein neues Video da sein.



Selten schauen mehr als fünfzig Menschen deine Videos. Reicht dir das?
Ich würde zwar gerne mehr Abos haben, das wäre sicher auch hilfreich für meinen Buchverkauf. Aber ich will nur machen, was mir Spaß macht.

Wer sind die Leute, die deine Videos schauen?
Mit vier meiner regelmäßigen Zuschauer und Kommentatoren bin ich persönlich befreundet, einen von ihnen habe ich sogar über YouTube kennengelernt. Der hat mich auf einer Convention wiedererkannt. Da sind dann noch zwei, drei andere, die ich gar nicht persönlich kenne und die auch regelmäßig kommentieren und konstruktiv kritisieren.

Kriegst du auch beleidigende Kommentare?
Früher schon. Das ist bereits mein dritter oder vierter Kanal. Damals ging es um Buddhismus und spirituelle Inhalte. Die sind aber alle geschlossen. Früher haben mich beleidigende Kommentare sehr getroffen. Aber ich habe die immer stehen lassen, um mental daran zu wachsen. Heute bekomme ich sowas gar nicht mehr.

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Christine Karall (33), Achtsamkeitstrainerin: "Habe die 1.000 Views wirklich gefeiert"

Themen: Stressbewältigung, Meditation und Achtsamkeitsübungen
aktiv seit: 2015
Aufwand pro Woche: 3,5 Stunden
Abos: verborgen

Christine Karall

Christine Karall hat ihren gleichnamigen YouTube-Kanal seit Februar 2015 | Bild: Screenshot | YouTube

Motherboard: Die meisten deiner Videos werden ein paar Hundert Mal geschaut. Reicht dir das?
Christine: Es ist mir wichtiger, wenn ein paar Leute wirklich aktiv sind als Hunderttausende Zuschauer, die mich nicht an sich ranlassen. Mir mailen immer mal wieder vor allem Frauen, bedanken sich für die Videos und sagen, dass es ihnen gut tut — und äußern dann direkt Wünsche für neue Videos.

Bist du neidisch auf erfolgreiche YouTuber?
Früher schon. Jetzt weiß ich: Wenn ich will, dass es gut ankommt, muss ich eben nach den Regeln spielen, auf den Algorithmus achten, mir Keywords genau überlegen und so weiter. Ich nehme jährlich an einem Workshop zu dem Thema teil. Aber wenn ich etwas Wichtiges habe, über das ich sprechen will, mache ich das auch einfach.

Welche Tipps bekommt du auf so einem YouTube-Workshops?
Mir missfällt bei den Trend-YouTube-Videos genau das, was mir dort immer geraten wird: Schnellere Musik, schnellere Schnitte. Ich soll mehr Quatsch machen und so weiter. Das kann und will ich nicht.

Warum hast du deinen Kanal eröffnet ?
2015 hatte ich keine Lust mehr, nur das zu machen, was Leute mir sagen. Damals war ich im Theatermanagement angestellt. Einen richtigen Plan hatte ich nicht. Ich habe einfach alles zum Thema gemacht, was mich beschäftigte — auch Übungen und Techniken zur Stressbewältigung, die den Leuten helfen sollen, nach einem langen Tag zur Ruhe zu finden.

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Nur eines deiner Videos in den letzten vier Jahren erreichte mehr als 1.000 Zuschauer.
Ja, bei dem Wurzelchakra-Video dachte ich krass, das sind plötzlich über 1.000 Views. Für viele ist das nicht viel, aber ich habe die 1.000 wirklich gefeiert.

Was motiviert dich weiterzumachen?
Wenn ich irgendetwas lerne, das mir persönlich weiterhilft oder mir beim glücklichen Leben hilft, dann muss ich einfach darüber sprechen oder es verarbeiten. Egal, ob ich dann ein Video drehe, meditiere, oder es in einen Newsletter schreibe.

Marc (47), Contentmanager: "Werde mich für YouTube nicht prostituieren"

Themen: Let's Plays, Süßigkeiten-Unboxings, Vlogs
aktiv seit: 2016
Aufwand pro Woche: 15 Stunden
Abos: 90

Marc

Marc hat beruflich viel mit bekannten YouTubern zu tun: "Die Versuchung ist natürlich da, denen von meinem Kanal zu erzählen. Aber dafür bin ich dann doch zu professionell." | Bild: Marc "Flufu"

Motherboard: Wo kriegst du die 15 Stunden her, die du jede Woche in deinen Kanal steckst
Marc: Das ist nur möglich, weil meine Frau auch gerne Videospiele spielt und wir dann auch mal gemeinsam aufnehmen können. So verbinden wir Familie und Hobby. Am Wochenende lass ich aber auch mal den Computer aus und gehe raus.

Manche deiner Videos wurden bislang von niemandem angeschaut. Wie frustriert bist du?
Manchmal frage ich mich schon, warum ich das eigentlich noch mache – aber dann schreibt jemand ein paar Tage später einen netten Kommentar und ich denke mir: Ja, genau, für diese eine Person, der das gefällt, für die mache ich das.

Wie hat das mit deinem YouTube-Kanal angefangen?
Zwei Freunde haben einen erfolgreichen Kanal und die Firma, bei der ich arbeite, hatte früher auch den einen oder anderen YouTuber unter Vertrag. Der ausschlaggebende Moment für mich war ein Werbevideo meiner Firma. Da habe ich den Computer-Erklärbären gespielt. Ein paar Tage später erkannte mich jemand auf der gamescom. Da dachte ich mir, wow, cool, das freut mich!

Bist du neidisch auf den Erfolg deiner Kollegen, die größere Kanäle haben?
Ach, dem stehe ich neutral gegenüber. Ich hole mir aber Tipps für Videobeschreibungen und Keywords. Ansonsten raten sie mir, dass ich so bleiben soll, wie ich bin. Aber das ist mir eh klar. Wer das nicht gucken will, soll es nicht gucken.

Versuchst du deinen Kanal zu optimieren?
Natürlich. Wenn sich jemand ein Tutorial für ein Spiel wünscht, mach ich das gerne. Außer für Titel wie Minecraft oder Horrorspiele; da bin ich einfach nicht der Typ für. Ich habe mir ganz am Anfang gesagt: Für YouTube werde ich mich nicht prostituieren. Ich werde nichts gegen meinen Willen oder meine Überzeugung tun, um Klicks zu machen.

Was bedeutet dir dein Kanal persönlich?
Es ist für mich eine Bereicherung geworden. Ich war zuvor etwas schüchtern und habe durch meine Videos freies Sprechen trainiert, technisch viel gelernt und auch schöne Momente gehabt. Ich wurde zum Beispiel mit anderen kleinen YouTubern zu einem Event in Frankfurt eingeladen, wo sie uns exklusiv das Spiel Dishonored 2 vorgestellt haben.

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