Der Profi-Kiffer mit dem YouTube-Imperium: Lernen, richtig breit zu werden
„Jolie Olie“ | Bild: YouTube

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Der Profi-Kiffer mit dem YouTube-Imperium: Lernen, richtig breit zu werden

Die Legalisierung in den USA macht aus Marihuana-Experten YouTube-Stars.

"Yo yo, what up YouTube—YouTuuuuuube!"

Laut und leicht überdreht begrüßt Joel „Jolie Olie" Hradecky mit diesem Satz regelmäßig seine Zuschauer. Am 19. März feierte der in Colorado lebende YouTuber das dreijährige Bestehen seines YouTube-Kanals CustomGrow420. Dieser konnte sich in kürzester Zeit zu einem festen Bestandteil der Weedtuber-Community etablieren.

Jolie Olie hat mit mehr als 800.000 Abonnenten eine YouTube-Marktlücke fest im Griff: Er produziert Videos, die sich einzig und allein um Cannabis und seine Verwendung in Medizin und vor allem Freizeit drehen. In den meisten Fällen zeigt der kiffende Entertainer schlicht und einfach, wie er besonders schnell und möglichst brutal high wird. Da er ein beachtliches Lungenvolumen zu besitzen scheint, ist er imstande, fünf Züge aus der Bong zu inhalieren ohne zwischendurch auszuatmen. Mit Aktionen wie diesen gelingt es ihm immer wieder, seinen Ruf als führender Internet-Cannabisraucher zu festigen.

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Die circa 450 Filmchen auf CustomGrow420 begleiten den Zuschauer in die Welt der unbegrenzten Möglichkeiten des Gras-Konsums. Eine der Lieblingskiffmethoden von Jolie Olie ist Dabbing, wobei verdampftes Cannabis-Konzentrat in schnellen, heftigen Atemzügen eingeatmet wird. Diese Substanzen sind in Form von Ölen oder Granulaten erhältlich und beinhalten zwischen 70 und 90 Prozent THC, der psychoaktiven Moleküle im Cannabis. Als Vergleich: legal in Colorado zu kaufendes Gras hat einen Anteil von 30 Prozent THC—und das wird als sehr stark eingestuft. Die Standard-Dosis THC in Colorado liegt bei zehn Milligramm. Man kann sich also lebhaft vorstellen, wie bekifft Joel Hradecky sein muss, nachdem er ein ganzes Gramm des Konzentrats mit einem einzigen Atemzug inhaliert hat.

Das eben beschriebene Szenario bildet auch die Grundlage für das bisher am meisten geklickte Video: 1,7 Millionen Mal wurde THE ONE GRAM DAB!!!!!! bereits angeschaut, und es werden täglich mehr. Die anderen Gassenhauer auf CustomGrow420 führen die Reihe thematisch einwandfrei fort: Er stellt eine Gasmaske vor, die er geschickt in eine Wasser-Bong umgebaut hat, präsentiert einen Glas-Joint und freut sich über den stattlichen 7-Gramm Joint. Als er für ein Video abwechselnd Dabs und Helium inhaliert, wird er fast ohnmächtig.

Selbstverständlich trifft diese Art des Experimentierens nicht nur auf Zuspruch. In der Reddit-Unterkategorie für Cannabis-Konsumenten, r/trees, versammeln sich zahlreiche Kritiker von Jolie Olie: „Er bekräftigt viele negative Stereotype", beschwert sich ein Redditor. „Mit so vielen Abonnenten hätte er das Potenzial, den Leuten etwas Sinnvolles beizubringen, sie über Cannabis und die dazugehörigen Gesetze aufzuklären", schreibt ein anderer. „Aber alles, was er auf die Reihe bekommt ist, eine 80-Dollar-Bong zu stopfen, zu beschreiben, was er raucht und danach zu erzählen, wie high er ist."

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Noch heikler als seine leichtfertige, zum Teil sogar riskante Einstellung gegenüber exzessivem Marihuanakonsum ist Joe Hradeckys vermeintliche Vergangenheit. Ein Mann, der den selben Namen trägt, wurde 2006 verhaftet, nachdem er mit vier Komplizen in einem Park Leute angegriffen und ausgeraubt hat. Mit Macheten und Handäxten bewaffnet drohten sie ihren Opfern mit Enthauptung und versuchten, eine junge Frau zu zwingen, sich auszuziehen. Dabei schrien sie typische Proletenparolen des Horrorcore-Rap-Duos Insane Clown Posse. Sollte dieser mysteriöse Namensvetter also tatsächlich Jolie Olie gewesen sein, dann hat er sich damals schuldig bekannt und wurde im Oktober 2007 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Mit Macheten und Handäxten bewaffnet drohten sie ihren Opfern mit Enthauptung…

Gerüchten zufolge soll er auch noch ein schlechter Vater und Ehemann sein. Eines Tages im August 2014 wurden plötzlich alle seine Videos der vergangenen drei Monate gelöscht und die folgende beunruhigende Nachricht auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht: „CustomGrow420 hat soeben seine Frau, seine 5-jährige Tochter und seinen 1-jährigen Sohn verlassen. Er ist ein Riesen-Arschloch, das seine Familie schlecht behandelt. Es ist echt traurig, dass so jemand von so vielen vergöttert wird. […] Ihr alle solltet woanders hingehen und die Leute mit Bewunderung überschütten, die es tatsächlich verdient haben." Diese Worte könnten von seiner Frau oder einem wütenden Hacker stammen. Hradeckys Kritiker bevorzugten natürlich erstere Version.

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Sicher ist jedoch, dass der YouTuber schon bald wegen unerlaubtem Betretens einer Brücke—natürlich mit Kamera in der Hand—angeklagt werden wird. Dieser Fauxpas brachte ihm eine Erwähnung auf der Klatsch- und Tratsch-Seite TMZ.com ein, was seiner Berühmtheit sicherlich keinen Abbruch getan hat.

Ob die Skandale um seine Person jetzt echt oder gespielt sind, sei dahingestellt. Die Bedeutung von Joel Hradecky im digitalen Cannabinoid-Universum lässt sich jedoch nicht leugnen. Scott, ein selbsternannter Webentwickler mit 15 Jahren Erfahrung sagte unseren französischen Motherboard-Kollegen, Jolie Olie sei sein Lieblings-YouTuber. „Er ist unglaublich unterhaltsam, er kann gut basteln und ich gucke seine Videos einfach gerne."

Als Scott eines Tages den Weltklasse-Stoner an seinen Dabs würgen sah, kam ihm selbst eine zündende Idee und er gründete Weedtubers, eine Seite, die alle Cannabis-YouTube-Kanäle zusammenbringt. „Jolie Olie postete anfangs täglich neue Videos, die ich mir immer während meiner Mittagspause ansah. Dann postete er seltener und ich machte mich auf die Suche nach anderen YouTube-Videos über Gras. Das machte Spaß und ich kam auf den Gedanken, dass wir eine Seite brauchen, auf der alle von der Weedtuber-Community hochgeladenen Videos aufgelistet sind."

DIY-Dabs: Zu Besuch in einem Marihuana-Hightech-Labor

Weedtubers ging am 21. Januar 2015 online. Unter dem Motto „Connecting the Weedtube Community" bringt die Seite 47 Kanäle zusammen, unabhängig von ihrer Bekanntheit—ein Kanal hat sogar nur zwei Subscriber. Manche konkurrieren mit CustomGrow420 in der Kategorie des ungezügelten Konsums, andere konzentrieren sich darauf, die unterschiedlichen Sorten Gras zu testen, die man kaufen oder selbst anbauen kann. Einige Kanäle bieten sogar ausführliche Tips an, damit du deinen Cannabis-Konsum etwas variantenreicher gestalten kannst.

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Die ganzen Videos lassen sich jedoch unter einem gemeinsamen Nenner zusammen fassen: Leute werden high. Die genaue Sorte von Pflanze, Bong oder Haschpfeife und auch weitere Details sind lediglich von niederer Bedeutung. Manche haben sich diesem Schicksal einfach hingegeben und laden nur noch Videos banaler Kiffsessions hoch. Auf diese Weise ist auch der älteste Vertreter der Joint-Videos, Marijuana Man, vor gut 20 Jahren bekannt geworden.

Der sympathische, entspannte Kanadier, dessen bürgerlicher Name Stephen Payne lautet, begann 1997, Rauch in die Kameralinse zu pusten. Yahoo-Nutzer tauften ihn Marijuana Man und waren begeistert von seinen Videos, in denen er exzessives Rauchen mit einer gemütlichen Plauderei kombinierte. „Ich bin 45 und rauche jetzt sei 23 Jahren", erzählte er VICE im letzten Juni. „Das heißt nicht, dass ich abhängig bin, aber ich rauche definitiv wie ein Süchtiger. Ich rauche 10 bis 15 Dabs pro Tag." Motherboard hat sich danach nochmal mit ihm getroffen, und er machte keine Anzeichen, mal einen Gang herunter zu schalte: „Ich rauche jeden Tag ein Gramm Shatter." Dieses Cannabis-Konzentrat hat ein THC-Gehalt von 80 bis 90 Prozent und verdankt seinen Namen („shatter", zu dt.: zerschmettern) seiner Stärke.

Als im Jahr 2005 YouTube auf der Bildfläche erschien, verlegte Stephen Payne sein Erfolgsrezept auf diese Plattform. Mit seinem aktuellen Kanal,

2MarijuanaMan

, kann er seit 2008 über 100.000 Abonnenten und 12 Millionen Views verzeichnen. Über die Seite

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Ustream

sendet er seine Rauch-Sessions sogar in Echtzeit. Im August 2012 entpuppte sich diese Angewohnheit sogar als besonders nützlich: Während er gerade „auf Sendung" war, wurde er von zwei bewaffneten Männern überfallen, die ihn

schlugen und ausraubten

. Drei Monate später wurden die Einbrecher dank der Video-Aufnahmen überführt und zu je sechs und sieben Jahren Haft verurteilt. Dieses Ereignis ist, genau wie der gerufene Slogen „Fire in the hole!" vor jedem Anzünden einer Bong, Teil der MarijuanaMan-Mythologie geworden.

Wie auch Joel Hradecky verdankt Stephen Payne einen großen Teil seines Erfolgs seiner lockeren Art. Der „halb Marihuana, halb Mann, 100 Prozent Spaß"-Kanadier ist auf Facebook sehr beliebt und hat auf seiner offiziellen Seite fast 700.000 Fans. Ein Publikum dieser Größenordnung ermöglicht es ihm, mit den Videos und Beiträgen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. „In zehn Jahren YouTube habe ich ungefähr 2.700 Dollar verdient", verriet er Motherboard. „Über Facebook mache ich allein jeden Monat etwa das Doppelte […] Alles, was ich einnehme, kommt von Sponsoren, die ich selbst anspreche." Jeder Beitrag in den sozialen Netzwerken wird von einem Vaporizer-Hersteller, einem Produzenten von Cannabis-Konzentrat oder einem Anbieter von Geräten zum eigenen Hanf-Anbau gesponsert. Einer der Sponsoren versorgt Marijuana Man sogar „mit allem, was er zum Rauchen braucht", von den Materialien bis hin zu den Konsumgütern.

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Doch Marijuana Man ist bei Weitem nicht der einzige YouTuber, der durch Sponsoring Geld verdient. Auch CustomGrow420 erwähnt in jedem seiner Videos den Hersteller seiner Geräte. Jolie Olie produzierte sogar schon so einige Videos im Stil von Advertorials, in denen er Bekleidungsmarken, Rauchutensilien oder auch mal einen Marihuana-Laden bewirbt. Sein genaues Einkommen ist schwer zu schätzen, Armut leidet er jedoch sicher nicht. Das Gleiche gilt für HaleyIsSoarx, die Prinzessin der Weedtuber. Die junge Frau preist ihren 520.000 Abonnenten regelmäßig die Vorzüge ihrer liebsten Gerätehersteller an. Und doch liegt das Geheimnis ihres Erfolgs woanders. Haley nutzt ihren YouTube-Kanal dafür, die Nutzer zu einem anderen Medium ihres kleinen Königreichs zu locken: Zu ihrer Porno-Webcam.

Mit mehr als 6.500 Fans ist die Raucherin auf der Streaming-Plattform für Erwachsene MyFreeCams sehr beliebt. Laut eigenen Angaben streicht sie mit ihren nicht jugendfreien Videos monatlich 40.000 Dollar ein. In manchen Filmen verbindet sie Sex und Kiffen großzügig miteinander. Bei Twitter trennt sie beide Aktivitäten zwar voneinander, auf ihrem YouTube-Kanal hat sie im Januar 2015 jedoch ihre pornografische Karriere enthüllt, und in ihrem Camgirl-Profil erwähnt sie auch ihren Weedtuber Status. Diese geschickte Verknüpfung zeigt, dass es sich von einer simplen Webcam ziemlich gut leben lässt.

Natürlich stellt sich bei alledem die Frage der Legalität. Das Geschäft des Weedtubings würde gar nicht existieren, wenn nicht einige Staaten der USA die Droge bereits legalisiert hätten. Der Freizeitkonsum ist in Alaska, Colorado und Washington legal, und genau in diesen drei Staaten sammeln sich die Weedtuber. Darüber hinaus ist die medizinische Verwendung in etwa zwanzig anderen Staaten erlaubt. Aus diesem Grund betont HaleyIsSoarx in allen Videoinfos, dass sie in Behandlung ist und all ihre Geräte, Joints und weitere THC-Mixturen medizinischen Zwecken dienen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Polizei gerade auf Gras-Raucher im Netz ein besonderes Augenmerk hat, sind diese Sicherheitsvorkehrungen definitiv nicht unangebracht.

Das Geschäft des Weedtubings würde gar nicht existieren, wenn nicht einige Staaten der USA die Droge bereits legalisiert hätten

Nördlich der Landesgrenze der USA, in Marijuana Mans Heimat Kanada, ist der Freizeitkonsum von Marihuana illegal. In dem Reddit-Thread r/trees wird gemunkelt, dass Stephen Payne ungestraft rauchen darf, weil er angeblich mit der Polizei zusammenarbeite. Diese Theorie keimte auf, nachdem der Kanadier im Februar 2013 ein Video hochgeladen hatte, in dem er behauptete, die beiden Räuber in Zusammenarbeit mit den Behörden ausgetrickst zu haben: „Die beiden Typen wurden reingelassen, um zu tun, was sie sowieso vorhatten, nur dass die Polizei bereits unten auf sie wartete, um sie festzunehmen", erklärte er. „Im Grunde war das geplant. Sowas mache ich manchmal mit meiner Arbeit. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, da ich meine Arbeit lieber privat halte, aber manchmal kreuzt sich meine Privatsphäre eben mit meinem Fantasieleben hier im Internet."

Die Bösen werden geschnappt, die Polizei ist zufrieden, die Internet-Nutzer haben Spaß, Sponsoren werden beworben, und Weedtuber verdienen sich ein goldenes Näschen: Selbst im Internet scheint es also, als hätte der legale Marihuana-Konsum nur Vorteile.