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Die letzten Laboraffen haben Tübingen verlassen – doch die Tierversuche gehen weiter

Die heimlichen Aufnahmen von blutverschmierten Affen mit Implantaten im Kopf haben Wirkung gezeigt: Das Max-Planck-Institut stellt alle Versuche an Makaken ein. Doch das Leiden der Tiere ist damit noch lange nicht zu Ende.
Bild: Soko Tierschutz | buav

Für die Tierschützer von der SOKO Tierschutz ist es ein „historischer Erfolg": Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik (MPIBK) in Tübingen beendet seine medizinischen Experimente an Affen. Im April haben die letzten neun der zwischenzeitlich bis zu 50 Makaken das Labor verlassen. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur dpa unter Berufung auf das MPIBK.

Die Experimente an Makaken und Rhesusaffen in Tübingen erlangten im Herbst 2014 traurige Berühmtheit, als die SOKO Tierschutz heimliche Aufnahmen aus dem Inneren des Versuchslabor veröffentlichte. Ein Aktivist der Gruppe hatte sich als Pfleger unter dem Decknamen „Pawel" in das Institut eingeschleust und die Versuche mit versteckter Kamera gefilmt. Die Aufnahmen zeigen unter anderem, wie die Schädel von Makaken aufgesägt und Elektroden ins Gehirn eingeführt werden, und wie sie versuchen, sich die Implantate aus dem Kopf zu reißen.

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Der Verbreitung der Bilder folgte ein Sturm der Entrüstung: Protestaktionen und Demos wurden in Tübingen organisiert. Eine Petition, die den sofortigen Stopp der Experimente forderte, unterzeichneten knapp 90.000 Menschen. Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Instituts wegen möglicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz wurden eingeleitet.

Am Ende knickte das Institut ein. Bereits im April 2015 teilte das MPIBK mit, dass man auf Anweisung des Institutsleiters Nikos Logothetis Affen nur noch für laufende und bereits genehmigte Experimente benutzen werde. Tierversuche würden künftig ausschließlich auf Nagetiere beschränkt bleiben. „Die Max-Planck-Gesellschaft bedauert diese Entscheidung", hieß es damals in einer Stellungnahme. Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer sprach von einem „schweren Rückschlag für die Forschung".

Nun, da die letzten Affen das Institutsgelände verlassen haben, befürchtet man im MPIBK , dass die Forschung ins Stocken gerät. Laut Christina Beck, Sprecherin des Instituts, könnten bestimmte wissenschaftliche Projekte ohne die Affen nicht fortgesetzt werden: etwa die Untersuchungen des Institutsleiters Logothetis über spezifische Hirnaktivitäten, die im Zusammenhang mit schweren neuronalen Erkrankungen wie Parkinson und Schizophrenie bereits wertvolle Erkenntnisse produziert hätten.

Es handle sich dabei zwar um Grundlagenforschung, so Beck gegenüber Motherboard, aber im Bereich der klinischen Forschung könne man bereits auf Logothetis' Experimente zurückgreifen – mit möglicherweise greifbaren Fortschritten insbesondere für die nicht-invasive Behandlung von Hirntumoren. Es sei daher „unverantwortlich" gegenüber kommenden Generationen, auf diese Weise den medizinischen Fortschritt zu verhindern. Im Institut sei man daher „nicht glücklich" über die Entscheidung des Direktors.

Der Erfolg für die Tierschützer, der auf den enormen öffentlichen Druck folgte, kann höchstens als winziger Etappensieg verstanden werden: Denn selbst in Tübingen selbst gibt es nur wenige Kilometer weiter noch andere Labore, an denen auch heute an Primaten geforscht wird, etwa an der Uni Tübingen oder im Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen.

Was mit den Tübinger Laboraffen geschieht, ist unklar. Denn dass die Tübinger Wissenschaftler nicht mehr Hand an die Affen anlegen, heißt nicht, dass die Tiere das Gröbste hinter sich haben. Im Gegenteil: Auf ihre Befreiung aus dem Labor folgt nur weitere Unfreiheit – im nächsten Labor. Laut dem Regierungspräsidium Tübingen, der Genehmigungsbehörde für Tierversuche, werden die letzten Tübinger Affen an „europäische Forschungseinrichtungen" gebracht. An welche Einrichtungen genau, möchte weder die Behörde noch das MPIBK kommentieren.

Den Tieren dürfte es vermutlich herzlich egal sein, in welchem Labor sie gequält werden. Und das könnte sich noch eine ganze Weile hinziehen – je nachdem, wie lange sie leben. Denn ein Leben nach dem Labor gibt es für Versuchstiere nicht: Instituts-Sprecherin Beck sagte gegenüber Motherboard 2014: „Keines der Tiere kann wieder in die Freiheit entlassen werden, insofern sterben alle Tiere schlussendlich im Labor."