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Physiker entdecken neuen Zustand: Fest, flüssig, gasförmig, quantenflüssig

Die Quanten-Spinflüssigkeit könnte die Entwicklung von Quantencomputern enorm vorantreiben.
Graphen | Bild: AlexanderAlUS - Own work | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Physikern ist es erstmals gelungen, die Existenz eines geheimnisvollen Materiezustands, der sogenannten Quanten-Spinflüssigkeit, in realer Materie nachzuweisen.

Diese neue Entdeckung ist nicht nur an sich ziemlich beeindruckend, sie könnte sogar die Zukunft des Quantencomputings revolutionieren. Physiker des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben die Hypothese aufgestellt, dass die Quanten-Spinflüssigkeit die Datenspeicherung vereinfachen könnte, Berechnungen deutlich beschleunigen und der Dekohärenz von Dateninformation bei den Quantenbits (Qubits) vorbeugen könnte.

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Die Dekohärenz ist der Verlust der Superpositionseigenschaften eines Quantenzustands. Das bedeutet: Die typische Überlagerung mehrerer Zustände der Quantenbits, welche nicht wie im normalen binären System nur 1 oder 0, sondern gleichzeitig 1 und 0 sowie beispielsweise auch 00+11 oder 00-11 sein können, verfällt. Dann verhält sich das Qubit nur noch wie ein klassisches Bit.

Laut eines Professors des MIT könnte die Quanten-Spinflüssigkeit auch Verunreinigungen im Material, das die Qubits umgibt, beseitigen. Somit würde verhindert, dass dieses Material unerwartet seinen Quantenzustand ändert.

„Das ist ein bedeutsamer Schritt für unser Verständnis der Quantenmaterie", sagte Co-Autor Dr. Dmitry Kovrizhin von den University of Cambridge in einem Statement. „Es ist spannend, einen neuen Quantenzustand zu entdecken, den wir vorher noch nie gesehen haben—es bietet uns die Möglichkeit, völlig neue Dinge auszuprobieren."

Ein internationales Forschungsteam hatte die Quanten-Spinflüssigkeit bereits vor 40 Jahren vermutet. Im Jahr 2012 wurde ihre Existenz erstmals nachgewiesen, als Physiker des National Institute of Standards and Technology einen quantenflüssigen Zustand in einem künstlich hergestellten Mineral der Sorte Herbertsmithit nachweisen konnten.

Laut einer in Nature Materials veröffentlichten Studie sind Quanten-Spinflüssigkeiten in der Lage, Elektronen zu spalten. Doch zuvor ist es den Wissenschaftlern nicht gelungen, dieses Phänomen in einem zweidimensionalen Material nachzuweisen. Der neue Aggregatzustand bringt Elektronen—von denen man bislang annahm, dass sie unteilbar sind—dazu, in Quasiteilchen mit halbzahligem Spin und ohne elektrische Ladung zu zerbrechen. Diese werden auch Majorana-Fermionen genannt und wurden vor zwei Jahren erstmals von Physikern in einem Nanodraht nachgewiesen.

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„Bis vor kurzem hatten wir keine Vorstellung darüber, wie sich die Quanten-Spinflüssigkeit in Experimenten überhaupt verhalten würde", so Kovrizhin. „Die Frage, die wir uns immer gestellt haben, war, was wir wohl beobachten könnten, wenn wir mit Quanten-Spinflüssigkeit experimentieren würden."

Den Forschern der aktuellen Studie gelang es nun, mit Hilfe von Neutronenstreuung ihre Ergebnisse mit denen des theoretischen Hauptmodells für Quanten-Spinflüssigkeiten, des Kitaev-Modells, in Übereinstimmung zu bringen."

Um zu verstehen, wie die Quanten-Spinflüssigkeit funktioniert, kann man es mit normalem magnetischen Material vergleichen. In diesem verhalten sich die Elektronen wie Stabmagneten, die sich bei extremer Abkühlung je nach ihren Polen anordnen.

In magnetischem Material, das eine Spinflüssigkeit enthält, fluktuieren die Elektronen aber die ganze Zeit, und „selbst wenn das Material auf den absoluten Nullpunkt abgekühlt wird, gleichen sich die Stabmagneten nicht an sondern bilden durch die Quantenfluktuation eine Art verschränktes Muster", so die Erkenntnis der Wissenschaftler.

Um diese Fluktuationen aufzuspüren, beobachteten die Physiker Elektronen in dem Testmaterial Rutheniumchlorid. Dabei stellten sie fest, dass die in der Quanten-Spinflüssigkeit entstandenen Muster denen entsprachen, die in früheren Theorien vorhergesagt worden waren.