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Mutanten-Popcorn droht die EU zu erobern

Die EU hat gestern keine Bedenken gegen den umstrittenen Genmais 1507 angemeldet. Damit dürfte die genmanipulierte Sorte wohl bald auch in Deutschland angebaut werden.

Auch natürlich gewachsen schon schön bunt. Mais auf einem Markt in Peru. (via)  

Am Ende einer öffentlichen Debatte in Brüssel stand gestern ein wohl entscheidender Schritt zur Anbaufreigabe von Genmais. Die Sitzung von EU-Ministern konnte sich auf keine „qualifizierte Mehrheit“ einigen, die sich gegen eine Zulassung der umstrittenen Sorte des US-Herstellers Pioneer Dupont ausspricht.

Statt einer qualifizierte Meinung wartete jedenfalls die Bundesregierung in der Sitzung vor allem mit ihrer vornehmenen Nichteinmischung auf, da sie sich intern zu keiner eindeutigen Position durchringen konnte. Bundeslandwirtschaftsminister Friedrich hat sich wohl auf Wunsch von Angela Merkel höchstpersönlich der Stimme enthalten, während sich die SPD gerne öffentlichkeitswirksam gegen den Anbau ausspricht und CSU-Minister Friedrich—kaum wieder im heimischen Stimmungshoch gelandet—jetzt einfach auf regionale Sonderregelungen und Verbote hofft. Dabei wäre die gestrige Entscheidung eine einmalige Chance gewesen mit einem breiten Widerspruch in der EU, der seit mehr als zehn Jahren von Pioneer Dupont forcierten Zulassung einen Riegel vorzuschieben, und nebenbei sogar mal einer Absichtserklärung des Koalitionsvertrag zu entsprechen. Dort heisst es nämlich:

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"Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an."

Konkret dürfte die gestrige Entscheidung bedeuten, dass die genmanipulierte Maissorte schon bald in Deutschland und europaweit angebaut werden wird. Und weil die gestern durchgewunkene Maissorte 1507 zum Beispiel ausdrücklich gegen das Unkrautmittel Glufosinat resistent ist, dürfte es in der Folge zu einem erhöhten Einsatz von Totalherbiziden kommen—Unkrautvernichtungsmitteln, die breitbandig alles zerstören, was kein Monsantolabel oder Du-Pont-Logo trägt.

Auch wenn die Folgen für die Umwelt bisher nicht abschließend bewertet werden konnten, so dürfte es als gesichert gelten, dass Bt-Pflanzen nachhaltig in das empfindliche Gleichgewicht der Flora und Fauna eingreifen. Die bakteriellen Gifte beispielsweise, die solche genmanipulierten Pflanzen permanent produzieren, und die sie vor Schädlingen schützen sollen, wirken eben auch gegen Nutzinsekten. Das Gleichgewicht in der Natur wird also erheblich gefährdet, da nicht nur der Rückgang von Nutzinsekten zu erwarten ist, sondern auch durch den Rückgang der Zielschädlinge Nischen für andere Schädlingsarten entstehen können, für die im schlimmsten Falle neue Pestizide hergestellt werden müssen. Im Falle der Maissorte 1507 ist gesichert, dass die Pflanze ein Gift produziert, welches vor allem gegen Nachtfalter und Schmetterlinge wirkt. Ob andere Bestäubungsinsekten, wie z.B. Bienen in Mitleidenschaft gezogen werden ist bisher nicht ausreichend untersucht.

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Die Vergangenheit hat jedoch zeigt, dass Insekten Resistenzen gegen die Bt-Gifte ausbilden, was beispielsweise in den USA dazu führte, dass der Baumwollkapselbohrer nicht mehr auf das Gift der Gentechnik-Baumwolle anspricht. Um der Lage Herr zu werden, wurden daraufhin neue Gifte entwickelt und ausgegeben.

Noch nicht mutiert, aber schon überreif (via Wikimedia)

In Kanada kam es in Folge des Anbaus von genetisch verändertem Raps zu einer sogenannten "Auskreuzung" mit einer Wildart, die sich mittlerweile etabliert hat und sich unkontrolliert verbreitet. Dass jene Ausbreitung das hiesige Ökosystem stört und verändert ist leicht nachzuvollziehen, während die langfristigen Folgen auch hier unvorhersehbar sind.

Auch wenn die Konzerne immer den Nutzen für die Menschheit in den Vordergrund stellen ist aber absolut klar, dass es weniger um eine Verbesserung der Welternährung geht, sondern um knallharte Dollars. So konnte der amerikanische Chemiegigant Du Pont im ersten Quartal 2013 beispielsweise rund die Hälfte seines Umsatzes mit seiner genetisch gepimpten Agrarchemie erwirtschaften. Auch die Rivalen Syngenta und Monsanto verzeichnen große Kursgewinne. Die wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln lässt vermuten, dass ein Ende der genetisch mutierte Expansion noch nicht erreicht ist und der Einfluss der Gentechnikkonzerne mit den erwarteten Gewinnen wachsen wird.

Die Genmaisproduzenten fördern Monokultur und verdrängen die traditionelle Landwirtschaft. Sie machen die Landwirtschaft abhängig von ihren Produkten, da sie Saatgut und Pestizide gleich maßgeschneidert mitliefern. Auch wenn immer wieder für den Gen-Mais als Wundermittel gegen die prekäre globale Ernährungssituation argumentiert wird stellt sich doch die Frage, ob es nicht gerade Entwicklungen wie Erosion und mangelnde Artenvielfalt sind, welche die landwirtschaftliche Versorgung der Weltbevölkerung in vielen Teilen erschweren.

Während sich also 88 Prozent der Bundesbürger von Genmais gegen den Anbau von Genmais aussprechen und mehrere zehntausend Demonstranten in Berlin auf die Straße gingen (siehe politische Selbstmutation rechts im Bild), wurde gestern der Anbau von Gen-Mais also tatsächlich von EU-Minister ohne ihn aufzuhalten höflich an die EU-Kommision weitergereicht.

Nun liegt die Entscheidung bei der europäischen EFSA-Behörde, die nun auf Grund von wissenschaftlichen Bewertungen über eine Anbauerlaubnis entscheiden muss. Entgegen einer aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung logischen Entscheidung, wird genau dies aber de-facto bedeuten, dass der Anbau genehmigt wird, weil keine eindeutigen Gutachten über die Gefahren der Sorte vorliegen.

Während enthusiastischere Wissenschaftsfreunde die Praxiserprobung der unsicheren, aber unwidersprochenen Technologie begrüßen, dürfte sich nach der Ministerriege auch die dem Kommisariat unterstellte Behörde um eine eindeutige Entscheidung in dem Dilemma zwischen ungeklärter Faktenlage, gefährlicher Technologie und Bevölkerungsstimmung drücken. Einer von den EU-Ministern abgesegneten Anbauerlaubnis darf die EU-Kommission nämlich nur in Extremfällen ihre Zustimmung verweigern. Sonst würde Ärger mit der WTO drohen; und das will natürlich niemand.