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Was alle am Triumph von Googles Künstlicher Intelligenz falsch verstehen

Googles Künstliche Intelligenz hat uns Menschen haushoch besiegt. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Go und der Realität.
Bild: imago

Seit heute morgen ist die Schlacht endgültig vorbei. Die Maschine hat gewonnen. In vier von fünf Spielen unterlag der Go-Weltmeister, Lee Sedol, der Künstlichen Intelligenz AlphaGo—in einem Spiel, das bislang als der heilige Gral der KI-Forschung galt. Da Go nicht nur außerordentlich komplex ist, sondern gleichzeitig eine bestimmte Gabe an Intuition für den richtigen Zug voraussetzt, galt eine Topleistung für eine Rechenmaschine bisher als große Herausforderungen.

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Die Euphorie über die hochentwickelte Technik geht in den Medienberichten und auch in einigen Kommentaren im Stream, der die Go-Schlacht weltweit live auf YouTube übertrug, Hand in Hand mit einer diffusen Angst vor einer zukünftigen Herrschaft intelligenter Maschinen.

Der Erfolg von AlphaGo erinnert an einen vergangenen Computertriumph: 1997 wurden dem Schachweltmeister Garry Kasparov von einer Maschine seine Grenzen aufgezeigt. Der Schachcomputer Deep Blue arbeitete damals noch mit einer verfeinerten Brute-Force-Methode und probierte bis zu 200 mögliche Züge pro Sekunde (doppelt so viele wie die Version von 1996, die gegen Kasparov verloren hatte), bevor er die nächste Spielfigur auf dem Brett bewegte. Selbst Weltmeister wie Kasparov vermögen lediglich um die fünf Züge pro Sekunde zu identifizieren.

Lee Sedol nach seiner Niederlage gegen AlphaGo | Bild: imago

Nun wird die erfolgreiche Spielserie von AlphaGo gegen Sedol gerne mit dem legendären Sieg von DeepBlue gegen Kasparov verglichen. Nicht nur beim Go, sondern auch beim Schach beläuft sich die Anzahl möglicher Züge auf mehr Möglichkeiten als es Atome im Universum gibt, so dass die Berechnung des nächsten Zuges viel zu lange gedauert hätte.

Die Programmierung von AlphaGo brachte ein ähnliches Problem für die Ingenieure mit sich. Das 2.500 Jahre alte chinesische Brettspiel Go birgt noch weitaus mehr Möglichkeiten, die Spielsteine auf dem Brett zu platzieren als Schach. Die Entwickler mussten auch hier eine Lösung finden, die Anzahl der unzähligen Optionen herabzusetzen. Die Programmierer entschieden sich, die Rechenschritte nicht von Hand zu optimieren, sondern entwickelten eine Methode, mit der sich der Computer selbständig weiterbilden konnte.

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Künstliche Intelligenz knackt das Rätsel des unzerstörbaren Plattwurms

Die Leistung von AlphaGo beruht nicht mehr auf Brute-Force, weil die Anzahl der möglichen Spielvarianten selbst die Leistung eines Computers sprengen würde. Stattdessen konzentrierten sich die Entwickler auf eine wesentlich effektivere Strategie, nämlich die Technik des Maschinenlernens. Diese nutzt nicht nur auf neuronale Netzwerke, sondern versieht das System zusätzlich mit einem Kurzzeitspeicher, welcher ein künstliches Gedächtnis simulieren kann.

Dafür kombinierte die Künstliche Intelligenz zwei verschiedene neuronale Netzwerke. Als erstes verleibte sich AlphaGo Millionen von Datensätzen professioneller Go-Spiele ein. Im Anschluss daran spielte der Computer unzählige Partien gegen sich selbst und trainierte sein Können, indem er seine internen Regeln nach jedem Spiel (das er ja gleichzeitig gewonnen und verloren hatte) optimierte. Mit Hilfe des Vorwissens aus der Datenbank entwickelte AlphaGo ein Bewertungssystem, welches dem Programm nun ermöglichte, sich aus einer Auswahl von Zügen in der jeweiligen Spielsituation für den jeweils besten Move zu entscheiden.

Auch eine weitere Spiele-KI sollte in dem Zusammenhang intelligenter Rechner noch kurz erwähnt werden: Der Schachcomputer Giraffe wurde im vergangenen September von Matthew Lai am Imperial College in London vorgestellt. Giraffe spielt vorerst so gut Schach wie die besten herkömmlichen Schachcomputer, wurde von dem Entwickler mittels Deep Learning jedoch so trainiert, dass der Rechner die Züge möglichst effizient und mit einem Mindestmaß an Positionswechseln durchführt.

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Am 21. Januar, sechs Tage bevor DeepMind AlphaGo enthüllte, erklärte Lai, dass er seine Arbeit an Giraffe nicht mehr weiter führen würde. Der Grund dafür? Er wurde von Google angestellt, um sich bei Deep Mind an der Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenzen zu beteiligen.

Letztendlich ist der Erfolg von Deep Blue, AlphaGo und Giraffe also nur möglich, weil die jeweiligen Forscher ein mathematisches Problem auf sehr geschickte Weise gelöst und die Rechenmaschine dementsprechend programmiert hatten. Schon bei dem Erfolg von Deep Blue gegen Kasparow sollte die Leistung der beteiligten Wissenschaftler nicht unterschätzt werden: Auch sie reduzierten im Vorhinein die Anzahl der Rechenoperationen, die ihre Maschine ausführen musste, so dass DeepBlue nur eine bestimmte Anzahl von Zügen durchzuprobieren hatte, um die beste Optionen zu wählen. Das Matt von Kasparov war also in erster Linie eine Glanzleistung der Entwickler und nur an zweiter Stelle ein Sieg reiner Rechenkraft.

Menschliche Go-Spieler | Bild: Wikipedia | Brian Jeffery Beggerly | CC BY 2.0

Und auch, wenn die Künstliche Intelligenz nun ein Meister im Go-Spiel ist und der KI-Forschung zu einem Vorsprung von zehn Jahren verholfen hat—der Sieg beruht letztendlich auch auf den Eigenheiten von Go und Schach. Bei beiden Spielen handelt es sich um deterministische Spiele, also Spiele, die nicht auf Komponenten wie Glück oder Zufall basieren und bei denen alle Züge und Aktionen, die der Gegner am Brett vornimmt, für alle einsehbar sind. Im Leben gibt es aber auch zahlreiche Situationen, wo nicht jeder Schritt im Verhalten von Menschen öffentlich sichtbar ist—bei solchen Interaktionen, bei denen noch sehr viel mehr Schritte möglich sind, würden sich Maschinen ungleich schwerer tun als am Go-Brett.

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Sogar Elon Musk, der eher zu den Skeptikern Künstlicher Intelligenz gehört, freute sich über die Leistung von AlphaGo und gratulierte der Google-Tochter DeepMind zu ihrem Erfolg:

Congrats to DeepMind! Many experts in the field thought AI was 10 years away from achieving this. https://t.co/5gGZZkud3K
— Elon Musk (@elonmusk) 9. März 2016

Musk geht die voranschreitende Revolution der KI-Forschung ganz pragmatisch an. In einem Interview mit Backchannel sagte er: „Ich denke, die beste Verteidigung gegen einen Missbrauch von KI ist es, so viele Menschen wie möglich zu ermutigen, sich eine KI anzuschaffen. Wenn jeder KI-Kräfte hat, dann gibt es nicht eine einzelne Person oder eine kleine Anzahl von Individuen mit KI-Superkräften."

Roboter-Superintelligenz ist die dominierende Lebensform des Weltalls

Solange uns die Rechner lediglich bei deterministischen Strategiespielen fertig machen, und sie noch auf die menschliche Kreativität angewiesen sind, sieht es doch eher nach einer friedlichen Mensch-Maschine-Symbiose als nach einer Robo-Apokalypse aus.

„Das ist keine Intelligenz für allgemeingültige Zwecke—sie ist nicht empfindsam", so Guy Suter, Gründer des KI-Kommunikations Start-ups Notion in der LA Times. „Der Softwarebot könnte nicht eines morgens aufwachen und sich dazu entschließen, den Umgang mit Waffen zu erlernen. Das ist ein anderes Level von Intelligenz."