Kartographiert: Deutschlands Darknet-Festnahmen im Überblick
Wir mögen subtile Symbolbilder. Ihr auch, oder? Bild: Motherboard

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Kartographiert: Deutschlands Darknet-Festnahmen im Überblick

Wird man in Bayern einfach schneller erwischt oder nehmen die Bayern viel mehr Drogen?

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass deine Eltern oder die lokale Kripo noch nie vom Deepweb gehört haben—das bedeutet aber nicht, dass das Darknet, wie es auch genannt wird, nicht bereits mehrfach zum Schauplatz von Verbrechen geworden ist, die auch in Deutschland langsam wahrgenommen werden. Kriminelle nutzen dabei die relative Sicherheit, die die Anonymität des Darknet und die Bezahlung mit Bitcoins bieten (und von der natürlich auch Dissidenten und Aktivisten profitieren, wenn sie im Darknet völlig legalen Aktivitäten nachgehen).

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Wir haben in den vergangenen Monaten Kontakt zu verschiedenen Landeskriminalämtern aufgenommen—die meisten davon sind sich der größeren Rolle des Darknet durchaus bewusst und wissen, dass es eine große Rolle im Verbrechen spielt. Trotzdem tauchen Darknet-spezifische Verbrechen in ihrer Statistik immer noch nicht separat auf. Motherboard verhilft zur Übersicht: Hier sind alle uns bekannten Verhaftungen, die es im Zusammenhang mit dem Darknet im Bundesgebiet gegeben hat. Warum die meisten sich dabei in Bayern häufen, müsst ihr uns allerdings erklären.

Schweinfurt: Codename WTF

Bild: Max Hoppenstedt/Motherboard

In Schweinfurt hat ein Student seine Fachhochschule mutmaßlich als Logistikzentrale für seine Online-Waffengeschäfte benutzt. In unserer Vor-Ort-Recherche stellte sich heraus, dass der 25-Jährige auf dem Campus zumindest unter einigen seiner Mitstudenten nicht nur dafür bekannt war, vermehrt die Schließfächer der Bibliothek zu okkupieren, sondern auch den Tor-Browser und Darknet-Foren zu benutzen. (Lest hier unseren ausführlichen Bericht aus Unterfranken.)

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Vergehen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor, weshalb dem Studenten bis zu 15 Jahren Gefängnis drohen könnten. Im Zuge der Razzia des SEK wurden auch in umliegenden unterfränkischen Landkreisen Durchsuchungen angestellt und dabei insgesamt zehn Kurzwaffen und mehrere tausend Schuss Munition beschlagnahmt.

Leipzig und bundesweit: Shiny Flakes, das profitabelste Start-Up Sachsens

Bild: Theresa Locker/Motherboard

Shiny Flakes, ein bei seiner Festnehme 21-jähriger Nerd aus Leipzig, verkaufte online, eigenverantwortlich und international so ziemlich alles außer Heroin und machte sich damit nicht nur zum Kleingangster-Held, sondern auch einen Millionenumsatz in nur vier Monaten. Das Besondere: Shiny Flakes war mit seinem Hochglanz-Shop nicht nur im Darknet unterwegs, sondern auch im Clearweb. Die dramatische Wendung kam durch eine unzureichende Frankierung; seine steile Karriere endete vorerst in der JVA Leipzig nach der Beschlagnahmung von 360 kg Drogen aus seinem Jugendzimmer.

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Fünf weitere Festnahmen gingen aus 38 Hausdurchsuchungen (unter anderem in Berlin, NRW, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern) hervor, die in der Woche nach Shiny Flakes' Festnahme im gesamten Bundesgebiet durchgeführt wurden.

Der „Pfandleiher"

Ansprechend präsentiert: 17 kg Speed. Bild: BLKA

Im Juli 2013 zerschlugen die Fahnder des bayerischen LKA mit Hilfe aus Salzburg und Wien einen Drogenring, der auf Silk Road gehandelt haben soll. Nachdem die Ermittlungen Anfang 2013 aufgenommen wurden, beschlagnahmten die Ermittler insgesamt 18 kg Amphetamin, dazu Immobilien, Autos, Konten und Bargeld—insgesamt in einem Wert von 700.000 Euro. Drei Männer und eine Frau aus Berlin, Brandenburg an der Havel und Deggendorf wurden inhaftiert, ein damals 51-jähriger holländischer Geldkurier (der 50 000 Euro von Bitcoin umgetauschtes Bargeld aus Brandenburg entgegennehmen sollte), wurde mittlerweile wieder freigelassen. Der Haupttäter Sascha F., bekannt als „Capo Nr. 1" oder „Pfandleiher" war zum Tatzeitpunkt 24 Jahre alt, cruiste aber dennoch bereits in schnellen Sportwagen durch Süddeutschland. Wie uns das LKA Bayern mitteilte, war dieser mindestens europaweit der erste Fall, bei dem man einen Händler aufgrund von Recherchen im Darknet festsetzen konnte.

Bayern: Für eine Handvoll Crystal

Bild: Screenshot BR

Dieser Fall hatte mit einem Tipp aus dem USA begonnen: Ein Kunde aus Weißenburg-Gunzenhausen habe 0,25 Gramm Meth im Darknet bestellt. Hausdurchsuchungen folgten, Festgenommene packten über ihre Hintermänner aus, schließlich fanden die Ermittler noch Stromrechnungen, die sie schließlich zu Cannabisplantagen führten, sowie weitere Drogen (250 kg Cannabis, 50 kg Amphetamin, 250 Gramm Koks und 30 000 Ecstasy-Tabletten) und Waffen. Sieben tatverdächtige Dealer aus den Landkreisen Ansbach, Oranienburg und Weißenburg-Gunzenhausen sitzen in Haft. Die Polizei freut sich, eine „über zehn Jahre bestehende Drogen-Connection" Schritt für Schritt aufgedeckt zu haben.

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Nicht nur wir haben für unsere gesammelten Fälle eine Darknet-Karte gestaltet, auch die Polizei versucht, sich mit Diagrammen das komplizierte Proportionenverhältnis in diesem Fall ein wenig zu erleichtern. Wenn sie das dann auch noch versucht, der Presse zu erläutern, kommt so etwas dabei heraus, wie der BR oben anschaulich darstellt.

Bad Nauheim: Commodore

Ein Fall in Hessen im Zuge der Silk Road 2.0-Schließung und Operation Onymous vom November 2014: Drogenhandel, Waffenhandel und Kreditkartenbetrug verfolgten die Fahnder des LKA Hessen und des Zolls und schlossen schließlich nach der Festnahme eines 21-Jährigen in Bad Nauheim (er war Teil einer Bande) die Darknetmärkte Black Market Reloaded und den Nachfolger Utopia—diese beiden Märkte sollen die Beschuldigten betrieben haben. Hierbei wurden auch Bitcoins sichergestellt.

Hessen/Ungarn: Hydra

Ein Verdächtigter wurde auf Geheiß des LKA Wiesbadens in Ungarn festgenommen. Der 26-Jährige soll die Handelsplatttform „Hydra" betrieben haben, auf der Kokain, Cannabisprodukte und Methamphetamin angeboten wurden. Im Zuge der internationalen Ermittlungen der Operation Onymous wurden 141 Marktplätze im Darknet stillgelegt.

Ein kleiner Fisch aus Freising

Der jüngste Darknet-Fall: Ein 42-Jähriger aus Hörgertshausen kaufte im Darknet mutmaßlich zweimal Hasch (auf welcher Plattform, mag die Polizei Oberbayern nicht sagen). Bei einer Hausdurchsuchung wurden 50 Gramm Amfetamin, 110 Gramm Haschisch sowie einen Schlagring und ein Butterflymesser von der Kripo Erding sichergestellt. Im Vergleich zu Shiny Flakes sind das natürlich popelige Mengen, aber für Hörgertshausen nichtsdestotrotz ein spektakulärer Aufreger.

Update: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, das Sascha F. mit einem Lamborghini durch Deggendorf gefahren sei und davor Drogen konsumiert habe. Tatsächlich gibt es keine Hinweise, dass er unter Drogeneinfluss gefahren ist. Klar ist: Die Autos, die er fuhr, waren zwar Sportwagen aber keine Lamborghini. Wir bedauern die Ungenauigkeit und haben den Text entsprechend aktualisiert.

_Falls ihr noch weitere Tipps für uns haben solltet, die unsere Karte vervollständigen könnten, _könnt ihr uns eine E-Mail an Motherboard_De@safe-mail.net schreiben. Wir nehmen Hinweise selbstverständlich auch anonym entgegen. Wenn ihr uns eine verschlüsselte Mail senden möchtet, findet ihr den entsprechenden PGP-Key_ hier._