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Popkultur

Lloyd Kaufman ist der geistige Vater von 'Guardians of the Galaxy'

Der Erfinder von Troma über Netzneutralität, die "Hillary Clintons dieser Welt" und Austern, die Sandkörner im Arschloch stecken haben.

Für die, die ihn kennen, braucht Lloyd Kaufman keine Einführung—und für die, die ihn nicht kennen, wird sowieso keine Einführung reichen. Oder wie soll man jemandem den Reiz an Filmen erklären, in denen lebendige mexikanische Burger mit Oliven-Augen ihr Coming-Out haben, Massenmörder mit Essiggurken als Penis Filmsets terrorisieren und Lemmy als US-Präsident den abnehmenden Blogger-Output der heutigen Jugend kritisiert?

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Lloyd Kaufman ist der Gründer von Troma Studios, das zugleich Unternehmen und Universum ist, und seine Welt ist wie eine barocke Wunderkammer, nur dass hier noch schrägere Dinge als Katzen-Klaviere lauern und man am Ende meistens betrunken ist (oder sich zumindest so fühlt).

Im Rahmen des /slashfilmfestivals, das noch bis Ende dieser Woche seinen fünften Geburtstag im Wiener Filmcasino feiert, war der distinguierte Großmeister des degoutanten Trash-Kinos in Wien zu Besuch. Wir haben ihn in der Lobby seines Hotels getroffen und mit ihm über Netzneutralität, Guardians of the Galaxy und Austern, denen Sandkörner im Arschloch stecken, gesprochen.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst.
Noch mal Entschuldigung für die Verspätung. Ich sollte eigentlich professioneller sein …

Das macht gar nichts. Wir dachten nur, du wärst vielleicht im Zimmer eingeschlafen.
Meine Frau lässt mich doch nicht schlafen! Sie ist ein Monster! Nein, wir sind den ganzen Weg zur Spitze des Stephansdoms hinaufgelaufen.

Wusstest du, dass der Stephansdom die einzige katholische Kirche ist, die links und rechts vom Eingang die Statue eines Penisses und einer Vagina hat?
Oh. Nein, das wusste ich nicht. Aber ich habe mir gestern Ulrich Seidls Im Keller angeschaut und bereits genug von seinen Penissen und Vaginas gesehen. Ein Festival der Genitalien!

Gerade wenn man sich die Wahrnehmung von Troma ansieht, fällt auf, dass Filme im Mainstream ausschließlich am „Production Value" gemessen werden.
Stimmt, das ist eine sehr gute Beobachtung.

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Warum ist das so?
Weil die Leute dumm sind. Die meisten Kritiker wissen nichts über Filmgeschichte. Ich kenne mich mit Filmgeschichte auf jeden Fall besser aus als der Filmkritiker der New York Times. Sie wissen nicht, wer Rossellini ist. Roberto Rossellini hat auf dieselbe Art Filme gemacht wie wir von Troma—mit Rollstühlen, Dolly-Kameras und so weiter—und sie sind Meisterwerke. Aber leider leben wir in einem Zeitalter des Überkonsums, in dem der Preis deiner Kleidung wichtiger ist als sonst was. In Cannes wird damit angegeben, wenn ein Abendkleid 50.000 Dollar kostet. Das ist doch obszön!

Um das Zehnfache könntest du bereits einen Film drehen.
Inzwischen könnte man sogar 10 Filme um den Preis des Kleides drehen. Troma hat sogar einige solcher Mikro-Budget-Filme produziert. Ich habe dabei nicht Regie geführt, weil ich nicht weiß, wie das mit so wenig Geld geht. Aber wir haben sie finanziert. Zum Beispiel Father's Day, ein exzellenter Film von einem jungen aufstrebenden Regisseur, und aktuell drehen wir einen in Portugal, der nur 25.000 kosten wird. Aber, meine Filme kosten um die 500.000 Dollar, ja.

Du hast auch kritisiert, dass Filmkritiker heute eher reine Reviewer sind.
Absolut. Heute würde eine Zeitung wie die New York Times niemals einen Troma-Film besprechen, wenn es gleichzeitig einen Blockbuster zu reviewen gibt, weil das auch ihren Anzeigenkunden eher entgegenkommt. Medien sind nun mal auf ihre Werbekunden angewiesen. Obwohl man sagen muss, dass die New York Times immer ziemlich großzügig und gut zu meinen Filmen war. 1983 hat sich der damalige Times-Kritiker Vincent Canby sogar dazu entschlossen, Toxic Avenger anstelle des Hollywood-Films, der am selben Freitag startete, zu besprechen. Er machte uns einfach zum großen Film der Woche, weil er Troma mochte. Heute würden sie das nie im Leben noch zulassen.

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Es liegt also an den Anzeigenkunden?
Medien sind wie Heroinabhängige. Sie brauchen den nächsten Schuss von Sony oder wem auch immer. Als Variety 1992 eine negative Review zu Patriot Games brachte, zwang Paramount sie dazu, den Kritiker zu entlassen. Sie haben ihn einfach gefeuert. Ich habe damals einen Artikel dazu geschrieben und die Information verbreitet. So wie wir bei Troma die Troma Times als Hauszeitung haben, so haben die großen Konzerne Variety und die anderen Mainstream-Medien. Kennst du Sam Fuller?

Klar, der große Regisseur von Shock Corridor.
Genau. Troma's War war eine Hommage an ihn und sein Werk. Sam Fuller hat mir mal gesagt, jedes große Problem lässt sich entweder auf Geld oder Frauen zurückführen. Genau das haben wir hier: Das große Problem im Filmjournalismus ist das Geld der Filmstudios. Fuller war übrigens ein Fan von Troma.

Welche anderen Regisseure haben dich am stärksten geprägt, egal ob von Mainstream- oder Low Budget-Filmen?
Ich ging ja auf die Yale University. Dort hatten sie die berühmte Zeitschrift Cahiers du cinéma herumliegen und weil ich Französisch spreche und sie mir immer angesehen habe, wurde ich ein bisschen davon gehirngewaschen. Ich war also ein großer Fan von der Idee des Autorenfilms. Meine Lieblingsregisseure waren die Klassiker: Charles Chaplin, D. W. Griffith, Fritz Lang, Jean Renoir, Kenji Mizoguchi, Howard Hawks, Alfred Hitchcock.

Und welcher war stilistisch für dich am Allerwichtigsten?
Wahrscheinlich Stan Brakhage. Er war der größte visuelle Künstler meiner Zeit. Aber umgekehrt hat auch Troma viele neue Talente entdeckt, die heute den visuellen Stil mitbestimmen—zum Beispiel die beiden South Park-Typen, Trey Parker und Matt Stone. Cannibal the Musical war ihr erster Film. Und Stan Brakhage ist übrigens darin zu sehen. Er war der einzige Professor an ihrer Uni, der sie ermunterte, weiterzumachen, während sie den Film drehten. Wir haben ihnen dann dabei geholfen, ihn fertigzustellen, weil sie kein Geld dafür hatten. Ich brachte Stan Brakhage in den 60ern nach Yale, um den jungen Studenten seinen Autorenstil zu erklären.

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Weil wir schon bei Cameo-Auftritten sind: Du hattest einen kleinen Auftritt im originalen Rocky. Wie ist es dazu gekommen?
Ich war nie auf einer Filmschule. Stattdessen habe ich mir einen talentierten Regisseur gesucht, John G. Avildsen, und mich an ihn drangehängt. Ich habe gratis für ihn gearbeitet und als er dann einen Auftrag bekam, stellte er mich an. Troma vertreibt übrigens bis heute einen seiner frühen Filme, Cry Uncle. Ein wundervoller Film! Als dann Rocky anstand, hatte Avildsen nicht genügend Geld, um in Philadelphia an Originalschauplätzen zu filmen. Deshalb nahmen wir uns eine Troma-Crew, die nicht von der Gewerkschaft kam, und drehten einige Szenen geheim in Philadelphia. Irgendwann bekamen die Gewerkschaften Wind davon und das war dann das Ende unseres Drehs. Wir filmten glaube ich acht Tage und haben eine Menge Geld sparen geholfen. Und weil Troma so stark involviert war, spiele ich einen Betrunkenen.

So steht es auch in den Credits: „Lloyd Kaufman, Drunk".
Ich war natürlich sehr gut darin, den Trinker zu spielen. Seither habe ich in zirka 300 Filmen mitgespielt, von denen die meisten Independent-Produktionen waren. In der Regel werde ich übrigens für zwei Arten von Figuren angefragt: Den Betrunkenen oder den Arzt.

Also beide Enden des Spektrums.
Ja! Das Übliche halt.

Lest auf der zweiten Seite, warum Lloyd eine Nebenrolle in Guardians of the Galaxy spielt, welches eine Buch seine gesamte Karriere inspiriert hat und was ihn mit Wrestling verbindet.

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Du hattest auch einen kurzen Cameo-Auftritt in Guardians of the Galaxy.
Oh, ja. Vielen Dank fürs Bemerken! [Mimt seine Figur im Film:] „Murderer! MURDERER!!!"

Wie ist es dazu gekommen?
Der Regisseur des Films, James Gunn, hat bei Troma angefangen! Ursprünglich war er Schriftsteller, aber wie das so ist, brauchte er einen Job. Ich arbeitete bereits seit fünf Jahren an Tromeo and Juliette und fand keinen Autor, der ein Drehbuch schreiben konnte, in das ich wirklich Vertrauen hatte. Also sagte ich zu James „Hier hast du 100 Dollar, schreib ein Drehbuch und komm in drei Tagen wieder". Er kam mit einem ziemlich interessanten Text zurück und wir haben gemeinsam Tromeo and Juliette gemacht. James hat bei Troma auch noch an vielen anderen Dingen mitgearbeitet, aber das war unsere wichtigste gemeinsame Arbeit. Er ist ein guter Typ—und jetzt ist er außerdem die Nummer 1 an den Kinokassen. Wie hat es dieser Titanic-Typ gesagt? „I'm the king of the world!" Nur, dass James Gunn sowas nie sagen würde, weil er viel zu bodenständig ist.

Als ich Guardians of the Galaxy gesehen habe, ist bei deinem Cameo in mir die Frage entstanden, ob das die Art von Film wäre, die du mit einem solchen Budget machen würdest.
James Gunn sagt das auch. Er sagt, er channelt in dem Film Lloyd Kaufman. Aber ich würde niemals einen Film mit so einem gigantischen Budget machen.

Du würdest das Geld gar nicht annehmen?
Sicher würde ich es annehmen—aber ich würde es dir geben und diesen Menschen hier und überhaupt verteilen. Oder 400 Filme damit machen. Und eine kleine Anzahl davon wäre bestimmt richtig gut.

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Wie hat dir Guardians gefallen?
Oh, bitte nicht falschverstehen: Guardians of the Galaxy ist ein Meisterwerk, kein Zweifel. Ich kann mir sonst keine solchen großen Hollywood-Filme ansehen. Nicht mal diese Filme von Peter Jackson, wie heißen sie noch mal? Herr der Ringe und The Hobbit. Das sind für mich echte „clock watcher". So wie „cock blocker"—kennst du den Ausdruck?

Sicher. Obwohl, „clock watcher" können auch „cock blocker" sein.
Da hast du recht! Aber ich weiß auch, dass Peter Jackson einer der ganz großen Regisseure ist. Ich verstehe nur diese langweiligen Epen nicht. Ich kapiere noch nicht mal Star Wars.

Hast du Star Wars gesehen?
Ich habe zwei Teile davon gesehen.

Von der ersten Trilogie, nehme ich an.
Natürlich. Wenn ich meinen Fans erzählen würde, dass ich die neuen überhaupt nur gesehen habe, würden sie aufhören, Fans zu sein. Nicht mal Die Jäger des verlorenen Schatzes gibt mir was. Aber Guardians ist ein wunderbarer Film—sehr schön anzusehen, irgendwie traurig, aber auch lustig und sehr unterhaltsam. Ich hab ihn im IMAX gesehen.

Ich finde, das muss man in dem Fall auch.
Ja, ich denke auch. Aber auch James Gunns andere, kleinere Filme sind großartig. Zum Beispiel Super, den er im Wesentlichen mit einem Troma-Budget gemacht hat. Er musste zwar auch noch die Schauspieler bezahlen, aber sonst hatte er zirka genauso viel Geld wie ich für Citizen Toxy. Und er ist absolut originell. Auch wenn er von dummen Menschen mit Kick-Ass verglichen wurde, mit dem er meiner Meinung nach gar nichts gemeinsam hat.

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Mit Kick-Ass bin ich irgendwie nie warmgeworden, im Gegensatz zu Super.
Teil 2 habe ich gar nicht gesehen, Teil 1 ist nicht schlecht, aber weit entfernt von Super. Dafür mochte ich Crank wirklich gerne. Da ist der zweite Teil sogar noch weit besser als der erste. Neveldine & Taylor sind auch Troma-Fans. Und Gamer! Gamer war zwar nicht besonders erfolgreich, aber mir hat er gefallen. Da spiele ich übrigens auch mit. Ich bekomme dafür auch kein Geld, ich mache das nur zum Spaß.

Als ich mir kürzlich Toxic Avenger und Poultrygeist wieder angesehen habe …
Oh, danke sehr!

Ähm, gerne! Poultrygeist ist einer meiner Favoriten. Ein Freund von mir besitzt nur eine einzige DVD und es ist diese.
Im Ernst? Wow. Das macht mich froh.

Jedenfalls, als ich mir die wichtigsten Troma-Filme noch mal angesehen habe, hatte ich den Eindruck, dass sie jeweils das bestimmende Thema des Jahrzehnts aufgegriffen haben: In Toxic Avenger sind es Umweltverschmutzung und Fitness-Kult, bei Poultrygeist Fast-Food und Medienhäuser, bei Return to Nuke 'em High, Volume 1 ist es der Bio-Trend und die Kritik daran.
Ja, aber es kommen auch noch andere Themen und Motive drin vor. Bei Nuke 'em High geht es zum Beispiel auch um Bullying, mit dem wir heute ein ziemliches Problem haben. Zwischenmenschliche Beziehungen unter Gleichgeschlechtlichen sind am College auch ein Thema. Rassismus genauso. Das steckt alles in Return to Nuke 'em High. Momentan schneiden wir gerade Teil 2.

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Wann wird der rauskommen?
Das weiß ich nicht, weil wir von den Krümeln leben, die die großen Studios hinterlassen. Wir sind ein bisschen wie die kleine Flaschenpost, die neben den großen Flugzeugträgern im Meer treibt. Erst, wenn die zur Seite gehen, können wir nachrücken. Aber wir werden vermutlich im Oktober damit fertigsein. Alles hängt davon ab, wann wir einen Slot im Programm der Kinos bekommen.

Ist es also Absicht, dass deine Filme jeweils die größten Themen ihrer Zeit aufgreifen?
Ich würde sagen, meistens sind wir sogar der Zeit voraus. Als wir The Toxic Avenger gedreht haben, war noch gar nicht die Rede von Umweltschutz. Wir gingen damals campen und haben diesen ganzen Scheiß mitten in der Wildnis gesehen. McDonald's-Produkte und -Verpackungen war damals nicht biologisch abbaubar. Die Laschen an Bierdosen haben sich einfach gelöst und wurden von Vögeln verschluckt. Inzwischen lösen sich diese Laschen nicht mehr so einfach. Als wir dann Poultrygeist machten, waren die wenigsten wirklich kritisch gegenüber McDonald's. Heute herrschen eine gewisse Skepsis und ein Bewusstsein gegenüber Fast-Food, damals war das noch nicht der Fall.

Gesellschaftskritik ist in allen deinen Werken ein dominierendes Thema, auch wenn sie unterhaltsam vermittelt wird.
Meine ganze Karriere ist von einem einzigen Buch inspiriert— The Power Elite von C. Wright Mills. Er wurde in der McCarthy-Ära von seiner Uni geworfen, weil man ihm unterstellte, Kommunist zu sein. Das war er natürlich nicht, aber ein Vorwurf reichte damals völlig aus. Wright entwickelte die These, dass der militärisch-industrielle Komplex wie eine Geheimgesellschaft unsere Welt kontrolliert. Meiner Meinung nach ist es heute nicht mehr so sehr das Militär oder die Waffenindustrie, sondern drei Säulen: die Unternehmen, die Bürokraten und die Gewerkschaftsfunktionäre. Gewerkschaftsfunktionäre verdienen in den USA Millionen, während ihre Mitglieder Hundefutter essen. In New York hatten wir einen Gewerkschafter, dessen Büro so pompös war, dass er sich extra ein zweites Büro einrichten ließ, in dem er normale Arbeiter empfing. Viele Politiker lassen sich von Lobbyisten bezahlen und nehmen nach ihrer Zeit im Senat hochbezahlte Posten in der Wirtschaft an. Der frühere Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus hat nach seiner verlorenen Wiederwahl einen Job als Bank-Lobbyist angenommen und verdient 4 Millionen Dollar im Jahr. Es ist wie eine große Drehtür der Eliten.

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Und die kleine fiktive Stadt Tromaville ist dazu quasi die philosophische Antithese.
Ja. Weißt du, die Menschen in Tromaville sind mündige Bürger, die ihr Leben auf die Reihe bekommen. Aber sie werden von dieser Verschwörung der Eliten behindert, die die Menschen vollkommen leersaugen und sie ihres ökonomischen und geistigen Kapitals berauben. Und ich rede hier nicht nur von rechtsgerichteten Eliten. Ich spreche auch von den sogenannten „Limousine Liberals". Den Hillary Clintons dieser Welt. Als SOPA und andere Initiativen gegen Netzneutralität vorgestellt wurden, hat sie nichts dagegen unternommen.

Du bist ja ein großer Verfechter von Netzneutralität. Auf deiner Website beschäftigt sich eins deiner Essays, die du „Lloyd's Roids" nennst, mit dem Thema.
Netzneutralität ist die Triebkraft für ein diverses Internet und der Grund, weshalb es im Netz überhaupt noch Innovationen gibt. Auch VICE hat seinen Erfolg zum Großteil der Netzneutralität zu verdanken. Die größten Unterstützer von Obama sind die Hollywood-Vertreter, die verdrehte Fakten nutzen, um Fortschritt zu verhindern. Sie nutzen heute dieselben Bullshit-Argumente, mit denen schon Jack Valenti und die MPAA in den 80er-Jahren gegen Videokassetten vorgehen wollten: Die schwindende Bedeutung von Copyright und die Zunahme von Porno. Genau dieselbe Argumentationslinie! Aber die Nerds dieser Welt haben sich schon erfolgreich gegen SOPA gewehrt und sie werden sich weiter wehren. Das Internet darf keine Autobahn werden, bei der es eine Schnellspur für die Reichen und eine nichtasphaltierte Drecksstraße für den Rest gibt. Das ist kein sexy Thema, aber es ist wichtig.

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Wie stehst du zu Menschen, die deine Filme herunterladen, ohne dafür zu bezahlen?
Lobbyisten versuchen häufig, das Thema an Filesharing festzumachen. Aber Filesharing ist nicht Piraterie. Ich mag es, wenn sich Leute meine Kunst besorgen. Von mir aus können sie das gratis tun. Ich verteile meine Filme selbst gratis an Fans. Wir verlosen gerade 250 Troma-Filme auf unserem YouTube-Kanal. Mir ist das völlig egal. Mir geht es darum, dass die Leute meine Filme sehen. Mich stört nur, wenn die Anbieter selbst Geld dafür verlangen, dass andere meine Filme downloaden können, so wie das in China der Fall ist. China ist widerlich. Ich spreche Chinesisch und war im ganzen Land. Die Eliten dort verdienen Geld an meinen Filmen! Sie besitzen die DVD-Fabriken und pressen Troma-Werke, ohne auch nur einen einzigen Cent an uns zu bezahlen. Unsere Filme sind überall in China. Auf der anderen Seite lassen sie Rupert Murdoch in ihr Land und mit einigen wenigen großen Studioproduktionen Geld verdienen.

Troma versucht also im Grunde das Gegenteil von dem zu machen, was die Gegner von Netzneutralität wollen. Während die anderen gern ein Internet voller TV-Sender hätten, in dem man Inhalte gut kontrollieren kann, will Troma kleinen Produktionen und jungen Talenten helfen, oder?
Wir sind für die natürlich Konkurrenz. Wir profitieren von Crowdfunding, von der theoretischen Chancengleichheit im Netz. Ihnen ist das alles ein Dorn im Auge. Wo wäre YouTube, wo wäre Netflix ohne Netzneutralität? Und noch etwas: Mehrere Sender bedeuten auch mehr Wahrheit. Vor Al Jazeera hatten wir doch nur ein stark verzerrtes Bild davon, was im mittleren Osten passiert.

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Trotzdem heißt Netzneutralität nicht unbedingt mehr Freiheiten für alle.
Das stimmt. So etwas wie Troma könnte man heute nicht mehr gründen. Zumindest würde es nicht lange Bestand haben. Du müsstest schon eins der großen Studios oder Medienhäuser als Verbündeten haben, aber wirklich unabhängig lässt sich so was heute nicht mehr auf die Beine stellen.

Was extrem schade ist. Immerhin sind wir von technologischer Seite heute alle dazu ausgerüstet, potenzielle Filmemacher zu werden. Aber die Distributionskanäle sind trotz Internet eingeschränkter.
Während meines Studiums in Yale war mein Forschungsschwerpunkt Daoismus, die Lehre von Yin und Yang, die sagt, dass man Dinge wie Schmerz und Genuss nicht voneinander getrennt haben kann. Die Auster hat ein Körnchen Sand in ihrem Arschloch stecken und herauskommt diese wunderschöne Perle. Das Yin ist die Demokratisierung des Filmemachens. Jeder kann heute prinzipiell Regisseur sein. Das Yang ist, dass wir alle nicht mehr davon leben können.

Apropos Gut und Böse—und weil wir hier am Heumarkt sitzen, wo in Wien früher legendäre Wrestling-Events stattfanden: Für mich als Wrestling-Fan gibt es ziemlich viele Parallelen zum Troma-Universum. Tromavilla ist wie eine Wrestling-Liga mit vielen Fehden und Storylines. Und The Toxic Avenger klingt sogar wie ein Wrestling-Charakter!
Oh, und er hat vor kurzem sogar in Florida gewrestlet. Es war natürlich ein richtiger Wrestler, nicht der ursprüngliche Schauspieler, aber er wollte das Gimmick benutzen und wir haben es erlaubt. Das Ganze wird in Kürze online zu sehen sein. Die Parallelen zu Wrestling sehe ich selbst erst seit kurzem, weil ich mich damit nicht so richtig auskenne. Aber es stimmt vermutlich. Einige Wrestler sind große Troma-Fans. Zum Beispiel Dolph Ziggler, der meine Filme wirklich bis ins kleinste Detail kennt. Oder auch Chris Jericho, der mich mal zu Troma interviewt hat. Die Art des Geschichtenerzählens und die Körperbetonung sind vermutlich ähnlich.

Und auch die Rolle, die Fans bei beidem spielen.
Oh ja. Bevor ich Citizen Toxie: The Toxic Avenger IV gemacht habe, wollten die Fans immer wieder, dass der Avenger und Sergeant Kabukiman gegeneinander antreten. Dabei gehören doch beide zu den Guten!

Auch das ist wie im Wrestling: Die größten Matches sind die zwischen zwei Fan-Lieblingen.
Jetzt sehe ich das auch. Damals war es komplett unverständlich für mich. Wir haben dann einfach ein Paralleluniversum mit einem bösen Toxie und einem bösen Kabukiman eingeführt und das Problem so gelöst.

In Return to Nuke 'em High spielt Lemmy von Motörhead den US-Präsidenten und sagt: „Fucking students don't write blogs anymore, they just like to fuck". Ist das eigentlich Lloyd Kaufman, der da spricht?
Ja. Weil ich genau das denke. Schau dir nur ihre Tweets an. Und es ist noch nicht mal ihre Schuld, es liegt an unserem amerikanischen Bildungssystem, das für alle, die keiner Elite angehören, gleichermaßen beschissen ist. Die Kids sind schlau, aber sie werden verdummt.

Eine etwas morbide Frage: Hast du deinen letzten Film schon im Kopf?
Ich weiß nicht. Im Moment denke ich eigentlich nur daran, The Toxic Avenger V zu machen.

Markus hat von Lloyd Kaufman eine DVD geschenkt bekommen, mit der er auch auf Twitter gerne angibt: @wurstzombie