Fast jeder denkt rassistisch—wie sehr, zeigt dir dieser Test

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Fast jeder denkt rassistisch—wie sehr, zeigt dir dieser Test

Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, hat dein Hirn wahrscheinlich rassistische Denkmuster verinnerlicht. Um diese überhaupt sichtbar zu machen—was traumatisch sein kann—gibt es einen wissenschaftlichen Test.

Bild: shutterstock

„Ich bin kein Rassist, aber…" Dass diese Beteuerung meist im Gegenteil der Aussage endet, wissen wir. Doch selbst Leute, die nicht offen fremdenfeindliche Sprüche klopfen oder tatsächlich glauben, dass Menschen mit anderer Hautfarbe weniger wert sind, hängen auf unterbewusster Ebene sehr häufig rassistischen Denkmustern an. Trotzdem würden die meisten von uns wohl voller Überzeugung sagen, dass sie niemanden aufgrund von Hautfarben oder Äußerlichkeiten diskriminieren oder anders bewerten—doch zum Glück gibt es eine erprobte Methode, mit der du deine Selbsteinschätzung in Sachen vorurteilsfreiem Denken überprüfen kannst.

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Denn geht man nach den Ergebnissen von vielen Millionen Absolventen eines bewährten Psycho-Tests, dann lautet die Frage nämlich eigentlich nicht, ob du rassistisch bist, sondern wie sehr.

Der IAT oder Implizite Assoziationstest wurde entwickelt, um unsere unterschwelligen Vorurteile herauszuarbeiten, die so unauffällig sind, dass wir häufig gar nicht wissen, dass wir sie haben. Denn du siehst dich natürlich gern selbst als fair, vernünftig, tolerant und weltoffen—doch implizite neurologische Reaktionen in Sekundenbruchteilen kannst du nicht kontrollieren. Sie entblößen die Präferenz deines Gehirns für die ein oder andere sozial erlernte Kategorie.

Um diese unterbewusste Parteilichkeit an die Oberfläche zu spülen, haben drei US-Wissenschaftler bereits 1998 eine Mechanik ausgearbeitet. Die Ergebnisse des „Racial Association Test" sind schockierend: Ganze 51 Prozent aller bisherigen Online-Testteilnehmer haben eine „starke automatisierte Präferenz" für weiße europäische Gesichter gegenüber schwarzen Gesichtern. Der IAT ist deshalb eins der beliebtesten Werkzeuge unter Sozialpsychologen und lässt sich mit nur zwei Tasten deiner Tastatur in wenigen Minuten auch von zu Hause durchführen. Einzige Voraussetzung: Du musst dich zwingen, ihn so schnell wie möglich zu absolvieren.

Auf der Website des Projekts erläutern die Forscher, dass eine unbewusste Vorverurteilung nicht dasselbe ist, wie bewusste Vorurteile zu haben oder gar rassistische Diskriminierung aktiv zu unterstützen.

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Tröstlich ist das leider nicht: Denn die psychologische Forschung deutet bis heute darauf hin, dass die Mörder von unbewaffneten Opfern der Polizeigewalt wie Brown und Martin eben nicht unbedingt extreme, bewusste Rassisten waren, sondern dass ihre Kategorisierungsmechanismen in ihrem Gehirn ihnen unterbewusst und vollkommen fälschlicherweise signalisiert haben, dass der Mensch vor ihnen eine Gefahr darstellt.

Selbst wenn du es explizit nicht willst, können diese Vorverurteilungen stark ausgeprägt sein und nach denselben, evolutionär wertvollen Mechanismen funktionieren, die uns beim Anblick eines freilaufenden Raubtiers Gefahr signalisieren. Nur, dass sich so etwas eben nicht auf eine Hautfarbe oder Volksgruppe übertragen lässt—und das macht den unterbewussten Rassismus eben so gefährlich.

Wenn sie doch so allgegenwärtig sind, wie kommen diese rassistischen Denkmuster dann eigentlich ins Hirn? Zum einen ist unser Gehirn selbst daran schuld, weil es ständig versucht, die Welt in Kategorien und Gruppen einzuteilen. Doch wie weitläufig oder eng diese Kategorien sind—und wie häufig wir diese an das Aussehen eines Menschen knüpfen—, hängt wiederum mit den kulturellen Stereotypen zusammen, mit denen wir täglich konfrontiert werden. Fördern und replizieren wir sie, verstärken wir auch unsere impliziten rassistischen Assoziationen.

Du kannst den IAT auf der Website von Understanding Prejudice—einer Kollaboration zwischen Harvard-Forschern und Wissenschaftlern der Universität Virginia und der Universität Washington—selbst machen.

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Der Test funktioniert so: Manchmal musst du die Gesichter von Afroamerikanern oder Weißen auf jeweils eine Seite des Bildschirms sortieren, manchmal musst du Wörter wie „Unheil", „Gefahr" oder „Liebe" in eine positive oder eine negative Schublade sortieren.

Wie funktioniert das also mit der Vorverurteilung? „Es ist ein bisschen, wie auf einem Fahrrad bergab zu fahren", erklärt der New Yorker Neurowissenschaftler David Amodio einem Journalisten dem Magazin Mother Jones, „und immer schneller zu werden". Die meisten Menschen sortieren im Laufe des Tests negative Wörter immer besser und schneller ein, wenn zuvor ein Foto eines Schwarzen zu sehen war; und auch umgekehrt funktioniert die Parteilichkeit: Taucht ein positiv konnotiertes Wort nach dem Bild eines Weißen auf, ordnen die Teilnehmer positiv konnotierte Wörter besser und schneller in die richtige Kategorie. Es geht nur um Millisekunden—doch genau die entscheiden.

Der Test ist nicht unumstritten und wurde seit seiner Veröffentlichung nicht nur von über 40 Millionen Menschen absolviert, sondern auch selbst zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht.

Manche Menschen finden, es sei ein Leichtes, diesen Test zu fälschen. Man könne reflexive Reaktionen einfach ausschalten, indem man sich zwinge, kurz nachzudenken, zu welcher Seite man die Bilder und Worte einsortiert. Andere Testteilnehmer kritisieren, dass die Auswahl der schwarzen Gesichter weniger attraktiv wäre als die Bilder der weißen.

Letztlich muss man aber anerkennen, dass dieser Test seit nunmehr 18 Jahren von Forschern als Verfahren in der Sozialpsychologie angewandt wird, beispielsweise auch, um sexistische Vorurteile zu messen (ja, wahrscheinlich bist du auch ein wenig homophob). Ob die Tests darauf auslegt sind, arabische Namen zu unterscheiden oder eine verborgene Präferenz für dünne gegenüber dicken Menschen aufdecken können: Es geht bei der Mechanik immer um die Lücke zwischen Absicht und Handlung. Wenn du dich traust, etwas über dein Unterbewusstsein zu erfahren: Bitte sehr.

Tatsächlich dient der Test nicht nur deiner Selbsterkenntnis—letztlich können auch deine Mitmenschen profitieren. Denn wenn du dir erstmal deiner rassistischen Voreingenommenheit bewusst geworden bist, kannst du auch etwas dafür tun, dass sie nicht dein Weltbild und dein Handeln prägt.