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Kartografie des Terrors: Diese Animation zählt alle Terror-Angriffe seit 1970

Wie haben sich terroristische Attentate in den letzten Jahrzehnten global verlagert und wo sind die meisten Opfer zu beklagen?
Foto: Screenshot Plotting Terrorism

Seit 1970 hat es auf der ganzen Welt mehr als 140.000 Terrorattacken gegeben. Diese Zahl stammt aus der Global Terrorism Database (GTD), der größten öffentlich zugänglichen Datenbank terroristischer Anschläge.

Der New Yorker Terrorismusforscher Hammad Sheikh hat aus den Daten der GTD eine interaktive Animation geschaffen, die zeigt, wie sich welche Arten von Terror in den letzten fünf Jahrzehnten wo auf der Welt ausgebreitet haben.

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You can see the shift from communist #terrorism to Islamic terrorism after the collapse of the Soviet Union. pic.twitter.com/ixZkmpZz9d
— Hammad Sheikh (@HammadSheikh) 23. März 2016

Deutlich zu erkennen ist, dass Terrorangriffe in südamerikanischen Ländern weitgehend zurückgegangen sind und in den letzten Jahren stark in Nordafrika und dem Mittleren Osten zugenommen haben. „Man kann eine Verlagerung vom kommunistischen Terror hin zum islamischen Terrorismus nach dem Kollaps der Sowjetunion erkennen", erläutert Sheikh seine Animation.

Auf Sheikhs Website, deren Server momentan etwas überlastet scheint, könnt ihr die Kategorisierung der Terrordaten der GTD auch auf die Visualisierung anwenden: So unterscheidet die Datenbank beispielsweise Bombenanschläge, Entführungen, Geiselnahmen, bewaffnete Überfälle, Infrastrukturanschläge und unbewaffnete Angriffe sowie, ob es sich um ein Selbstmordattentat gehandelt hat oder nicht. Jede einzelne terroristische Tat symbolisiert Sheikh dabei mit einem roten Punkt auf der Weltkarte.

Wählt man nun beispielsweise die Kategorie „Selbstmordanschläge" aus, wird deutlich, dass es diese vor 1990 so gut wie gar nicht gab und ihre Zahl in den letzten drei Jahren explosionsartig angestiegen ist. Eben diese Jahre waren in Westeuropa vergleichsweise terrorfrei—wie eine weitere Datenvisualisierung von Statista zeigt, die ebenfalls auf den Daten der GTD basiert:

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Gemessen an den absoluten Zahlen von Terrortoten waren die 1970er und 1980er Jahre in Westeuropa dank aktiver Terrorzellen wie IRA, ETA oder RAF deutlich blutiger als die Zeit nach 2000—mit Ausnahme der Jahre 2004 (Anschläge von Madrid) und 2015 (Anschläge von Paris).

Die größte Zahl an Opfern terroristischer Angriffe hat seit der Jahrtausendwende der Irak zu verzeichnen. Mit 42.759 getöteten Mensch verzeichnet das Land mehr als ein Drittel der weltweiten Terrortoten in dieser Zeit.

Die erdrückenden Zahlen der weltweiten Terrorangriffe machen dabei auch deutlich, was es bedeutet, wenn Militärexperten davon sprechen, dass wir in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Aufstieg asymmetrischer Kriegsführung erleben. Damit wird vor allem die neue Dimension von bewaffneten Konflikten nach dem Ende des Kalten Krieges bezeichnet, bei denen sich nicht mehr Nationalstaaten mit konventionellen Waffen gegenüberstehen, sondern bei denen technisch weit unterlegene Angreifer, wie zum Beispiel Terroristen, mit einer Taktik der Nadelstiche versuchen, ihre Gegner möglichst hart zu treffen. Die jüngste Taktik des IS ist es dabei spätestens seit den Pariser Anschlägen, sogenannte weiche Ziele, also kaum gesicherte Alltagsorte, zu treffen.

Selbstmordanschläge sind Teil dieser Taktik und keinesfalls immer religiös motiviert, wie Politikwissenschaftler Robert Pape von der Uni Chicago gegenüber The Nation erklärt: „Was 95 Prozent aller Selbstmordattentäter seit 1980 gemeinsam haben, ist nicht Religion, sondern einen spezifischen strategische Beweggrund, auf eine militärische Intervention zu reagieren, oftmals eine militärische Besetzung von Territorium, das die Terroristen als ihr Heimatland oder sehr wertvoll betrachten."

Die GTD, die für ihre umfassende Datenbank unter der Aufsicht von zwölf Terrorismus-Experten insgesamt vier Millionen Nachrichtenmeldungen und 25.000 Nachrichtenquellen analysiert hat, definiert eine Terrorattacke folgendermaßen: Androhung oder Gebrauch von illegaler Gewalt durch einen nicht-staatlichen Akteur, um ein politisches, ökonomisches, religiöses oder soziales Ziel mittels Furcht, Zwang oder Einschüchterung zu erreichen.

Eines wird bei der Betrachtung der schieren Masse an Terrorangriffen überall auf der Welt, seien sie nun religiös, politisch oder sozial motiviert, überdeutlich: Jeder Tote ist einer zu viel.