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Hier wird gerade eine revolutionäre neue Methode zur Energieerzeugung getestet

Das Iceland Deep Drilling Project möchte Magmaströme anzapfen, um Erdwärme zu gewinnen—ein risikoreiches Unterfangen.
Der Bohrturm Thor. Bild: Iceland Deep Drilling Project

Island ist Heimat einiger der außergewöhnlichsten Naturphänomene der Welt. Nun möchte der nordische Staat eines dieser einzigartigen—und zugleich hochexplosiven—Wunder der Natur als zukünftige Energiequelle nutzbar machen.

Ein furchtloses isländisches Forscherteam hofft, dass Magma, oder geschmolzenes Gestein, sich schon bald als extrem leistungsfähige geothermale Energiequelle durchsetzen wird.

Schon jetzt versuchen die Mitglieder des Iceland Deep Drilling Project(IDDP), die Energie aus dem Magma unter einem Lavastrom in Reykjanes zu gewinnen. Sollten sie Erfolg haben, könnte das eine „Revolution in der Energieeffizienz von Hochtemperatur-Geothermiefeldern weltweit nach sich ziehen", glaubt Wilfred Elders. Der emeritierte Professor der Geologie von der University of California in Riverside, war selbst an einem früheren IDDP-Projekt beteiligt.

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Um in Reykjanes auf Magma zu treffen, bohrt ein Bohrturm, der liebevoll nach dem nordischen Gott „Thor" benannt wurde, zwischen zwei Kontinentalplatten in dem Gebiet, das als Mittelatlantischer Rücken bekannt ist. Der Großteil dieses Gebirges liegt unter Wasser, aber einzelne Teile wie der vulkanisch aktive Reykjanesrücken, der direkt durch Island verläuft, sind auch über dem Meeresspiegel sichtbar. Laut IDDP wird der Bohrturm eine Tiefe von ungefähr 5 Kilometer unter der Oberfläche durchstoßen müssen, um ein vorhandenes Bohrloch zu vertiefen, und wird Temperaturen von bis zu 480°C standhalten müssen.

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Auch wenn Tiefbohrungen an einem aktiven Vulkan für Laien geradezu nach einem Himmelfahrtskommando klingen, wissen die Forscher ziemlich genau, was sie erwartet—denn es ist schon ihr zweiter Vorstoß in unterirdische Energiequellen.

Im Jahr 2009 stieß die IDDP bei Bohrungen in Krafla, im Nordosten Islands, per Zufall auf Magmavorräte, die nur 1,6 Kilometer unter der Erde lagen. In der Hoffnung, ihren unverhofften Glücksfund in Erdwärme umwandeln zu können, schlossen sie sich mit der National Power Company of Iceland zusammen und brachten ein perforiertes Stahlgehäuse am Grunde des Bohrloches an. Dadurch konnte der Magmastrom erfolgreich in stark unter Druck stehenden Heißdampf mit Temperaturen über 400°C umgewandelt werden—zum damaligen Zeitpunkt ein Weltrekord für geothermische Wärme.

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Doch die aus dem Bohrloch in Krafla generierte Energie wurde nicht in das Energiesystem eingebunden und das Projekt 2012 gestoppt, nachdem ein wichtiges Ventil reparaturbedürftig geworden war.

Einige Forscher haben zudem Bedenken geäußert, dass das Anzapfen von Magmavorräten sich als unsicher oder sogar als lebensgefährlich für den Menschen herausstellen könnte.

Beispiele aus den letzten Jahren belegen, dass Bohrungen nicht immer glimpflich verlaufen. Im Jahr 2006 war man bei einem Erdwärme-Bohrprojekt in Baselzu tief vorgedrungen: Damals hatte ein fünf Kilometer tiefes Bohrloch ein Erdbeben mit einer Stärke von 3,4 auf der Richterskala ausgelöst. Im selben Jahr war vermutlich eine Erdgasbohrung im indonesischen Ostjava für den Ausbruch eines gewaltigen Schlammvulkans verantwortlich. 30.000 Menschen verloren ihr Zuhause.

„Magmakammern können spontan sehr hohen Druck entwickeln und sogar Magma an die Erdoberfläche drängen. Aber wenn sie nicht aktiviert werden [durch vulkanische Aktivitäten, durch die sich die Magmakammern füllen], gibt es auch keinen Grund, eine gewaltsame Eruption zu befürchten, selbst wenn man direkt hineinbohrt", erklärte Gillian Foulger im Jahre 2014 dem Wissenschaftsportal The Conversation. Der Professor für Geophysik an der Durham University, der am Krafla-Projekt beteiligt war, erläuterte weiter: „Nichtsdestotrotz wäre es nach nur einem experimentellen Versuch als Grundlage keine gute Idee, Bohrungen dieser Art in einer Vulkanregion in einer besiedelten Gegend durchzuführen."

Andere geothermische Energiequellen, wie beispielsweise die Geysire in Kalifornien, funktionieren durch Wasserdampf. Hier fließt kaltes Wasser durch heißes, trockenes Gestein und erzeugt so Wasserdampf, der in Energie umgewandelt werden kann. Durch die Nutzung der Magma-Energie hofft das IDDP nun auf sogenanntes überkritisches Wasser zu stoßen—eine kraftvolle flüssige Energiequelle, die „so dicht wie eine Flüssigkeit ist, aber gleichzeitig so einfach wie Gas fließen kann".

Die Krafla-Bohrung verfügte über eine Energiekapazität von bis zu 36 Megawatt. Damit lag sie zwar weit unter den durchschnittlichen 547 Megawatt eines US-Kohlekraftwerks, aber weit über der weltgrößten Windturbine SeaTitan, die eine Kapazität von 10 Megawatt hat.

Momentan deckt Island etwa 71 Prozent seines jährlichen Energiebedarfs durch Wasserkraft und 29 Prozent durch Erdwärme. In der Hauptstadt Reykjavík werden fast alle Wohnhäuser mit Erdwärme beheizt.

„Die meisten Leute würden bei dem Vorschlag, eine Magmakammer anzubohren, ihre Sache packen und flüchten", sagt Foulger. Doch er selbst lebt eher nach dem Motto: „Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus."