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Forscher sagen der Fleischindustrie mit ihrem billigen Labor-Burger den Kampf an

Fleisch zu essen, ohne Tiere zu töten, kostet mittlerweile nur noch einen Bruchteil im Vergleich zu 2013.
​Möglicherweise muss hierfür bald kein Tier mehr sterben. Bild: ​Shutterstock

Fleisch zu essen, ohne Tiere dafür zu töten, war noch nie so günstig. Dank weiterentwickelter Technologie ist ein ethischer Burger aus dem Labor nun enorm viel billiger geworden und hat mit einem Dumpingpreis von zehn statt vormals 250.000 Euro pro Klops das Zeug zum Massenprodukt.

Der Forscher und Professor für Biotechnologie Dr. Mark Post von der Uni Maastricht suchte sich provokanterweise ausgerechnet eine australische Viehzüchter-Konferenz aus, um seinen weiterentwickelten Discount-Zuchtburger in einer Keynote vorzustellen. In Darwin legte er der versammelten Rinderzucht-Lobby damit mehr oder weniger nahe, sie würden in naher Zukunft mitsamt ihren Herden, Schlachtbetrieben und gigantischen Weideflächen überflüssig werden.

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​Ein Biss dieser Zecke macht dich zum Fleischallergiker

Denn die traditionelle Viehzucht wird die steigende Fleischnachfrage nicht decken und trägt schon heute zu einem gigantischen Teil zur globalen Erderwärmung bei. In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ​ABC in Australien sagte Post: „Wir müssen uns was Neues ausdenken. Das hier könnte ein ethischer und umweltfreundlicher Weg zur Fleischproduktion sein."

Für die magische Vermehrung des Fleischs aus der Petrischale brauchen Dr. Post und sein Team nur ein paar wenige Stammzellen, aus denen sie das Patty hochzüchten.

Bild: Universität Maastricht

„Alle unsere Muskelzellen haben Stammzellen und die warten nur darauf, im Falle einer Verletzung Muskelgewebe zu reparieren. Diese Zellen kannst du aus dem Körper nehmen und sie sich replizieren lassen." Die Zellen ziehen sich spontan zusammen und bilden entsprechend ihrer internen Programmierung neues Muskelgewebe, das zweieinhalb Zentimeter langen roten Schnürchen ähnelt. „Das machen sie von selbst. Dafür brauchst du keinen Körper."

Da die Muskelwürmchen aus dem Labor noch völlig fettfrei sind, arbeitet Post mit seinem Team auch an der Züchtung von Fettgewebe, das den gezüchteten Muskelfasern für Geschmack und Geschmeidigkeit beigemischt werden soll „und mehr gesündere ungesättigte Fettsäuren enthält, so wie bei einer Avocado", sagte Post.

Aber wir wollen es."

Das Ergebnis schmeckte auch schon 2013 nach Fleisch, schien aber für einen etwas gehobeneren Preis von 250.000 Euro nicht restlos zu überzeugen: „Ich hatte schon bessere Burger für weniger Geld", gibt Post zu.

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Zwei Jahre später hat das Team aus Maastricht die Burgerzucht soweit perfektioniert, dass der Petrischalen-Klops nun zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises erhältlich ist. Für rund zehn Euro pro Patty kommt er dem Preis eines Neuland-Bio-Burgers schon ziemlich nahe—mit dem Unterschied, das die Spenderkuh auch noch morgen herzhaft wiederkäuen kann, während der Kunde ihr ethisch produziertes Fleisch verzehrt.

„Stellen wir uns mal vor, dass wir in 50 Jahren zwei identische Produkte in den Regalen hätten—Hack und gezüchtetes Hack. Wer könnte dann guten Gewissens noch Fleisch von getöteten Tieren kaufen?"

Die Utopie, dass die Zucht der künstlichen Burger die erste disruptive Technologie für die Vieh- und Fleischindustrie sein könnte, ist keineswegs abwegig.

Wer nicht glaubt, dass sich Konsumenten bei der Wahl zwischen „echten" Fleisch aus einem Tier und den in der Petrischale zusammengeklebten Würmchen entscheiden ungern für letzteres entschieden werden, erinnere sich an den schnellen Paradigmenwechsel bei Hühnereiern: Binnen 25 Jahren erlebten Batterie-Eier einen beispiellosen Rufverlust—die Konsumenten entschieden sich bei zwei exakt gleich schmeckenden Produkten bewusst für die ethischer produzierte Variante aus der Boden- oder Freilandhaltung. Batterie-Eier gelten seitdem als unwiederbringlich anrüchig.

Dem synthetischen Rinderklops stehe nach dieser Logik und unseren eigenen Gelüsten wegen eine goldene Zukunft bevor: „Wir brauchen kein Tierprotein für unser Wohlbefinden, aber wir wollen es", meint Post, der es selbst „nicht schafft", Vegatarier zu werden. „Es ist uns ein inneres Verlangen, besser kann ich es nicht erklären."​