FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

In Zukunft werden deine Augen zum Gamepad

Ist Eyetracking nur eine weitere obskure Interface-Entwicklung oder wirklich die Zukunft der Spieleindustrie?
Montage von MOTHERBOARD Staff, Foto von​ ​Wikimedia Commons, Evan Amos | 

Interfaces sind nicht nur die Krücken, dank derer auch Programmierlaien mit komplizierten Geräten wie Videospielkonsolen arbeiten können. Unsere Steuerungsgeräte sind vor allem Werkzeuge, die definieren, wie wir die Welt gerade sehen—und wohin Programmierer unsere Zukunft steuern wollen.

Ein ganzes Gaming-Jahrzehnt wurde von einknöpfigen 8-Wege-Digitaljoysticks bestimmt und es gab Zeiten in denen die Kombination von Maus und Tastatur als wegweisend für das Ego-Shooter-Genre galt. Die vorletzte Videospielkonsolen-Generation öffnete dann den festgefahrenen Markt mit der Wii-Bewegungssteuerung—und endlich gab es auch Interfaces, die auch nicht-dauerzockenden Gamer mehr Spaß erlaubten.

Anzeige

Aktuell erleben wir, den Einzug des Eyetracking als neue Eingabemethode im Computerspielebereich. Dabei handelt es sich um das exakte Messen von Augenbewegungen des PC-Users. Auch zur Erhebung von Spielerverhaltensdaten wird diese Technologie verwendet: Ganz konkret bei Manhunt 2, das vom österreichischen Entwickler-Team Rockstar Vienna programmiert wurde. Mittels dieses Spiels wurde gemessen, ob bestimmte Stellen im Spiel zu dunkel waren und somit vom Spieler übersehen werden könnten. Aufgrund dieser präzisen Datenerhebung konnte das Level-Design perfektioniert werden.

Ich hatte die Möglichkeit mit Alexander Grenus, Geschäftsführer des österreichischen Spiele-Entwicklers Still Alive Studios LINK, ein Gespräch zum Thema Eyetracking in Computerspielen zu führen. Ihr Spiel Son of Nor gehört zu den weltweit ersten vollwertigen Computerspielen, die sich diese innovative Steuerungsmethode zu Nutzen machen.

Eyetracking: In Zukunft werden deine Augen zum Gamepad.

Screenshot von MOTHERBOARD Staff

MOTHERBOARD: Weißt du seit wann Eyetracking eingesetzt wird?

Alexander Grenus: Nein, genau weiß ich das nicht, ich würde jetzt mal auf die 1980er tippen. Mein persönlicher Kontakt mit dem Gadget erfolgte erst mit der Entwicklung von Son of Nor Mitte 2014. Eyetracking hatten wir zwar schon länger implementiert, aber ich konnte die Technik erst zu diesem Zeitpunkt ausprobieren.

Das Haupteinsatzgebiet von Eyetracking ist im Moment vor allem die Messung des Augenverhaltens, um festzustellen, ob Werbeinhalte auf Internetseiten wahrgenommen werden.

Anzeige

Das trifft zur Zeit sicher zu. Bis dato waren diese Geräte auch recht teuer und daher nicht sehr weit verbreitet. Es gab auch nur sehr wenig Software, die diese Technik unterstützte. Im Augenblick findet aber ein Wandel statt, Eyetracking wird erschwinglicher, 2015 kommen Geräte auf den Markt die um die 100 Euro kosten werden.

Eine erneute ​Virtual-Reality-Aufbruchsstimmung also. Welche Chancen siehst du für Eyetracking in der Branche?

Im Augenblick, sehr gute. Die Hersteller werben aktiv um Entwickler, auf jeder großen Spielemesse haben sie ihre Technologie vorgeführt und das Feedback war sehr positiv. Im Vergleich zu VR ermöglicht es viele neue Gameplay-Ansätze und könnte daher das Medium sehr bereichern.

Was sind die wesentlichen Unterschiede zu VR-Brillen?

Die Benutzung von VR-Brillen ist wesentlich umständlicher, weil du abseits vom Spiel nichts siehst. Du wirst also komplett von der Spielewelt eingenommen und es ist schwierig, nebenbei andere Tätigkeiten auszuführen wie zum Beispiel einen Schluck zu trinken oder ans Telefon zu gehen. Für Brillenträger sind sie außerdem recht unangenehm zu tragen und nach längerer Benutzung stellt sich ein Gewöhnungseffekt ein. Ich vergleiche die VR-Brillen gerne mit dem 3D-​Fernseher. Nahezu jedes TV-Gerät ist heute 3D-fähig, aber wie viele nutzen dieses Feature? Dabei ist der Aufwand hier noch um einiges geringer. Im Vergleich dazu ist Eyetracking extrem simpel in der Handhabung. Wenn Son of Nor demnächst 2015 erscheint, wird es eines der ersten (wenn nicht sogar das erste Spiel) sein, das Eyetracking unterstützt. Mich würde es nicht sehr wundern, wenn es ein Jahr später schon viel mehr Spiele mit diesem Feature gibt.

Anzeige

Kann Eyetracking auch körperlich behinderten Personen das Steuern von Computerspielen ermöglichen?

Das wäre durchaus im Bereich des Machbaren. Wobei sich die Adaptierung wohl nur auf ein paar bestimmte Genres beschränken würde, da im Augenblick das Eyetracking meistens nur den Cursor ersetzt, aber keine Klicks damit ausgeführt werden können.

Ich habe den Eindruck, dass der Experimentierfreudigkeit im Entwicklungs-Team von Son of Nor ein sehr großer Raum eingeräumt wird.

Ja, wir haben uns bei der Ideenfindung sehr wenig eingeschränkt. Unsere Design-Meetings waren meistens Brainstorming-Sessions. Dass wir viele Gadgets unterstützen, liegt hauptsächlich daran, dass unserer Lead Developer, Julian Mautner, diese selber gerne benutzt. Das EPOC Emotiv hatte er zum Beispiel schon seit einiger Zeit und hat einfach ausprobiert, ob sich das für Son of Nor auch eignet. Wobei ich als Producer dann öfter mal der Spielverderber sein und darauf hinweisen muss, dass sich das so vielleicht nicht in der Zeit umsetzen lässt. Dennoch konnten wir einen Großteil der Ideen realisieren, in dem wir sie abgeändert oder vereinfacht haben.

Werdet ihr bei der Implementierung von technisch innovativen Erfindungen vom universitären Umfeld in Österreich unterstützt?

Nein, wir haben keinerlei Unterstützung vom universitären Umfeld, weder in Österreich noch in einem anderen Land. Spezielle Forschungsprogramme sind mir auch nicht bekannt, aber wir sind immer für Vorschläge offen.

Welche konkreten Realisierungen von Eyetracking gibt es momentan?

Neben der Verwendung zur Datenerhebung und der vor kurzem entdeckten Nutzung als Eingabegerät sind mir keine weiteren Realisierungen in der Spieleindustrie bekannt. Wobei gerade die Verwendung als Eingabegerät großes Potenzial hat, da man es in Verbindung mit den bereits etablierten Techniken verwenden kann.