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Verborgenes Licht könnte der Schlüssel zu dunkler Materie sein

Karlsruher Wissenschaftler wollen mit einem riesigen Metallspiegel dunkle Materie erforschen.

Astrophysiker aus Karlsruhe waren einfach mal ein bisschen verrückt und entdeckten die Multifunktionalität ihrer Arbeitsgeräte. Möglicherweise hatten sie auch einfach genug von den geheimnisvollen Xenonvorräten in den superkalten Kühlschränken ihrer mysteriösen unterirdischen Forschungslabore und wollten gerätetechnisch einfach mal wieder auf den Boden der Tatsachen kommen. So nahmen sie ihren zwar riesigen, aber ansonsten nicht besonders aufregend wirkenden Metallspiegel—eigentlich ein kosmischer Strahlendetektor—und begaben sich auf die Suche nach einer ganz speziellen Form dunkler Materie: verborgenen Photonen.

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Normalerweise beschäftigen sich die Ermittlungsbeauftragten für dunkle Materie mit den WIMPs (weakly interacting massive particles) bzw. schwach wechselwirkenden schweren Teilchen. Diese Teilchen sind wahrscheinlich in einem extrem frühen Stadium des Universums entstanden als sich alles in einer Art thermischem Gleichgewicht befand, bedeutet: Alles besaß die gleiche Temperatur und alle Partikel die gleichen begrenzten Eigenschaften. Die Definierung und Ausdifferenzierung der Universumsbestandteile kam erst mit der generellen Abkühlung.

In diesem Prozess der universalen Erkaltung nahm die Anzahl der WIMPs ab und die „normale" Materie erschuf eine Vielzahl unterschiedlichster Zusammenspiele wie Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkungen oder die Schwerkraft. Die Teilchen dunkler Materie entwickeln jedoch nur schwache Wechselwirkungen und Gravität. So ist es ihnen nicht möglich, ohne Einwirkung von stärkerer Kraft oder Elektromagnetismus Zellkerne oder Atome zu formen oder sich gegenseitig anzuziehen.

Anhand der vielfältigen Auswirkungen dunkler Materie lassen sich Schätzungen darüber anstellen, wie viel von dieser geheimnisvollen Zutat im Universum eigentlich vorhanden ist. An manchen Orten sind es ganze 85 Prozent der gesamten Masse. Und so exotisch diese düsteren Bestandteile auch sein mögen, die dunkle Materie hält unsere Galaxien zusammen. Ohne sie könnten keine Sonnensysteme und lebensfreundliche Planeten entstehen.

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Und es gibt einen ungewöhnlichen Zusammenhang im Universum zwischen der beobachteten Stärke der schwachen Wechselwirkung, welche den radioaktiven Fall bestimmt, und der beobachteten Menge dunkler Materie.

Bild: KIT/ Ralph Engel. Mit freundlicher Genehmigung

Bekannt ist diese Tatsache als das „WIMP Wunder". Aus Sicht von Teilchenphysikern war das frühe Universum ein hochenergetischer Ort an dem Energie und Masse beliebig von dem einen in den anderen Zustand wechseln konnten wie Einstein es mit E=mc2 beschreibt,  erklärt Stacy McGaugh, Astrophysikern an der Universität Maryland und Schwarzseherin gegenüber dunkler Materie. „Paare aus Partikeln und ihren Antipartikeln kamen und gingen. Als sich das Universum jedoch ausdehnte, kühlte es ab. Mit seiner Erkaltung verlor es die nötige Energie, um Partikelpaare zu kreieren."

„Wann sich solch eine Paarung ereignet, hängt von dem jeweiligen Teilchen und seiner Masse ab", so McGaugh. „Je größer die Masse, desto mehr Energie wird benötigt und umso schneller friert die Partikel-Antipartikel-Vereinigung aus. Nach diesem Ausfrieren können sich die Teilchen gegenseitig auslöschen und lediglich Energie hinterlassen. Dieses Schicksal lässt sich nur durch eine Art von Asymmetrie vermeiden oder aber der Wirkungsquerschnitt—die Wahrscheinlichkeit der Interaktion—ist so langsam, dass die Partikel und Antipartikel ihrer Wegen gehen, ohne sich oft genug für eine komplette gegenseitige Auslöschung zu begegnen."

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Die WIMP-Partikel, die ihre Antipartikel nicht treffen und somit nicht zerstört werden, leben mit einer sogenannten „Restdichte" weiter. Der von McGaugh erwähnte Wirkungsquerschnitt muss der Wahrscheinlichkeit einer Teilcheninteraktion gemäß der schwachen Wechselwirkung in der Verteilung dunkler Materie resultieren, die wir im Universum beobachten. Ein außerordentlich mächtiger Zufall.

Dennoch ist mehr als ein Zufall vonnöten um die Existenz von WIMPs zu beweisen. Selbst nach einem Vierteljahrhundert der Forschung, haben wir noch kein einziges dieser Teilchen wirklich gesehen, was zu dem Schluss führt, dass wir vielleicht noch woanders nach der dunklen Materie Ausschau halten sollten. Hier setzt die Spiegelmethode, besser gesagt das FUNK Experiment, der Karlsruher Wissenschaftler ein.

Der Riesenspiegel am Institut für Technik in Karlsruhe wurde für die Suche nach einer weiteren theoretischen Form dunkler Matereie  umgerüstet, den sogenannten WISPs, eine Art verborgene Photonen. Diese Teilchen sind unseren Alltags-Photonen als Träger elektromagnetischer Wechselwirkung (Licht, Elektrizität, Hitze) ähnlich, sie interagieren über diese Wechselwirkung jedoch nur schwach. Ein WISP könnte mit einem Elektron wie ein winziges Teilchen eines normalen Protons interagieren. Eine Aktion, die sich sehr schnell übersehen lässt.

Die WISPs besitzen einige seltsame Eigenschaften, sie können sich in einem starken Magnetfeld zum Beispiel ganz plötzlich in ein normales Photon verwandeln. Diese in WISPs versteckten Photonen sollen nun auf den Spiegel treffen und die innewohnenden Elektronen nur soweit anregen, dass sie die normalen Photonen abgeben. Diese Photonen werden als kleinste Lichtteilchen in rechten Winkeln der ankommenden WISPs abgefeuert.

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Diese abgesonderten Photonen werden nun in Richtung eines zentralen Detektors konzentriert. Dieser kann so eingestellt werden, um jede Hintergrundbeleuchtung/ Photonen herauszufiltern.

„Der Vorteil eines Kugelspiegels bei diesem Prozess ist immens", schreibt das Forscherteam in einem Paper auf dem  arVix Vorabdruck Server. „Photonen, die von weit entfernten Quellen auf dem Spiegel aufprallen werden in einem Fokus konzentriert… während die mit dunkler Materie induzierten Photonen sich im Zentrum der ‚Spiegelsphäre' ausbreiten. Dort kann dann ein Detektor angebracht werden."

Diese WISP-Forschung soll auch einer Veröffentlichung von letzter Woche neues Gewicht verleihen, welche geheimnisvolle Röntgensignale beschreibt, die sich offensichtlich zu Sonne zurück verfolgen lassen. Möglicherweise bestehen diese Strahlen aus WISP-Teilchen in Form von Axiomen (hypothetische Elementarteilchen), die sich im starken Erdmagnetfeld in normale Photonen verwandeln.

„Es scheint plausibel, dass Axione im Kern der Sonne produziert werden und sich im Erdmagnetfeld in Röntgenstrahlen verwandeln", schließt George Fraser, Autor des Papers.

Doch auch diese Erkenntnisse sind nur schwer eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach dunkler Materie. Es wird einige Jahre dauern bis die Ergebnisse der Röntgenstrahlen vollständig analysiert sind und der Spiegel ist nur einer von zweien dieser Art. Der andere gehört dem amerikanischen ADMX-Experiment. Letzendlich ist es auch einfach immer schön einen Vorteil gegenüber konträren Wissenschaften zu haben. Denn: was ist aufregender als falsch zu liegen.