MUNCHIES in Nordkorea: Pizza in Pjöngjang

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Nordkorea

MUNCHIES in Nordkorea: Pizza in Pjöngjang

Die neueste Pizzeria der Stadt bietet Pizza ohne Käse, ein Aquarium ohne Fische (oder Wasser) und natürlich Karaoke mit Propaganda-TV.

Vor Kurzem war unser China-Korrespondent Jamie Fullerton eine Woche in Pjöngjang, der Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Korea, und konnte so einen seltenen Einblick in die kulinarische Kultur des Einsiedlerkönigreichs erhaschen. Für uns sammelt er seine Eindrücke in einer dreiteiligen Serie. Nach dem Burger der schlechtesten Airline der Welt probiert er dieses Mal Pizza in Pjöngjang.

Pizza ist mein Lieblingsessen, da bin ich nicht gerade mäkelig. Aber als ich mir bei Italy Pizza, dem neuesten italienischen Restaurant in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang, eine Salami-Pizza bestellte, musste ich das Personal höflich bitten, sie zurückzunehmen und etwas Käse draufzumachen, weil sie ohne serviert wurde. Ein pingeliger Brite auf Reisen.

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Italienisches Essen als solches gibt es erst seit 2008, als das erste italienische Lokal in Nordkorea eröffnete—und dann auch eher alseine Art Nische. Da kannes schon mal passieren, dass ein paar Basics der Pizzaherstellung—zum Beispiel der Käse obendrauf—nicht so ganz klappen. Außerdem ist es ein bisschen daneben, sich über solche Kleinigkeiten in einem Land zu beschweren, das sich immer noch lebendig an die Hungersnot der 90er Jahre erinnert, bei der die fast zwei Millionen Menschen umgekommen sind.

Da das totalitär regierte Land von seinem derzeitigen OberstenFührer Kim Jong-un konstant abgeschottet wird, ist es schwer, Informationen über Essen in Nordkorea auch zu verifizieren. Verschiedene Berichte deuten jedoch an, dass ein Großteil der ländlichen Bevölkerung von der Hand in den Mund lebt. Wer der Mittel- oder Oberschicht angehört, hat zumindest die Chance, in den Städten zu leben. Pjöngjang gehört zu den elitärsten: Hier hat sich in den letzten zehn Jahren eine ziemlich vermögende Mittelschicht entwickelt, wodurch auch mehr westliche Restaurants in der Hauptstadt eröffnet haben.

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Salami-Pizza bei Italy Pizza. Alle Fotos vom Autor

Jetzt gibt es in Pjöngjang Bierlokale, Burgerläden und—durchaus überraschend, wenn man bedenkt, wie das nordkoreanische Regime zu seinem Erzfeind Japan steht—ein Sushi-Restaurant. Das Italy Pizza ist das dritte italienische Restaurant in der Stadt und wurde Ende 2015 eröffnet, zusammen mit dem Wohngebiet in der Mirae-Straße: grüne, blaue, terracottafarbene Hochhäuser direkt neben dem Taedong-gang, der durch die Hauptstadt fließt.

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Die Mirae-Straße

Wie bei vielen Restaurants und Hotels in Pjöngjang, die auch Ausländer besuchen dürfen, sieht es auch im Italy Pizza so kitschig wie in einem 70er-Jahre-Kreuzfahrtschiff aus. Überall sieht man großartige Skurrilitäten, zum Beispiel das Aquarium ohne Fische. Oder Wasser.

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In der offenen Küche wird am laufenden Band Pizza gemacht. Die meisten Koreaner dürfen zwar nicht ins Ausland reisen, jedoch bekommen Restaurants mit westlichem Ambiente in Pjöngjang die Erlaubnis, ihr Personal zur Ausbildung ins Ausland zu schicken.

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Als ich Freitagabend ankam, war nicht viel los. Man sagte mir, das sei normal. Viele der circa 5.000 Touristen, die Nordkorea jährlich bereisen, spekulieren online, dass diese Orte nur ein schickes Schaufenster für ausländische Touristen sind. Simon Cockerell, Geschäftsführer des Reiseunternehmens Koryo Tours, meint, dass das unwahrscheinlich sei.

Er erklärt mir, dass zwar alle Restaurants in Nordkorea am Ende dem Staat gehören, aber dass die Geschäftsleute, die diese Läden leiten,in puncto Stil doch ein bisschen Freiraum haben. „Viele sagen schnell, dass es ja überhaupt keine Gewinnmotivation gibt, aber auch hier gilt Einnahmen vs. Ausgaben", meint er. „Sie sind vielleicht willens, sagen wir, drei Jahre oder so Verluste zu machen, aber auch in Pjöngjang werden Restaurants geschlossen, weil nicht genug Kunden kamen. Es sind normale Geschäfte."

Damit das Geschäft am Laufen bleibt, gibt es bei Italy Pizza mehr als nur Pizzen. Nachdem mir mein Essen serviert wurde, hat eine der Kellnerinnen ein beeindruckendes Karaoke-Ständchen geliefert—vielleicht auch, weil wenige andere Kunden da waren.

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Die Bilder auf dem Karaoke-Bildschirm waren ähnlich wie die im nordkoreanischen TV: Kampfjets, Panzer und hier und da eine Anspielung auf die Schwerindustrie.

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Die Pizza war ziemlich gut, ein angenehm luftiger Boden. Der Geschmack der Tomatensauce war zwar ziemlich fad, aber es ist wohl unwahrscheinlich, dass die Nordkoreaner in den nächsten Jahrzehnten einen Vergleich mit zum Beispiel Domino's bekommen.

Die meisten Pizzen kosteten umgerechnet zwischen 5 und 10 Euro, was für die meisten Einheimischen unerschwinglich ist, gehört preislich aber auch nicht zu den Fine-Dining-Optionen.Im Vergleich zu den typischen Gerichten wie Nudeln und Kimchi ist Pizza jedoch exotisch und teuer—gilt sie damit hier als Statussymbol?

Cockerell meinte nein. „In Nordkorea ist es immer noch so, dass es den Menschen unangenehm ist, in der Öffentlichkeit zu essen", meint er. „Man könnte meinen, dass der Ausblick von einigen der Restaurants toll ist, aber oft sind die Gardinen vorgezogen. Mittlerweile ist es akzeptabel, mehr Geld als jemand anderes zu haben, aber diese Einstellung kommt wahrscheinlich aus einer Zeit, als es als angeberisch galt, essen zu gehen. Und Angeberei ist verpönt. Dieses traditionell-konservative Denken ist angeboren."

Sollte ich jemals wieder in Pjöngjang sein, werde ich noch mal ins Italy Pizza gehen. Und mir dann die „Fruit Pizza" bestellen. Nichts ist untraditioneller als dieses Gericht.

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