Wir haben mit einem echten Prepper 'PlayerUnknown’s Battlegrounds' gespielt
Benjamin Arlet in seinem Element, einem Workshop vom SurviCamp | Bild: Motherboard, Rebecca Rütten

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Wir haben mit einem echten Prepper 'PlayerUnknown’s Battlegrounds' gespielt

Wie überlebt man auf einer einsamen Insel auf der dir 100 blutrünstige Teenager nach dem Leben trachten? Ein Survival-Experte verrät uns seine Tricks. Die funktionieren für den Überraschungs-Hype des Gaming-Jahres fast genauso gut wie im echten Leben.

Die Story ist so simpel wie erfolgreich: Hundert Gamer landen auf der Insel, nur einer überlebt. Über drei Millionen Spieler zählt der Survival-Shooter PlayerUnknown's Battlegrounds – und das obwohl es ihn überhaupt erst seit März dieses Jahres gibt. Die Mischung aus Battle Royale, Hunger Games und Taktik-Shooter ist der Überraschungshit des Jahres.

Längst gibt es unzählige Guides, die erklären wie man als Spieler länger und besser in der osteuropäischen Wildnis von Battleground überlebt. Aber keiner dieser Guides kommt von Menschen, die auch in Wirklichkeit aus einer solchen Extremsituation tatsächlich lebend rauskommen würden. Und genau deshalb spielen wir PlayerUnknown's Battlegrounds mit Benjamin Arlet. Er ist Prepper und Survival-Trainer.

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Der 26-jährige Berliner hat zwar Gamedesign studiert und arbeitet als Software-Entwickler, seine wahre Leidenschaft ist aber das Survicamp, sein Unternehmen, in dem er ahnungslosen Großstädtern beibringt, wie man in der Wildnis überlebt. Dem Klischee des gewaltbereiten Preppers entspricht er gar nicht. Während er bei mir im Wohnzimmer entspannt ein Take-Away-Curry futtert, erzählt Benjamin, dass es keinen konkreten Auslöser gegeben hat, der ihn zum Prepper gemacht hat. Er käme eben vom Dorf, "und da ist jeder irgendwie Prepper". Es geht ihm um Selbstbestimmung und Verantwortung, darum, in einer möglichen Krisensituation klarzukommen.

Benjamin beschreibt sich selbst als Pazifist und will nix zu tun haben mit dem Klischee des US-Preppers, der sich mit der Schrotflinte im Bunker verkriecht, um aufs Ende der Welt zu warten. Auch viele politische Einstellungen dieser Prepper findet er fragwürdig, er ist mehr ein Gruppenmensch, berichtet er mir von seiner Leidenschaft für Überlebenskünste. In seinem Keller finden sich trotzdem Armbrüste und Langbögen und zu seinem Survicamp-Team gehören auch ehemalige Soldaten und Polizisten.

In den nächsten zwei Stunden werde ich mit Benjamin einige der wichtigsten Spielszenarien durchgehen, um herauszufinden, wie sich ein echter Überlebensprofi auf einer verlassenen Insel im Angesicht des Weltuntergangs durchschlagen würde .

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Die Vorbereitung: Kleidung, Voice-Chat und die Frage nach der Ski-Maske

Mode wird in PUBG groß geschrieben | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

Noch bevor es losgeht und das Morden auf der osteuropäisch angehauchten Todesinsel beginnt, stehen Entscheidungen an. Wir dürfen unseren Charakter anziehen. Graues Shirt, dunkle Cargohose, Lederboots und fingerlose Handschuhe. Und weil es gratis war und das Vermummungsgesetz gerade eh die Schlagzeilen beherrscht: Eine Balaclava.

Die Kleidung hat überhaupt keine Auswirkung aufs Spiel. Jeder Spieler versucht nur eben, möglichst individuell auszusehen. En vogue sind lange Ledermäntel und Sonnenbrillen – Gamer lieben die 90er.

Solche Messer lassen sich auch im Spiel finden | Bild: Motherboard/Rebecca Rütten

Benjamin heißt das von mir ausgewählte Outfit zu großen Teilen gut. "Manche gehen voll auf diese Miltärflecktarnung. Nicht die klügste Wahl", erklärt der Survival-Profi. "Sobald du aus dem Wald raus bist, fällt das mega auf. Die beste Versicherung in Krisensituationen: Nicht auffallen. Graues Oberteil, gedeckte Farben, das ist das beste. Dann noch gute, hohe Schuhe, dass ich gegen Abknicken geschützt bin."

Dann ist da noch die Sache mit der Balaclava: "Ist bestimmt cool fürs Spiel, für die Realität sehe ich keinen erkennbaren Nutzen, außer dass ich schwitze." Weg mit dem Teil.

Wer in dieser Situation Voicechat anlässt, der wird keine gute Zeit haben | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

Im Menü stellen wir noch den Sprach-Chat aus. Das findet Benjamin nicht so gut: "In den meisten Fällen kommst du am besten klar, wenn du mit den Leuten in deiner Nähe sprichst. In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ist es sehr unwahrscheinlich, dass du tagelang niemanden siehst. Wir sagen immer: Das Lone Wolf-Ding geht so lange gut, bis du schlafen musst." Es gibt aber einen guten Grund den Chat auszuschalten, den Benjamin zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kennen kann: Denn er hat noch nicht gehört, wie 100 Gamer aus aller Welt in einem Transportflugzeug auf dem Weg zur Insel gegenseitig ihre Mütter beleidigen. Der Chat bleibt aus.

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Die Landung: Immer schön auf Distanz zu den Anderen gehen

Jede Runde startet zunächst im großen Transportflieger | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

Das Spiel geht los. Wie in jeder Runde starten wir im großen Transportflieger, der um die Insel kreist. Unsere 100 Mitspieler hüpfen nach und nach per Tastendruck mit Fallschirmen ab.

Weil jeder Spieler in jeder neuen Spielrunde komplett ohne Ausrüstung und Waffen startet, ist jetzt das Ziel in der Nähe von Gebäuden zu landen und sie nach Schutzwesten, Kalashnikovs und Bandagen zu durchsuchen. Wir haben Glück und landen auf einem Bauernhof abseits von anderen Spielern und finden Rucksack, Sturmgewehr, und einen feschen Ledermantel.

So campen Prepper | Bild: Motherboard/Rebecca Rütten

Generell wäre das eine Taktik, die Benjamin auch nutzen würde. "Wenn ich keine Ausrüstung habe, dann wäre meine erste Priorität, Ausrüstung zu finden, die mein Überleben sichert. Im Spielkontext wäre das: Knarre finden." Müsste er sich jedoch nicht gegen 100 schießwütige Teenager zur Wehr setzen, würde er anders vorgehen: "Das normale Ziel für mich wäre jetzt, mich zu verstecken – aber wir wollen hier ja auf Leute schießen." Voller Erfolg, PlayerUnknown's Battlegrounds packt auch den Prepper.

Verirrt in der Pampa – Crashkurs in Orientierung und Planung

Diese Klippen kommen wir nicht hoch | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

Mit der Ausrüstung geht es jetzt zum Hauptteil des Überlebenskampfes, den so nur ein Videospiel inszenieren kann. Eine blauer Laser-Dom zieht sich langsam um die riesige Insel zusammen und schränkt so den Spielbereich immer weiter ein. Etwa alle fünf Minuten wird der Bereich kleiner und jeder, der außerhalb steckt, stirbt. Weil wir auf einer Halbinsel gelandet sind, müssen wir dazu eine Brücke überqueren. Garantiertes Todesurteil.

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Kampf- und Wanderstöcke werden geschnitzt | Bild: Motherboard/Rebecca Rütten

"Sowas macht man in Wirklichkeit natürlich nur nachts", erklärt Benjamin. "Du schläfst am Tag und bewegst dich in der Nacht. Gibt es hier Nachtkarten?" Gibt es nicht. Um zumindest etwas sicherer zu sein, entscheiden wir uns, auf die andere Seite zu schwimmen und hüpfen in voller Montur ins Nass. "Ins Wasser nur in Unterhose oder nackig!", an dieser Stelle findet der Prepper das Spiel ziemlich unrealistisch. "Kleidung bremst dich ab. Deine Ausrüstung kommt in eine Zelt- oder Bauplane und du ziehst sie hinter dir her." Leider gibt es diese Optionen in Battleground nicht. Also schwimmen wir einfach.

Das SurviCamp bietet kurze dreistündige Workshops an, aber auch zweiwöchige Wanderungen durch die schwedische Pampa und richtet sich auch an Anfänger | Bild: Motherboard/Rebecca Rütten

Leider müssen wir feststellen, dass wir einen blöden Fehler gemacht haben. Weil wir die Karte nicht studiert haben, finden wir keinen Weg, die steilen Klippen am Ufer raufzukommen. Die Zeit läuft langsam ab, der Laser-Dom zieht sich um uns. Stur, panisch und erfolglos schwimmen wir weiter in dieselbe Richtung und finden: Nichts. Dann kommt schon die blaue Energiewand, wäscht über uns und wir verbluten elendig im Wasser.

In vielen Häusern lauern andere Spieler schon auf unbedarfte Opfer | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

Solche Situationen sind für Benjamin nichts Neues (naja, bis auf die Laserwand vielleicht): "Bevor du anfängst was zu machen, machst du diesen STOP-Algorithmus. S für Stand: Nicht weiterlaufen, sondern erstmal Stehenbleiben, hinsetzen, hinlegen. Dann T für Think: Wie ist gerade meine Ausgangssituation, was muss ich tun? O für Observe: Was hab ich dabei, was habe ich wahrgenommen? Und P steht Plan: Einen Plan machen, auf Basis meines Wissens, und dann erst weitermachen. Das ist gut für jede Survivalsituation." Und nicht nur für Überlebenskämpfe klingt das hilfreich. Wir schreiben den Tipp auf – für die nächste Runde.

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Wenn es denn unbedingt sein muss: So kämpft man richtig als Prepper

Schrotflinte im Anschlag, Tür im Visier. Viele Spieler hoffen so auf Kills | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

In der nächsten Runde stellen wir uns klüger an. Wir finden eine Schrotflinte und ein Sturmgewehr und schlagen uns durch unbesiedelte Waldgebiete. Jetzt wird PlayerUnknown's Battlegrounds zum Shooter: Wir müssen andere Spieler finden und ausschalten.

Als Prepper würde Benjamin lieber gar nicht kämpfen, aber wenn es sein muss, hat er auch für solche Situationen guten Rat: "Tarnen, täuschen, verstecken. Denn sobald du in einer Situation ohne Regeln anfängst, nach Regeln zu spielen, hast du keine Chance", so der Prepper. "Der Angreifer spielt eben auch nicht nach Regeln, wenn er dich auf der Straße attackiert. Das lehren wir auch in unseren Selbstverteidigungskursen."

Benjamin Arlet sagt, dass niemand wissen muss, wie man Feuer macht und draußen campt, um an seinen Workshops teilzunehmen | Bild: Motherboard/Rebecca Rütten

Tatsächlich verhalten sich viele Spieler in Battleground wie von Benjamin prognostiziert. Sie verstecken sich mit Schrotflinten im Anschlag in Häusern und warten darauf, dass andere Spieler durch die Tür kommen, um sie aus nächster Distanz zu erschießen. Genau so machen wir es auch. Wir verstecken uns in einem Kabuff. Plötzlich erklingen Schüsse von draußen. Wir sind mitten im Kampfgebiet gelandet.


Bei Vice: Ein Deutscher Kämpfer in Syrien


Nach mehreren Minuten angespannten Wartens, entscheiden wir uns, die Tür zu öffnen, um nach Angreifern zu suchen. Ein Fehler. Sobald wir nach draußen treten, durchbohren drei Schüsse aus einer M4 unseren Charakter. Schon wieder tot.

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Im Gebüsch liegen wir im Hinterhalt und warten auf andere Spieler. Das ist in Battlegrounds überraschend intensiv | Screenshot: Mit freundlicher Genehmigung von Bluehole

Benjamin, der mit ehemaligen Bundeswehrsoldaten durch Wälder zieht, nimmt die populäre Taktik sofort auseinander: "Der beste Ort ein Haus zu verteidigen, ist außerhalb des Hauses", so der Prepper. "Sobald du im Haus bist, muss derjenige, der dir was Böses will, nur ein Molotov-Cocktail reinwerfen und du kannst nix mehr machen." Oder eben solange auf die Tür zielen, bis der Spieler gelangweilt rauskommt.

Fazit: Was Battleground-Spieler von der Prepper-Methodik lernen können

Fassen wir also zusammen: Ausrüstung möglichst fernab anderer Spieler besorgen. Immer an die Regeln von STOP denken, wenn man unsicher ist, wie es weitergeht. Von Häusern fernbleiben. Hinterhalte planen. Genau das probiert Benjamin dann auch selbst aus.

Er versteckt sich im Wald, sammelt nur dann Ausrüstung wenn nötig und bleibt unentdeckt, wenn unaufmerksame Spieler mit Dünen-Buggys und Maschinengewehren vorbeiziehen. Das läuft so lange gut, bis ihn die Energiewand einholt, er panisch in Sicherheit rennen muss und dann von einem Sniper erwischt wird. Vielleicht hätte STOP auch hier geholfen.