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Vier Großbrände in sieben Tagen: Polizei nimmt Serien-Brandstifter fest

Wie Brandstifter den Hitze-Sommer ausnutzen.
Foto Feuerwehrmann: skeeze | Pixabay || Hand: i-eagle123 | Pixabay || Collage: VICE

Eine ganze Fabrikhalle stand wegen ihm in Flammen, das Feuer hatte die meterhohen Wände niedergerissen und nur noch Schutt hinterlassen. Ein Waldstück und die angrenzende Wiese leuchteten glutrot, nachdem er Ende Juli trockenes Laub angezündet hatte – 200 Quadratmeter Flächenbrand. Vier Mal in sieben Tagen legte ein 22-jähriger Hesse Feuer, brachte Tiere und Menschen in Gefahr. Als er das Laub in der Nähe einer Gaststätte bei Bad Hersfeld in Brand setzte, beobachtete das eine Polizeistreife und nahm den Mann fest. Er gestand alle Taten.

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Im letzten Jahr hat die Polizei 18.891 Fälle von Brandstiftung erfasst, doch nur jeder dritte gelegte Brand wird aufgeklärt. Die meisten Flächenbrände entstehen im Hochsommer, und meistens sind es Männer, die brandstiften, erklärt ein Sprecher der Polizei Fulda gegenüber VICE. Vorsätzliche Brandstiftung sei schwer nachzuweisen, sagt der Polizeisprecher – vor allem wenn es extrem heiß ist, so wie jetzt. "Klar brennt es auch mal bei Gewitter oder wegen der aktuellen Trockenheit, Brandstifter nutzen diese Chance aber auch, um ihre Tat zu verdecken."


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Wut oder Wahnsinn, was steckt hinter so einer Tat? Feuer befriedigt Pyromanen. Zündeln ist für sie eine Triebhandlung, Pyromanie eine seltene psychische Erkrankung. Menschen, die vorsätzlich planen, Brände zu legen, sind häufig süchtig danach, weiß man aus der Psychologie. Pyromanen können ihren Impuls nur eine gewisse Zeit lang unterdrücken, handeln dann aber meistens nach demselben Muster. "Schon vor der Tat spüren sie freudige Erregung, manche planen tagelang, wo sie das Feuer legen. Wenn es brennt, entwickeln sie oft Lust- und Machtgefühle. Für sie ist es fast so schön wie ein sexueller Akt", sagt die Psychologin und Psychiaterin Isabella Heuser von der Charité Berlin in einem Zeitungsinterview. Der Salzburger Gerichtsgutachter Werner Laubichler hat über 30 Jahre 103 Brandstifter untersucht, 39 davon waren echte Pyromanen. Er sagt: "Pyromanen sind fast immer jung, so zwischen 14 und 25 Jahren. Wenn Sie mit denen reden, dann sind das schüchterne, gehemmte, verschlossene Männer, die verspottet werden und unter großer Selbstunsicherheit leiden. Viele haben ein Alkoholproblem." Die Betroffenen hätten "abnorme Persönlichkeiten", erklärt der Gutachter, aber seien nicht geisteskrank.

Es passiere immer wieder, dass Menschen, die keine Anerkennung bekommen und sich in den Vordergrund spielen möchten, Feuer legen, bestätigt der hessische Polizeisprecher. Auch im aktuellen Fall habe der Täter wahrscheinlich die Aufmerksamkeit anderer gewollt, "um vielleicht behaupten zu können, den Brand zuerst gesehen zu haben und dann später vielleicht sogar beim Löschen dabei gewesen zu sein". Ob der Täter bei der Freiwilligen Feuerwehr arbeite, könne die Polizei "offiziell nicht bestätigen", sagt der Sprecher und lacht. Dass viele Feuerwehrleute selbst Brandstifter sind, ist statistisch nicht haltbar – laut Untersuchungen handelt es sich um etwa drei unter 10.000. Jedoch haben Pyromanen die Neigung, sich eine Beschäftigung zu suchen, die mit Feuer zu tun hat, sagte der Polizeipsychologe Adolf Gallwitz Anfang August gegenüber dem Südkurier. Aber auch Psychologen könnten nicht definitiv sagen, wie die Sucht zum Feuerlegen entsteht. Ein höheres Risiko, süchtig zu werden, hätten Menschen, die in ihrer Kindheit vernachlässigt, missbraucht oder gequält worden seien, sagt Psychologin Heuser.

Der 22-Jährige war betrunken, als er mit seinem Mofa zu der Gaststätte fuhr, um wieder zu zündeln. Die Polizei habe ihn schon länger beobachtet. Ob der 22-Jährige ein sogenannter "pathologischer Brandstifter" ist, sei noch nicht geklärt. In der nun folgenden Gerichtsverhandlung könne er seine Motivation erklären, sagt der Polizeisprecher. Wenn diese krankhaft sei, kommen Psychologen dazu, "eine Haftstrafe wegen Brandstiftung allein reicht dann nicht aus".

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