Diese neu entdeckte Verhütungsmethode bietet gleich drei Vorteile
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Diese neu entdeckte Verhütungsmethode bietet gleich drei Vorteile

Pflanzenbasiert, reversibel und bislang ohne Nebenwirkungen: Die neue Methode ist ein Durchbruch auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit in Sachen Verhütung – und könnte sogar Abtreibungsgegner milde stimmen.

Die Vorstellung, als Mann kontrollieren zu können, ob man sich beim Sex fortpflanzt, ohne sich eine Gummihülle über den Penis quetschen zu müssen, scheint zu Recht verlockend. Weniger verlockend sind allerdings die Optionen in Sachen reversibler männlicher Verhütung, die die Wissenschaft seit Erfindung des Kondoms bislang zur Disposition stellt: Da wäre die brachial-mechanische Erfindung eines deutschen Tischlers, der sich einen Plastik-Schalter in den Hodensack implantiert hat. Mit dem kann er seinen Samenleiter auf Knopfdruck verschließen oder öffnen. Kleiner Nachteil: Keine Ejakulation. Und, nun ja, ein Schalter im Sack.

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Als bis heute vielversprechendste Lösung gilt das spermienblockierende Vasalgel. Es ist ein Polymergel, das in Form einer Spritze in den Samenleiter verabreicht wird und das Primaten in Versuchen bislang gut vertrugen.

Außerdem gibt es Ansätze mit Hormonspritzen. Doch klinische Tests am Menschen mussten die Forscher abbrechen: Probanden klagten über schlimme Nebenwirkungen, mit denen Frauen, die die Pille nehmen, vertraut sein dürften: Kopfschmerzen, Übelkeit, Verstimmungen.

Es ist also höchste Zeit für eine Alternative. Die wurde jetzt jüngst in einem PNAS Paper vorgestellt und hört sich tatsächlich fast zu gut an, um wahr zu sein: Forschern ist ein Durchbruch auf dem Weg zu einem universellen und reversiblen Verhütungsmittel gelungen, das sowohl Männer über ein Hautpflaster und Frauen über einen Vaginalring benutzen können sollen. Und das alles, ohne den Hormonhaushalt zu beeinflussen.

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Die Wirkstoffe für diese revolutionäre Methode finden sich nicht etwa in irgendeinem Chemiebaukasten, sondern in Heilpflanzen wie Aloe Vera und Mangos; wenn auch in sehr kleinen Mengen. Sie heißen Pristimerin und Lupeol. Pristimerin, das in der asiatischen Pflanze Wilfords Dreiflügelfrucht vorkommt, wirkt schon in kleinen Dosen und wird seit Jahrtausenden in der Traditionellen Chinesischen Medizin eingesetzt – womöglich steht den beiden Substanzen eine goldene Zukunft als natürliches Verhütungsmittel bevor.

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Polina Lishka hält eine Assistenzprofessur für Molekularbiologie an der Uni Berkeley in Kalifornien und hat in ihrer Studie herausgearbeitet, wie genau die beiden Wirkstoffe verhüten, indem ihr Team Spermien in ihrer Bewegung sabotiert hat.

Das Design eines Spermiums ist ausschließlich zwei Aufgaben untergeordnet. Erstens: Schwimmen, und zwar weit, 24.000 mal so weit wie ihre Körperlänge, und zweitens: Bohren – und zwar korkenzieherförmig mit dem Kopf in die Wand der weiblichen Eizelle.

Wissenschaftler bezeichnen diesen besonderen Move anschaulich als "Powerkick". Er wird erst eingeschaltet, sobald das Spermium die Eizellenwand erreicht. Die nötige Elektrizität für diese Bohrbewegung erzeugt das Spermium durch Ionen, die durch einen Calciumkanal namens Caspert fließen.

Wie die kalifornischen Forscher herausgefunden haben, können die beiden pflanzlichen Substanzen Pristimerin (das Zeug aus der Wilfordschen Flügelfrucht) und Lupeol (aus Mangos und Aloe Vera) diesen Calciumkanal außer Gefecht setzen.
Statt die Spermien also vom Schwimmen zu einer Eizelle abzuhalten, wie es Diaphragmen, Kondome und Spermizide tun, schalten die beiden pflanzlichen Wirkstoffe die Bohrfunktion von Spermien einfach aus.

Der Wirkstoff soll in Zukunft auch als Notfallverhütungsmittel eingesetzt werden können. Dabei dürfte das Mittel sogar Abtreibungsgegner milde stimmen: Denn da die Spermien im Idealfall nie durch die Eizellenmembran kommen und so keine Befruchtung stattfindet, entsteht auch an keiner Stelle ein Embryo, den manche Gegner von der Pille danach bereits als schützenswertes Leben definieren.

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Wird es noch besser? Es wird noch besser! Denn Co-Autorin Lishko freut sich gegenüber der BBC auch zu verkünden, dass es bislang keine Nebenwirkungen bei den Versuchen gibt – ganz im Gegensatz zu Vasalgel.


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Allerdings sind die Versuche hier noch lange nicht so weit fortgeschritten: Die Pflanzen-Verhütung wurde bislang nur an Spermien im Labor erfolgreich getestet, doch ein Primatenversuch läuft gerade. Die Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet.

Bei einer so vielversprechenden Methode ist klar, dass findige Unternehmer bereits in den Startlöchern stehen, um die vermeintliche Revolution irgendwie zu kommerzialisieren und endlich für den Markt verfügbar zu machen. Doch die größte Hürde, die Lishko momentan noch zwischen ihren Versuchen und der Gründung eines Start-up für pflanzliche Universal-Verhütungsmittel sieht, ist die Beschaffung der Grundstoffe: Eine Extraktion aus Mangos produziert keine lohnenswerte Ausbeute; die Inhaltsstoffe könnten also noch teuer in der Synthese werden.

Bevor ihr jetzt also beginnt, vor dem nächsten Date die Aloe-Topfpflanze auf der Fensterbank auszulutschen, solltet ihr bedenken: Am sichersten zur Vermeidung einer Befruchtung bleibt nach wie vor das Kondom.

Update: Wir haben den Absatz über Vasalgel um die Info ergänzt, dass es sich um ein Polymergel und keine hormonelle Verhütungsmethode handelt. Dieser war vorher missverständlich formuliert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.