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Zehn Jahre Freaks: Violinistin kuratiert verstörende Belästigungen auf Instagram

Mia Matsumiya schlägt zurück und veröffentlicht ein „Worst-of“ aus zehn Online-Sexismus.
Alle Bilder: Instagram.

Die Violinistin Mia Matsumiya hat einen Instagram-Account gestartet, auf dem sie beleidigende, diskriminierende und andere seltsame Nachrichten teilt, die ihr Menschen in den vergangenen zehn Jahren zugeschickt haben. Ob MySpace, Facebook, Twitter, OkCupid oder Instagram: Die 35-Jährige wird über alle Kanäle belästigt.

Viele der Nachrichten beschreiben sexuelle Vorstellungen oder Gewaltfantasien aus der männlichen Perspektive. „Ich habe über 1.000 Nachrichten archiviert, die mir Verrückte und Fetischisten in den letzten Jahren geschickt haben", sagte Matsumiya gegenüber Newsworthy.

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Die Nachrichten und Kommentare, die die 35-jährige Matsumiya online bekommt, lassen sich in den seltensten Fällen unter der Meinungsfreiheit einordnen—weil sie meist unverhohlen und stumpf sexistisch und rassistisch sind, und schlicht Beleidigungen oder Verleumdungen darstellen.

Matsumiya ist weiblich, zierlich, nicht weiß und ist öffentlich bekannt, weil sie Violine spielt und Teil der avantgardistischen Post-Rock-Band Kayo Dot war. Damit bedient sie für viele Webnutzer offenbar gleich mehrere Fetische. Reicht es oft schon, weiblich zu sein, um sexualisierten Nachrichten oder Hate Speech im Netz ausgesetzt zu werden, beziehen sich die auf perv_magnet gezeigten Beispiele häufig nicht nur auf Matsumiyas Geschlecht, sondern auf die fetischisierten Kategorien wie ihre angenommene „asiatische" Abstammung, ihre Größe, ihre Statur und ihre Berühmtheit.

„Ich glaube, dass ich diese Nachrichten vor allem bekomme, weil ich eine Frau bin. In der Kombi damit, dass ich 1,50 m groß bin und Halb-Japanerin, scheint das wirklich krass aggressiv-lüsternes Verhalten hervorzurufen."

Wie groß darf ein Schwanz in so einer kleinen Frau eigentlich sein? Wie einfach wäre es, eine kleine, asiatische Frau zu vergewaltigen? Sind „gelbe" Frauen williger als weiße? Dies sind einige der Statements, mit denen sich Matsumiya auseinandersetzen muss, weil es Männer gibt, die sie ihr online schicken.

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Matsumiyas Account hat aktuell 64.300 Follower und sie nimmt auch Posts auf, die andere Frauen unter dem Hashtag #perv_magnet veröffentlichen. Dass nicht nur sie unter dem Phänomen der anonymen Belästigungen im Netz leidet, zeigen auch andere Seiten wie der Tumblr straightwhiteboystexting oder der Instagram-Account tindernightmares.

Die mittlerweile geschlossene, aber archivierte Tumblr-Seite niceguysofokcupid lässt darauf schließen, dass sich vor allem weiße Männer scheinbar nicht bewusst sind, wenn sie einer sexistischen oder rassistischen Weltsicht anhängen und diese im Netz verbreiten. So beschreiben sich einige Männer auf ihrem Profil selbst als "nett", beantworten die Matching-Fragen von OkCupid aber eindeutig gegenteilig. Einige dieser Profile geben an, eine Frau sei verpflichtet, sich die Beine zu rasieren oder mit einem Mann zu schlafen, wann immer er es möchte.

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Bislang hatte Matsumiya verständlicherweise selten auf die anzüglichen Nachrichten geantwortet. Auf ihrem Instagram-Account kommentiert sie nun jeden Post öffentlich. Dabei zeigt sich auch, dass sie manche Unverschämtheiten durchaus schlagfertig zu kontern weiß, wie mit netten Geschichten über einen Schwimmunfall und ein Boot voller Frauen, das einem unverschämten Online-Stalker das Leben rettet.

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Über die Dummheit und Schwanzgesteuertheit zu lachen, weil sie sich selbst entlarvt oder sie zu ironisieren, sind Methoden, mit aggressiven Netz-Kommentaren umzugehen. Matsumiya, die ursprünglich einen gruseligen Bildband mit den Nachrichten geplant hatte, hat nach zehn Jahren nun die Veröffentlichung im Netz gewählt. „Ich möchte einen Dialog über Online-Belästigungen starten", sagte sie Dazed Digital. Gegenüber Newsworthy erklärt sie, dass die Kommentare ihr alltägliches Verhalten verändert hätten: „Ich habe Angst vor Männern und bin super argwöhnisch."

Seit der Veröffentlichung entschuldigen sich einige der Männer, die der 35-Jährigen diffamierende Nachrichten geschickt haben. „Die werden nervös, weil sie Angst haben, dass ich auch ihre Nachrichten veröffentliche", sagt Matsumiya.