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Bitcoin hat ein großes Problem: Die Krypto-Währung ist einfach nicht nachhaltig

Mit den Energiekosten aller Bitcoin-Transaktionen könnte man einen ganzen Tag lang 173.000 US-Haushalte mit Strom versorgen.
Haufenweise ausrangierte Lüfter in einer Bitcoin-Mine in China. Bild: Motherboard

Bitcoin-Fans weltweit sind überzeugt, dass die Krypto-Währung sechs Jahre nach ihrer Einführung bereit für den Mainstream und höhere Aufgaben ist. Wenn es nach ihnen geht, dann soll Bitcoin unsere heutigen Währungen ersetzen, die Griechenland-Krise lösen und die Clearinghäuser der globalen Finanzindustrie überflüssig machen. Wären das für die Menschheit aber wirklich gute Nachrichten?

Aus ökologischer Sicht muss die Antwort eindeutig nein lauten. Bitcoin verbraucht momentan viel zu viel Strom. Gemäß meiner Berechnung benötigt eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel Strom, dass man damit 1,57 US-Haushalte mit Energie versorgen könnte—und das einen ganzen Tag lang.

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Der immense Stromverbrauch erfüllt dabei einen wichtigen Zweck: Er schützt Bitcoin vor Angriffen von Betrügern und vor Spekulation, indem der Preis für den Computerstrom, der nötig wäre, um die Kontrolle über alle Transaktionen des Netzwerks zu gewinnen, künstlich nach oben getrieben wird.

Wie alltagstauglich Bitcoin schon heute sein kann, zeigt unser Selbstversuch—wir haben probiert, eine Woche nur mit Bitcoin zu überleben

Die Rechner, die das Rückgrat der Bitcoin-Wirtschaft ausmachen, stellen kontinuierlich die Sicherheit des Netzwerks sicher, indem sie kryptographische Aufgaben lösen. Dieser Prozess wird „Mining" genannt. Diejenigen, die daran teilnehmen (die „Miner"), werden in Bitcoin für ihre Dienste belohnt, was gleichzeitig Anreize schaffen soll, ihre Rechenmaschinen weiter auszubauen, um so ein noch effizienteres Mining betreiben zu können.

Zwar ist es durchaus denkbar, dass das Bitcoin-System wirtschaftlicher wird, indem man eine größere Anzahl Transaktionen in den Mining-Prozess integriert. Doch sollte Bitcoin weiter expandieren, dann wird zwangsläufig auch der Stromverbrauch steigen.

Aber über wie viel Stromverbrauch sprechen wir hier eigentlich?

Nehmen wir etwa diese besonders effiziente Bitcoin-Mine in China als Beispiel für das Ausmaß heutiger Mining-Operationen. Laut dem Geschäftsführer erreicht sie eine Hash-Rate von 6 Billiarden Hashes pro Sekunde, mit dem Ziel, auf bis zu 12 Billiarden Hashes pro Sekunde ausgebaut zu werden. Das würde rund 3,3 Prozent des Gesamtstromvolumens des Bitcoin-Netzwerks entsprechen. Da das Bitcoin-Netzwerk täglich rund 3.600 BTC an seine Miner verteilt, würde diese eine Mine allein 118,8 BTC pro Tag einnehmen, was rund 30.000 Dollar entspricht. Kein schlechter Deal, wenn man bedenkt, dass die Strompreise in China mit 3-6 Cent pro Kilowattstunde zu den niedrigsten auf der ganzen Welt zählen und gerade mal einem Viertel der deutschen Marktpreise entsprechen.

Die Firma Allied Control, die unter anderem Lüftungs- und Kühlanlagen für Computer verkauft, schätzt, dass der Gesamtstromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks bei 250-500 MW liegt. Unter Berücksichtigung der Gesamt-Hash-Rate—der Operationsanzahl, die das Netzwerk pro Sekunde durchführen kann—und einer großzügigen Mining-Effizienz von 0,6 Watt per Gigahash kann man davon ausgehen, dass der Stromverbrauch bei rund 215 MW liegt (auch wenn diese Angabe nicht fix ist, da viele Variablen in meiner Rechnung ständig leicht abweichen).

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So sieht eine gigantische Mining-Operation aus: Zu Besuch in Chinas geheimer Bitcoin-Mine

Diese Strommenge würde ausreichen, um 173.000 US-Haushalte einen ganzen Tag lang mit Strom zu versorgen. Wenn man jetzt bedenkt, dass täglich rund 110.000 Bitcoin-Transaktionen durchgeführt werden, ergibt sich eine Zahl von 1,57 Haushalten pro Bitcoin-Transaktion. Ja, du liest richtig: Jedes Mal, wenn du etwas mit Bitcoin bezahlst, wird dabei so viel Strom verbraucht, dass man 1,57 US-Haushalte für einen ganzen Tag lang mit Energie versorgen könnte.

„Die eigentliche Zahl ist wahrscheinlicher noch höher, wenn man bedenkt, dass viele der Transaktionen nur mit Geldwechsel oder dem Verschieben von Miner-Bitcoins zu tun haben", so Matthew Green, Kryptographieexperte an der Johns Hopkins University in Maryland. „Bei Transaktionen, die mit einem Austausch von Gütern und Diensten zu tun haben, wird noch deutlich mehr Strom verbraucht."

Da der Klimawandel zu einem immer dringlicheren Thema der Menschheit wird, kann man einen solch immensen Stromverbrauch nur schwer mit dem Bitcoin-Versprechen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, in Einklang bringen.

„Wie es aussieht, steht Bitcoin vor einer großen Herausforderung, wenn die Währung versuchen will, weiter zu wachsen, ohne dabei der Umwelt zu schaden", sagt Jeremy McDaniels, ein Finanzexperte beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP.

Andererseits gibt es durchaus Hoffnung, dass das Bitcoin-Netzwerk die von ihm ausgehende Belastung für die Umwelt beschränken kann. Das liegt an der Tatsache, dass der Strombedarf beim Bitcoin-Mining nicht linear zum Transaktionsanstieg zunehmen würde. Bitcoin-Miner verwenden spezielle Hardware, um pro „Block" kontinuierlich Lösungen zu immer neuen mathematischen Aufgaben zu errechnen. Dabei werden die Transaktionen in einer Art Zentralregister notiert. Der erste Problemlöser gewinnt gewissermaßen den Block und erhält eine Belohnung, in Form von neuen Bitcoins.

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Aufgrund bestimmter technischer Beschränkungen schafft Bitcoin aktuell bis zu 360.000 Transaktionen pro Tag. Doch Jorge Stolfi—ein Informatikprofessor an der Campinas-Universität—glaubt, dass in der Blockchain noch Luft nach oben ist.

„Mit dem Anstieg der Blockgröße werden auch mehr Transaktionen in einem Block stattfinden — dementsprechend sollten die Kosten pro Transaktion sinken."

So sei es möglich, die durchschnittlichen Stromkosten pro Transaktion dadurch zu verringern, dass man das zugrundeliegende Bitcoin-Protokoll verändert, auch wenn das keine leichte Aufgab sei. In der Bitcoin-Community wird aktuell eine große Reform diskutiert, die es ermöglichen würde, dass das Netzwerk theoretisch bis zu 7,2 Millionen Transaktionen pro Tag abwickeln könnte, ohne dabei wirklich mehr Strom als heute zu verbrauchen. Das würde aber voraussetzen, dass eine Mehrheit der Miner diesem Reformvorhaben zustimmen würde.

Den generellen Stromverbrauch hoch zu halten, macht das Netzwerk aber auch sicherer. Dadurch wird es einzelnen Akteuren erschwert, die Kontrolle über das Netzwerk und die Anonymität, die es bietet, zu gewinnen. „Man muss sich das so vorstellen, dass der hohe Energieaufwand auch einen gewissen Schutz vor Angriffen bietet. So dürfte der Preis für einen 34 oder 51 Prozent-Angriff [bei dem der Angreifer Transaktionen blockieren und Bitcoins nach Belieben doppelt ausgeben] in die Millionen gehen, erklärte mir Emin Gun Sirer, Professor der Cornell University und Blogger bei Hacking Distributed, in einer E-Mail.

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Ein genau so hohes Maß an Sicherheit könnte aber auch beibehalten werden, während gleichzeitig mehr Transaktionen zugelassen werden würden, sagte er noch. Dadurch würden die Kosten pro Transaktion schrumpfen.

Man müsste also einfach nur die Nutzerbasis erweitern, damit mehr Transaktionen stattfinden, oder?

Zum Nachteil für Bitcoin steigt mit der Zahl der Nutzer auch der Preis—und dementsprechend der Stromverbrauch. Das Bitcoin-Mining habe zu einem Rüstungswettbewerb geführt, weil alle ein Stück von den festgesetzten Prämien wollten, die das Netzwerk aushändigt, meinte Stolfi. Je höher die finanziellen Anreize, desto mehr werden die Miner in leistungsstarke Maschinen investieren, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Das Bitcoin-Protokoll wird währenddessen die Komplexität der Kryptopuzzle weiter anziehen, um die Belohnungen konstant zu halten. Das Rüsten wird dementsprechend weitergehen, bis der letzte Block generiert ist.

Damit ist Bitcoin pro Transaktion etwa 5.033 mal so energieintensiv wie VISA

Das heißt also? Preis = Energie. „Die kompletten Einnahmen der Mining-Industrie setzen sich unabhängig von allem anderen aus dem Bitcoin-Preis mal der BTC Einnahmen in US-Dollar/Tag zusammen—und der Stromverbrauch, ebenfalls in US-Dollar/Tag, ist ein großer Teil davon", fasst Stolfi zusammen.

Green stimmt dem zu: „So gut wie alles an Bitcoin ist flexibel, nur diese Dynamik nicht. Miner haben immer den Anreiz, so viele Hashes [erforderliche Energie] ins Rennen zu schicken, wie der Job bzw. der Preis erfordert."

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Natürlich wäre es nicht fair, Bitcoins Energieverbrauch unter die Lupe zu nehmen, ohne ihn mit anderen großen Zahlungssystemen zu vergleichen. Schauen wir uns zum Beispiel VISA an.

Laut Network Computing kann das VISA-Netzwerk mehr als 80 Milliarden Transaktionen pro Jahr verarbeiten—das ergibt 2.537 Transaktionen pro Sekunde. Dazu betreibt es zwei gespiegelte Rechenzentren, von denen jedes einzelne fähig ist, das komplette Netzwerk zu betreiben. Das größere Rechenzentrum von den beiden verbraucht momentan täglich Strom für 25.000 US-Haushalte; der Einfachheit halber verdoppeln wir diese Zahl großzügig, um den kompletten Stromverbrauch VISAs zu erhalten. Die Gesamtmenge an Transaktionen bei VISA beläuft sich dabei laut dem eigenen Investoren-Bericht im Jahr 2013 auf 58,5 Milliarden Transaktionen.

Diesen (zugegebenermaßen nicht perfekten) Zahlen nach verbraucht jede VISA-Transaktion 0,0003 Prozent des Stroms eines US-Haushalts. Das macht Bitcoin pro Transaktion etwa 5.033 mal so energieintensiv wie VISA.

Beide Netzwerke verbrauchen täglich so viel Energie wie mehrere zehntausend Haushalte, aber eins von beiden verarbeitet Millionen mal mehr Transaktionen. Grafik: Motherboard

Natürlich betreibt VISA auch noch Callcenter, Büros und viele andere Sachen, die Elektrizität verbrauchen und die nicht in diesem Vergleich berücksichtigt werden. Diese fallen angesichts der extremen Diskrepanz der Zahlen aber kaum ins Gewicht.

In Anbetracht dieser Analyse kann Bitcoin nicht ansatzweise als nachhaltige Alternative gegenüber dem konventionellen Finanzsystem bezeichnet werden. In der Zukunft könnte Bitcoin weiter massiv an Popularität gewinnen, Millionen Transaktionen mehr durchführen und dank des Rüstungswettstreits unter den Minern trotzdem weiter einen unverhältnismäßig hohen Energieverbrauch aufweisen.

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Der Bitcoin-Experte Piotr Piasecki ordnete meine Vergleichsrechnung in einer E-Mail noch etwas weiterführend ein: „Mit dem Anstieg der Blockgröße werden auch mehr Transaktionen in einem Block stattfinden und dementsprechend sollten die Kosten pro Transaktion sinken. Auch wenn am Ende nicht so geringe Werte wie bei Visa erreicht werden, sprechen wir hier von zwei ganz unterschiedlichen Systemen. Das eine ist ein Datenbank-Eintrag in einem einzigen spezifischen System und das andere ist eine unauslöschliche Einschreibung auf einem dezentralisierten Konto."

Bitcoin wird ein paar Updates umsetzen müssen, um seine Kapazität zu erhöhen, bevor sich der Energieaufwand für diese Blockchain-Aufzeichnungen auch wirklich lohnt. Piasecki erwähnte auch, dass diverse alternative Digitalwährungen und Krypto-Coins Transaktionen wesentlich energiesparender als Bitcoin durchführen könnten, auch wenn sie momentan wesentlich weniger wert sind als Bitcoin.

Sobald 21 Millionen Einheiten generiert worden sind, wird das Mining nicht mehr von Bitcoin belohnt werden. Der Energieverbrauch des Netzwerks könnte demnach merklich abfallen, sobald es weniger Anreize für das Mining-Wettrüsten gibt. Da man aber davon ausgeht, dass der letzte Bitcoin-Block etwa 2140 generiert werden wird, würde eine Etablierung von Bitcoin als Haupt- oder gar Weltwährung innerhalb der nächsten Jahrzehnten den vom Menschen verursachten Klimawandel verschlimmern und unnötig den Energieverbrauch anziehen.

Das Fazit der ganzen Geschichte ist eindeutig: Die modifizierte Blockchain-Technik dürfte hinter den Kulissen des Finanzsektors an einigen Stellen durchaus zur Anwendung kommen. Für umweltbewusste Menschen sollte aber klar sein, dass sie sich auf der Suche nach einem alternativen Währungssystem besser woanders umschauen als bei Bitcoin.