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Wie Aaron Swartz eine Reform der US-Wahlspenden inspirierte

Ein Harvard Professor folgt der Vision von Aaron Swartz und versucht das US-Wahlspendensystem zu reformieren.
Aaron Swartz
Bild: Fred Benenson / Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Vor ein paar Jahren hatte Aaron Swartz ein Gespräch mit einem seiner Mentoren, Professor Lawrence Lessig, an der Harvard Law School. Ein Gespräch, das Lessigs Werdegang in neue Bahnen lenken sollte. Damals, 2007, war Lessig in den USA einer der Top-Experten für Internet-Recht und digitales Urheberrecht. Doch in besagtem Gespräch auf einer Technologie-Konferenz in Deutschland, ermunterte Swartz Lessig, sein Leben noch einmal zu überdenken.

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„Wie kannst du davon ausehen, je voran zu kommen, solage unser politisches System von Korruption bestimmt wird?" hatte Swartz damals gefragt, wie Lessing kürzlich in einem Interview mit Ben Winkler—einem Radiomoderator und politischen Aktivist, der eng mit Swartz zusammen arbeitete—berichtete.

„So war Aaron, so war er drauf." sagte Lessig. „Er sagte niemals 'Du solltest das und das tun', sondern 'Was ist mit dieser Sache? Solltest du nicht lieber das und das denken?' Du musstest ihm also zustimmen, wenn du die Person aus deiner Idealvorstellung sein wolltest."

Swartz, ein gefeierter junger Programmierer und Internet-Aktivist, begang am 11. Januar 2013 Selbstmord. Er nahm sich das Leben im Angesicht einer drohenden, langen Haftstrafe wegen des angeblich schweren Verbrechens, wissenschaftliche Artikel über das MIT-Netzwerk heruntergeladen zu haben. Swartz war nach einem kontrovers diskutierten Gesetz gegen Computer-Betrug und -Missbrauch angeklagt worden. Ein Gesetz, das in den 1980er Jahren zur Bestrafung von Personen verabschiedet worden war, die während des kalten Krieges versuchten, in strategische Compytersysteme einzubrechen.

Kurz nach seinem Gespräch mit Swartz überraschte Lessig die Techn-Community mit der Ankündigung, sich ab sofort nicht mehr um digitales Urheberrecht zu kümmern. Er argumentierte, dass der zerstörerische Effekt von Geld auf Politik behandelt werden müsse, bevor irgendwelche anderen Reformen greifen können. Zurück in Stanford begann er über politische Korruption zu forschen.

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„Dieses Problem ist entscheidend für Menschen im gesamten politischen Spektrum", erzählte mir Lessig nach der Veröffentlichung seiners Manifests zur Reform der Wahlspenden Verlorene Republik: Wie Geld den Kongress korrumpiert—und ein Plan um das zu stoppen. „Wir können uns über vieles uneinig sein aber in einer Sache sollten wir übereinstimmen: dass wir kein Parlament haben dürfen, das fundamental von besonderen Interessen und Vetternkapitalismus korrumpiert ist."

Heute hat Lessig eine Mission, und seine jüngsten Bemühungen das Wahlspenden-System zu reformieren, sind wahrscheinlich die ungewöhnlichste politische Aktion aller Zeiten: Mayday PAC, „ein Super PAC, um alle Super PACs zu beenden". Super PACs sind Wahlspenden-Budgets, in welche Personen und Firmen beliebige Beträge spenden können, um einen Kandidaten oder eine Partei zu unterstützen. Lessig und seine Mitstreiter haben selber einen PAC ins Leben gerufen, der Mitte dieses Jahres rund zwölf Millionen Dollar sammeln will, um damit fünf Kongress-Kandidaten zu unterstützen, die bereit sind eine Reform der Wahlfinanzierung in die politische Debatte zu bringen.

Noch diese Woche will der Mayday PAC es auf rund fünf Millionen Dollar schaffen. Montag waren es etwas über 2.3 Millionen von über 19000 Spendern.

Lessig konnte einige prominente Unterstützer um sich scharen, wie zum Beispiel Apple Mitgründer Steve Wozniak, Paypal Mitgründer Peter Thil oder LinkedIn-Mitgruünder Reid Hoffman. Auch der bekannte New Yorker Risikokapitalgeber Fred Wilson schloss sich den Bemühungen an. „Wir werden Geld nutzen, um Geld zu besiegen", sagte Lessig zu Winkler. „Wir werden das große Geld nutzen, um das große Geld zu besiegen."

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Nach dem Tod von Swartz überlegte Lessig, was er Gutes schaffen könnte. „Einige Leute dachten daran das Gesetz gegen Computer-Betrug und -Missbrauch zu korrigieren, die NSA-Überwachung abzuschaffen oder alle wissenschaftlichen Ergebnisse frei zugänglich zu machen. Das waren für Aaron entscheidende wichtige Themen. Aber was mir am wichtigsten war, war das Thema dem ich mich annahm, weil er mich dazu brachte. Nach Aarons Tragödie begann ich weniger in akademischen als in praktischen Begriffen darüber zu denken."

Wir werden das große Geld nutzen, um das große Geld zu besiegen

Wahlspendenreform ist ein seit Jahrzehnten wiederkehrendes Thema, aber jeder Versuch der Bundesversammlung, den Einfluss des Geldes auf die amerikanische Politik zu mindern, ist bisher gescheitert. Der jüngste Schlag gegen eine Wahlspendenreform traf diesen April, als das Verfassungsgericht der USA eine jahrzentealte Grenze für individuelle Spenden aufhob. Dieser Richterspruch folgte der Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 2010, in der klargestellt wurde, dass es ein verfassungsgemäßes Recht von Firmen sei, so viel für politische Kampagnen zu spenden wie sie wollen.

Lessig argumentiert, dass der riesige Zustrom an Geldern in Wahlkampagnen das System korrumpiert hat, indem sie Politiker für Großspender verantwortlich machen, anstatt für ihre Wähler oder ihr Land als Ganzes. Das Problem sind weniger mit Bargeld gefüllte Koffer sondern eine gewisse Spendensucht. Manche Politiker verbringen bis zu 70 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, Spenden einzutreiben, weil das heute fast die einzige Chance ist, eine Wahl zu gewinnen.

Lessig und seine Mitstreiter verfolgen eine basisorientierte Methode. Sie werben durch das gesamte politische Spektrum hindurch für Unterstützung mit einem überzeugenden Argument: das Geld hat das Politische so sehr verstopft, dass überhaupt keine echten Reformen zu irgendeinem Problem mehr möglich sind, solange keine Wahlspendenreform erwirkt wird. Nahezu zwei Drittel der Amerikaner denken einer kürzlich veröffentlichten Rasmussen-Umfrage zufolge, dass „Ethik und Korruption in der Regierung" ein „großes Problem" seien, noch vor Steuern oder nationaler Sichertheit.

Es ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, aber egal wie kleink die Chance auf Erfolg ist—Lessig weigert sich, die Hoffnung aufzugeben. „Wir haben Aaron als Freunde zu wenig Hoffnung gegeben," sagte Lessig vor kurzem während seines TED-Vortrags. „Ich habe diesen Jungen wie meinen eigenen Sohn geliebt, aber wir haben ihn im Stich gelassen. Ich liebe mein Land, aber werde es nicht im Stich lassen. Wir werden diese Schlacht kämpfen, egal wie unmöglich ein Sieg erscheinen mag.