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Der iGrow-Laserhelm soll Glatzen in volles Haar verwandeln

Mit Laserkraft gegen Haarausfall: Was soll schon schiefgehen?

​Kaum etwas ist so traumarisierend wie der Verlust der eigenen Haare, oder, Jungs? 40 Prozent aller Männer leiden unter Haarausfall, der oft genetisch bedingt ist, statt einfach nur auf das gestiegene Alter zurückzuführen. Und leiden kann man da ruhig wörtlich nehmen: Auch, wenn es ein ganz natürlicher Prozess ist—mit Geheimratsecken und hoher Stirn hat sich noch kein 30-jähriger attraktiver gefühlt als vorher.

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Doch zum Glück gibt es für jedes Problem einen Laser, der es lösen könnte: Auf der diesjährigen CES stellte die Firma Apira den iGrow vor: Einen richtig bescheuert aussehenden Helm, der mit Lasern und dicken Kopfhörern schütteres Haar zu einer prächtige Mähne zurückzaubern soll.

Der Helm soll bei regelmäßiger Anwendung mittels Low-Level Light Therapy (LLLT) die Haare verdichten und schneller wachsen lassen. „Bist du bereit für Ergebnisse?", fragt die Website dann auch kokett. Das sind die meisten Kunden wohl tatsächlich und daher vielleicht auch bereit, für die Laserkraft-Therapie ziemlich tief in die Tasche zu greifen.

Im vergangenen August hat die zuständige US-Zulassungsbehörde FDA den Helm in den USA zum Einsatz in der Haarverdichtung zugelassen (nicht, dass das viel heißen müsste, wenn man bedenkt, wie von der gleichen Behörde Aspartam bedenkenlos ​durchgewunken wurde).

So weit, so lustig. Allerdings kann der Helm im Gegensatz zu anderen Produkten der Kategorie „das funktioniert doch nie" mit Studien aufwarten. Richtige klinische Tests in Form von doppelblinden Versuchsreihen, die in ​Lasers in Surgery in Medicine veröffentlicht wurden. Das Ergebnis nach der regelmäßigen Anwendung ist erstaunlich: 35% mehr Haare bei Männern und 37% mehr Haare bei Frauen. Diese Ergebnisse und die Wirksamkeit der Lasertherapie für die Verjüngung (bedeutet meist: Verdichtung und schnelleren Wuchs) der Haare wurden bestätigt—nicht etwa von der Nachwuchsklasse in Hogwarts, sondern von der Harvard School of Medicine.

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„Die Samplegröße war nicht ganz so groß, wie ich sie mir gewünscht hätte. Aber meine Güte, ist das schön, wenn sich der Hersteller eines Consumerproduktes die Mühe macht, seine Behauptungen mit einer echten Studie zu unterfüttern", fand auch ​Elizabeth Lopattop von The Verge, die der Chef von iGrow mit dem quer durch die Messehalle gebrüllten Satz „Wir haben Stuuuudien!" zu dem Laserhelm-Stand geködert hatte.

Alle Bilder: Apira

Für das dschungelartige Wachstum muss man dann allerdings schon ein wenig Zeit investieren: Viermal pro Woche sollte der Headbanger in spe den Helm für 25 Minuten tragen. Und das am Besten 60 Wochen am Stück, also über ein Jahr lang. Wenn du dich dann schließlich fast an die surrende Kopfbedeckung gewöhnt hast, folgt anschließend ein sogenanntes Wartungsprogramm, bei dem der Helm nur einmal pro Woche getragen werden muss. Das soll reichen, um die Haarpracht in Schuss zu halten.

Beworben wird der innovative Haarhelm mit einem leierigen Video der ganz alten US-amerikanischen Homeshopping-Schule—hölzerne Testimonials, Nonsens-Grafiken, einlullend repetetive Offtexte, vorgetragen im schönsten Autoverkäufer-Sprech. Nach ungefähr drei Minuten bin ich überzeugt, selbst Haarausfall zu haben.

Aber Moment—das ist noch nicht alles! Der iGrow hat nämlich auch einen MP3- und iPod-Anschluss und ist mit seiner 3,5 mm-Buchse der wahrscheinlich hässlichste Kopfhörer aller Zeiten ist (aber, sollte er funktionieren, tatsächlich auch der mit dem größten futuristischstem Mehrwert).

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Natürlich war der iGrow auf der Gadget-Show CES ein echter Hit: „Vielleicht mach ich ja einen portablen Helm, den ich im Supermarkt anziehen kann", mutmaßt eine Journalistin von Techcrunch im Messestand-Interview mit dem CEO der Firma. Jeff Braile vom Hersteller Apira erwidert daraufhin stolz: „Es funktioniert aber besser ohne Batterie, weil der Laser dann gleichmäßiger strahlt." Immerhin liegt ein weiterer Grund nicht darin, dass der Helm unglaublich blöde aussieht—quasi wie ein Aluhut in etwas soliderer Ausführung.

Durch die Stimulation mit dem Laser soll das Follikel ermuntert werden, länger in den natürlichen Wachstumsphasen (anagene Phasen) des Haares zu verharren und die Ruhephase (oder telegene Phase) zu verkürzen, in der das Follikel nichts tut und ganz natürlich bis zu 100 Haare ausfallen.

Bislang gab es für den Endverbraucher nur Handheld-Devices wie einen Laserkamm, der den Kopf natürlich nur punktuell behandeln kann. Der Helm dagegen bestrahlt die Haarwurzeln des bebeamten Kopfes mit einer Wellenlänge von 655 Nanometern. Angeblich produziert er keine Hitze und kann mit anderen „Therapien" kombiniert werden—also Haarwässerchen, Tinkturen und Spülungen.

Nein, die Lasermütze ist mit 600 Euro wirklich nicht besonders billig. Aber wenn sie nur ein kleines bisschen besser wirkt als die 400 Flaschen Haarwuchstinktur, die der Kunde in derselben Zeit kaufen müsste, wäre das schon eine kleine Revolution. Nur an der Kommunikation der Discount-Angebote muss das Unternehmen noch etwas feilen:

Nebenwirkungen, wie zum Beispiel das langsame Garköcheln des Gehirns durch die Dauerbestrahlung, sollen trotzdem keine auftreten, verspricht der Hersteller.

Und wenn doch, wäre das ja irgendwie auch nicht so schlimm. Denn wie wusste schon Nikita Chruschtschow: „Ist der Kopf ab, so weint man den Haaren nicht nach."