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Klage im Namen des Lungentods: Warum es für VW jetzt richtig teuer werden könnte

Die zivilrechtliche Klage, vor der sich der Konzern nun verantworten muss, wiegt besonders schwer.
Bild: imago/ Ralph Peters

Es wird langsam richtig ungemütlich für VW. Nach dem Verstoß gegen die Abgaswerte in Diesel-PKW durch Softwaremanipulation muss sich das Unternehmen nun mit rechtlichen Schritten auseinandersetzen, die die Firma für ernsthafte Schäden an Mensch und Umwelt verantwortlich machen.

Das US-Justizministerium und die amerikanische Umweltbehörde EPA reichten gestern eine Zivilklage gegen VW ein, in welcher sie den Automobilhersteller sowie seine Tochtergesellschaften Audi und Porsche beschuldigen, in 600.000 Fahrzeugen Betrugssoftware eingebaut zu haben.

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Das besondere an der Klage: Die US-Beamten stellen einen direkten Zusammenhang zwischen den teilweise deutlich überschrittenen Grenzwerten und den gesundheitlichen Folgen für die Allgemeinheit fest. Hochrechnungen gehen davon aus, dass die besonders lungenschädlichen Abgase der manipulierten Dieselfahrzeuge statistisch gesehen 60 Menschenleben gekostet haben könnten—durchaus dramatische Zahlen für eine Richtwert-Manipulation, auch wenn eine exakte Berechnung der möglichen Todesfolgen naturgemäß schwierig sind.

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Die bei einem Gericht in Detroit eingereichte Beschwerde ist die erste staatliche Klage, der sich VW seit Beginn von Dieselgate stellen muss. Sie wiegt schwerer als alle bisherigen privaten Klagen, von denen in den vergangenen Monaten in den USA mehr als 500 eingegangen sind. Noch im Dezember hieß es, VW habe 6.5 Milliarden Euro für die weltweiten Rückrufkosten zurückgelegt. Manche Beobachter befürchteten, dass alleine die Klagen von Privatpersonen Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe für die Wolfsburger bedeuten könnten. In Deutschland beginnt die Rückrufaktion Ende Januar.

Die Klageschrift beruft sich dabei nicht auf die verursachten Materialschäden an den betroffenen Autos, sondern vor allem auf die Luftverschmutzung und die daraus resultierenden Schäden für Mensch und Umwelt. Durch die Klagen könnte dem Wolfsburger Unternehmen eine Strafe von mehr als 83.1 Milliarden Euro drohen, rechnet Reuters hoch. Damit dieses Strafhöchstmaß zustande kommt, müsste VW wegen aller Verstöße für schuldig befunden werden und für jeden Wagen die Maximalstrafe zahlen, erklärt der Analyst Holger Schmidt.

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„Mit dem heutigen Antrag, gehen wir einen wichtigen Schritt für den Schutz der öffentlichen Gesundheit, indem wir Volkswagen für jegliche gesetzeswidrige Verschmutzung zur Verantwortung ziehen und uns an die Aufklärung machen", erklärte Cynthia Giles von der EPA.

Die Stickstoffemissionen der manipulierten Dieselfahrzeuge überschreiben die Richtlinien des Gesetzes zur Luftreinhaltung „Clean Air Act" teilweise um das 40fache. Erhöhte Stickstoffwerte verstärken die Konzentration des Ozons und der Feinstaubbelastung in Bodennähe. Hieraus ergeben sich gesundheitsgefährdende Werte, die in direktem Zusammenhang mit Asthma und anderen Erkrankungen der Atemwegen stehen. Gleichzeitig beschreibt die Klageschrift das gesteigerte Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und daraus resultierenden Todesfällen. Vor allem Kinder, ältere Personen und Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen sind von der Abgasverschmutzung betroffen.

„Aktuelle Studien haben festgestellt, dass die direkten Auswirkungen von Stickstoff auf die Gesundheit schlimmer sind als bisher angenommen, dazu gehören Erkrankungen der Atemwege, eine Schädigung des Lungengewebes und frühzeitige Todesfälle", so das amerikanische Justizministerium in einer Presseerklärung.

VW hat sich noch nicht zu den Details der Anklageschrift und den neuen Vorwürfen geäußert, in der es ebenfalls heißt, der Konzern habe die bisherigen Ermittlungen durch irreführende Angaben und das Vorenthalten von Material behindert. Ein Sprecher von VW gab an, das Unternehmen stehe in ständigem Austausch mit den Behörden und werde zunächst die Details der 31-seitigen Klageschrift prüfen. Der Aktienkurs des Konzerns sank heute unterdessen zeitweise um mehr als vier Prozent in den Keller.