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Niemandem wird russischer Weltraumschrott auf den Kopf fallen

Raumfahrtexperten können über Schlagzeilen wie "Nur ein Wunder kann noch helfen: Russisches Raumschiff stürzt gen Erde" nur müde lächeln.
​Foto: Screenshot ​YouTube

Der Start der Progress M-27M am Dienstag, 28. April 2015

Einmal tief durchatmen: Wer die hysterischen Headlines deutscher Boulevard-Medien in diesen Minuten zu ernst nimmt, könnte durchaus glauben, dass in Kürze ein russisches Raumschiff auf die Erde kracht.

Dass dieses Szenario mit der Realität ungefähr so ziemlich nichts zu tun hat, wird bei der Berichterstattung gerne außer Acht gelassen.

Hintergrund für die apokalyptischen Überschriften á la ​„Nur ein Wunder kann noch helfen": Russisches Raumschiff stürzt gen Erde ist das Verschwinden des russischen Raumfrachters „Progress M-27M" auf dem Weg zur internationalen Raumstation ISS vor wenigen Stunden.

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Diese Video der Onboard-Kamera zeigt, wie sich die Progress M-27M schon wenige Stunden nach dem Start unkontrolliert dreht

Wie die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos heute morgen mitgeteilt hatte, blieben mehrere Funksignale an die Trägerrakete des Typ Sojus Progress unbeantwortet. Sollte man weiterhin keinen Kontakt zur Sojus herstellen könne, werde von einem Absturz zwischen dem 7. und 11. Mai ausgegangen, so Roskosmos.

Ein Absturz bedeute in diesem Fall allerdings lediglich, dass der Raumfrachter nahezu vollständig verglühe werde, wie uns Volker Schmid, Projektmanager beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für den Raumtransporter ATV, mit einem müden Lächeln am Telefon erklärte:

„Sobald der Frachter auf seinem Weg zur Erde in die Atmosphäre eintritt, wird er aufgrund der Reibungshitze auseinanderbrechen und verbrennen. Es ist möglich, jedoch unwahrscheinlich, dass noch winzig kleine Teilchen die Erde erreichen. Normalerweise treten die Raumfrachter über dem Südpazifik in die Atmosphäre ein. Es ist also möglich, dass dort Mini-Teilchen ins Meer stürzen."

Die Progress M-27M sei im Gegensatz zu anderen Interkontinentalraketen mit einer wärmeresistenten Wiedereintrittskapsel in ihrer Bauweise nicht auf den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, sondern eben auf das Verglühen ausgelegt.

Eine kalkulierte Methode, um im All den rauszubringen

„Derartige Versorgungsflüge zur ISS starten vier bis sechs Mal im Jahr. Es gab in der Vergangenheit keinen einzigen Unfall, bei dem Teile eines Raumfrachters auf der Erde eingeschlagen sind."​

Das Verglühen der Trägerraketen nach Plan ist für die ISS übrigens eine kalkulierte Form der Müllentsorgung. Hätte die Progress M-27M ihre wertvolle 3-Tonnen-Fracht an Essen, Treibstoff und Gerätschaften für die derzeit 6-köpfige Crew planmäßig nach dem Andocken an die ISS abgeladen, wäre sie für den Rückflug mit allerhand überflüssigem Material, sprich Müll, beladen worden.