Elon Musk hat Unrecht: Deshalb leben wir nicht in einer Simulation
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Elon Musk hat Unrecht: Deshalb leben wir nicht in einer Simulation

Von einem simulierten Apfel wird niemand satt—ein Philosoph und ein Kognitionswissenschaftler unterziehen Musks Thesen dem Realitäts-Check.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Elon Musk für Schlagzeilen gesorgt. In der Regel posaunt er bahnbrechende Meldung aus einem seiner ambitionierten Unternehmen in die Welt, ab und zu überrascht es uns aber auch mit radikalen Theorien, die unser gängiges Weltbild einfach mal so aus den Angeln heben könnten.

In einem Fernsehinterview behauptete Musk nämlich, die Wahrscheinlichkeit, dass wir in der wahren Realität („base reality") leben, liege bei eins zu mehreren Milliarden. Es sei um einiges wahrscheinlicher, dass wir in einer Ahnensimulation leben, die von einer fortgeschrittenen Zivilisation in einer mehrere zehntausend Jahre entfernten Zukunft erschaffen wurde.

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„Das stärkste Argument dafür, dass wir höchstwahrscheinlich in einer Simulation leben, ist das folgende: Vor 40 Jahren hatten wir [das Videospiel] Pong, zwei Rechtecke und einen Punkt", so der Gründer von SpaceX und Tesla. „So sahen die Games damals aus. Jetzt, 40 Jahre später, haben wir fotorealistische 3D-Simulationen, die von Millionen Menschen simultan gespielt und permanent weiterentwickelt werden. Bald wird es Virtual Reality und Augmented Reality geben, und wenn es auch nur den geringsten Fortschritt geben wird, dann werden sich die Games schon bald nicht mehr von der Realität unterscheiden lassen."

Weiterhin erklärte er:

„Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in der Wirklichkeit leben, beträgt eins zu mehreren Milliarden… ich denke, es beläuft sich auf eins zu mehrere Milliarden. Wir sollten hoffen, dass das stimmt, denn andererseits hätte die Zivilisation aufgehört, sich weiterzuentwickeln, weil verschiedene Katastrophen unsere Zivilisation ausgelöscht haben. Ansonsten würden wir Simulationen kreieren, die sich nicht mehr von der Realität unterscheiden ließen, oder die Zivilisation würde aufhören zu existieren. Das sind die beiden Optionen."

Diese von Musks verkündete—zugegebenermaßen faszinierende—These gehört jedoch nicht zu seinen originellsten Ideen. Die Theorie, dass wir in einer Simulation leben, die manchmal auch als Simulations-Hypothese bezeichnet wird, fand in den 1990ern mit dem von den Wachowski-Geschwistern gedrehten Film Matrix Einzug in die Popkultur—das Konzept gibt es aber bereits viel länger. In einer Folge von Doctor Who aus dem Jahr 1976 mit dem Titel „The Deadly Assassin" beispielsweise führt eine Gemeinschaft von Individuen ein simuliertes Leben in einer Maschine, die sich die Matrix nennt.

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Tatsächlich führt Musk eine technologisch aktualisierte Version eines der ältesten Rätsel der Philosophie aus—nämlich die Frage, ob die Welt, in der wir leben, vielleicht nichts weiter als ein Traum ist. Im Grunde ist es die Kant'sche Vorstellung, dass alle Erfahrung nur ein Phänomen ist, die wahre Welt uns aber verborgen bleibt. Wenn man sogar bis zu den alten Griechen zurückgehen will, ist Musks Theorie eine Anlehnung an das Höhlengleichnis: Was wir für die echte Welt halten, sind lediglich verzerrte Schatten, die von Simulakren realer Objekte an die Wand der Höhle geworfen werden.

Die Lehre der Philosophie wurde einst mit der Unterscheidung zwischen Anschein und Realität zum Leben erweckt—die damaligen Denker nahmen an, dass das, was wir Menschen als real ansehen, nur ein Simulakrum der echten Welt ist. Und seitdem bestand die Hauptaufgabe aller nachfolgenden Philosophen-Generationen darin, herauszufinden, was diese echte Welt ist, die—um wieder in die Gegenwart zurückzukehren—von Elon Musk als „base reality" bezeichnet wird.

Heutzutage ist ein großer Teil unseres Alltags von Computern, Software und komplexen mathematische Modellen geprägt, was uns ermöglicht, diese Debatte mit wissenschaftlichen Fachbegriffen zu führen—das Konzept ist jedoch das Gleiche geblieben. Und doch könnte der jahrtausendealte Gedanke fehlerhaft sein. Die von Musk aufgeworfene Frage ist nämlich nicht wirklich, ob es denkbar ist, dass eine fortgeschrittene Zivilisation detaillierte Simulationen der Vergangenheit erstellen würde, sondern ob es möglich ist, dass die Welt, in der wir leben, eine Simulation ist. Ist eine Simulation dann etwas, das—vorausgesetzt es gäbe eine ausreichend hohe Rechenleistung—als wahre Welt missverstanden werden könnte? Oder sind Simulationen und Welten gar zwei grundlegend verschiedene Dinge?

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Simulationen sind nicht immateriell

Die eigentliche Frage ist doch: Woraus bestehen Simulationen? Oder, ein wenig poetischer: Woraus bestehen Träume? Simulationen sind gedankliche oder materielle Konzepte, die wir benutzen, um andere Dinge darzustellen oder darüber nachzudenken. In dieser Hinsicht überschreiten sie also nicht die Grenzen von Musks sogenannter base reality. Sie bestehen aus dem gleichen „Material" wie alles andere in der base reality.

Ein 25 Zentimeter großes Neopren-Modell des Mount Everest ist immer noch ein Objekt, wenn auch ein Objekt, das eine Referenz zu einem viel größeren Objekt darstellt. Ein Flugsimulator ist ein physisches Objekt, das sich auf ein echtes Flugzeug bezieht. Eine dynamische Simulation der Galaxie auf einem Rechner ist ein Objekt, das aus komplexen Netzwerken elektronischer Elemente und geschickt miteinander verbundenen Geräten besteht. Es ist ein dynamisches Objekt, das wir heranziehen, um uns auf ein anderes Objekt zu beziehen. Es gibt aber keine Simulation, die nicht aus Objekten besteht.

Die Annahme, dass Simulationen eine Art immaterielle Einheit sind, die trotz der Abhängigkeit von ihrer physischen Zusammensetzung irgendwie anders beschaffen ist, ist ein Überbleibsel des vorher erwähnten Glaubens an eine höhere—und möglicherweise bessere—Realität. Es ist ein Glaube, der jeder ernsthaften Grundlage entbehrt. Der Gedanke, dass wir eine Simulation der Welt als Welt missverstehen könnten, ist sowohl konzeptionell als auch empirisch fehlerhaft.

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Was das Konzept betrifft, ist die Annahme in sich nicht stimmig und widerlegt sich sogar selbst. Nehmen wir als Beispiel simuliertes Wasser—woraus sollte dieses bestehen? Es könnte nicht aus echten Dingen bestehen, denn dann wäre es nicht mehr simuliertes Wasser. Es könnte aber auch nicht aus simulierten Dingen bestehen, denn—und das ist ja der Sinn einer Simulation—es gibt keine simulierten Dinge. Alles, was wir kennen, ist materiell. Alles, was wir kennen, ist Teil der base reality. Simuliertes Wasser kann nicht existieren.

Empirisch gesehen wird eine bessere Rechenleistung nicht zwangsläufig dazu führen, dass Wasser aus Computerspielen zu Wein in einer simulierten Welt wird. Die Konstruktion größerer Bogen und stärkerer Pfeile wird nie zu einer Wasserstoffbombe führen. Manchmal gibt es konzeptuelle Lücken, die selbst durch stetige Verbesserungen nicht überbrückt werden können. Eine Simulation der Welt zu erschaffen, kann nicht mit dem Bau eines zweitausend Meter hohen Turms verglichen werden, der zwar schwer ist, aber möglich. Eher könnte man die Aufgabe mit der Erschaffung eines Planeten vergleichen, der eine bestimmte Masse haben, gleichzeitig aber schwerelos sein soll. Einen solchen Planeten werden wir nie herstellen können, egal wie groß der technologische Fortschritt in Zukunft sein wird.

Außerdem beruht Musks Vertrauen in die Entwicklung der Technologie—also der Glaube, dass in Zukunft durch massive Steigerung der Rechenleistung bestehende Videospiele in echte simulierte Welten umgewandelt werden können—auf der Verwechslung der idealen Vorstellung von Simulation, die es nicht wirklich gibt, mit der tatsächlichen Beschaffenheit von Simulationen. Die Idealvorstellung einer Simulation wiederum basiert auf der Vorstellung, dass es so etwas wie einen körperlosen Geist oder eine höhere Ebene der Realität gibt, die über die base reality hinausgeht. Doch diese Annahme ist sehr fragwürdig.

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Der Apfel, den Musk auf einem VR-Bildschirm so schmackhaft und überzeugend findet, wäre für ein Rotkehlchen, das nach einem Wurm sucht eine arge Enttäuschung.

Kurz gesagt, woraus sollte solch eine Simulation bestehen? Wäre die Realität, die wir sehen, eine Simulation, dann könnten wir annehmen, dass der Simulator aus gänzlich anderem Material besteht, das wir per Definition nicht mal begreifen könnten (es müsste also aus etwas bestehen, das sich von allem, was in unserer Welt existiert, unterscheidet). Der Gedanke, dass es die base reality und weitere Ebenen der Realität gibt, klingt zwar extrem faszinierend, doch bewiesen ist nur eine Ebene der Realität. Die Welt, in der wir leben, besteht nur aus Objekten.

Schließlich wird diese Annahme von der Wissenschaft selbst bewiesen, deren Gleichungen die Bewegungen und Wechselwirkungen bestimmter Dinge beschreiben—laut der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik sind es Materie und Energie. In der wissenschaftlichen Beschreibung der Realität tauchen keine zusätzlichen Elemente auf. Wir haben beispielsweise Planeten, sowie Computer, die wir benutzen, um vorherzusagen, wie die Planeten sich verhalten werden, doch wir haben keine kleinen Planeten in unseren Computern. Die Nutzung von Computern, die auch nur Objekte sind, um vorhersagen zu können, was Planeten tun werden, nennen wir eine Simulation. Doch es gibt keinerlei simulierte Planeten in den Computern drin.

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Musks Argument ist mit zwei weiteren versteckten, kontroversen Annahmen gespickt. Erstens mit der Annahme, dass Games nicht mehr von der Realität unterschieden werden können. Sie sind aber nur deswegen ununterscheidbar, weil wir selbst es möglich machen. Doch niemand kann in einen simulierten Apfel beißen, egal von wie vielen Pixeln er dargestellt wird. Wenn wir einen echten Apfel mit einem simulierten vergleichen, lassen wir die Eigenschaften, die nicht simuliert werden können, normalerweise beiseite. In den 1980ern sah die erste Version des Microsoft Flight Simulator für Legionen von Spielern aus wie echt. Doch das ist längst Vergangenheit. Genauso wäre auch der Apfel, den Musk auf einem VR-Bildschirm so schmackhaft und überzeugend findet, für ein Rotkehlchen, das nach einem Wurm sucht eine arge Enttäuschung—egal, wie echt er aussieht.

Musk könnte dieses Argument zurückweisen und argumentieren, dass fortschrittliche Menschen in entfernter Zukunft die Simulation verbessern und ihr mehr als nur Farben auf einem Computer-Bildschirm hinzufügen könnten. Sie könnten sie um chemische Stoffe mit dem richtigen Geruch und Geschmack sowie um chemische Verbindungen ergänzen. Doch dadurch würde die Vorstellung der Simulation zunichte gemacht werden, denn im Endeffekt würde man statt einer Simulation eines Apfels einen echten Apfel erzeugen.

Musk mag argumentieren, dass zukünftige „posthumane Wesen" mehr als nur ein paar zusätzliche Farbeinstellungen in ihren Computersimulationen hinzufügen. Sie könnten chemische Substanzen wie den richtigen Duft oder Geschmack und auch die ideale Textur einbauen. Doch damit wäre auch der Gedanke einer Simulation hinfällig, denn was du nun in der Hand hättest wäre ein realer Apfel und nicht die Simulation davon.

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Indem Musk davon ausgeht, Spiele würden von der Realität ununterscheidbar werden, setzt er voraus, dass sich Spiele von der Realität unterscheiden. Würde sich eine simulierte oder virtuelle Welt von der Realität unterscheiden, müsste sie aus etwas bestehen, das in unserer physischen Welt nicht vorhanden ist. Wie vorher beschrieben, ist dies ein Missverständnis, das bis in die Zeit der alten Griechen zurückverfolgt werden kann. Es ist der Glaube, dass wir die base reality nur über eine immaterielle Ebene unterschiedlicher Erscheinungen kennen. Mit dieser Ebene ist natürlich die immaterielle Ebene unseres geistigen Lebens gemeint. Descartes nannte es Seele oder denkende Substanz. Informatiker nennen es Software oder Modell oder… Simulation. Natürlich ist mit dem Wort Software eine konkrete Ansammlung von Dingen gemeint, die es uns erlaubt, Objekte zu kontrollieren und auf Informationen zuzugreifen.

Dennoch gibt es entgegen der Annahme vieler Philosophen keine andere Realitätsebene, auf die unsere Rechner zugreifen, wenn sie Zahlen berechnen. Computer haben kein geistiges Leben und auch keine innere Vorstellung. In Computern gibt es leider keine simulierten Bäume, Raumschiffe, Explosionen, sinnliche nackte Körper oder unheimliche Monster. Im Inneren der Computer befinden sich lediglich langweilige Spannungspegel, die die Objekte kontrollieren, die wir Bildschirm nennen, die vom menschlichen Auge betrachtet die Illusion entstehen lassen, dass wir Bäume, Raumschiffe, Explosionen und dergleichen sehen. Dennoch—und das ist entscheidend—muss ein Computer dazu ein anderes Objekt (meist einen Bildschirm) kontrollieren, das physische Farben auswertet.

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Man betrachte zum Beispiel die Virtuelle Realität. Zur Weihnachtszeit werden wir in den Läden wahrscheinlich von einem schier unendlichen Angebot an VR Headsets erschlagen werden. Und fast alle nehmen an, dass die VR-Welten etwas körperloses sind, dass sie eine Simulation sind. Sie sind nur virtuelle Welten; sie existieren nicht in der Realität. Richtig? Falsch. In den VR-Headsets befinden sich kleine LCD-Bildschirme, die nicht nur für die typischen Farben sorgen, sie projizieren auch echte, sich ändernde Bewegtbilder. Die angeschlossenen Kopfhörer erzeugen echte Töne, die von dem Gehörsinn des Spielers wahrgenommen werden, und so weiter.

Die echte Virtuelle Realität besteht aus physischen (wenn auch winzigen) Gegenständen und physischen Phänomenen. Wir interpretieren die klitzekleinen Stereobilder in den Bildschirmen der VR-Headsets fälschlicherweise so, als wären sie etwas Immaterielles, doch das sind sie nicht: Es handelt sich um echte physische Farben, Pixel und LEDs. Die Virtuelle Realität ist keine immaterielle Welt; es ist eher eine physische Welt, die wir missverstehen. Wie beispielsweise, wenn wir ein Bild einer leckeren Sachertorte sehen und uns schon das Wasser im Mund zusammenläuft, obwohl es lediglich eine zwar physische, aber nicht essbare Oberfläche von Pixeln ist. VR ähnelt einem technischen Zaubertrick, bei dem die Zuschauer glauben, etwas zu sehen, was sie nicht wirklich sehen und was nicht wirklich existiert.

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Bei der ganzen Debatte ist der zentrale Punkt natürlich auch die Natur unseres Verstandes. Während wir träumen gibt es keinen Bildschirm, auf dem die Farben physisch dargestellt werden, und bisher gibt es auch noch keine Hinweise auf eine Art Bildschirm im Gehirn, auf den die Farben, die in unseren Träumen vorkommen, physisch physisch projiziert werden. Dieses Konzept hat der Philosoph Daniel Dennett das „cartesianische Theater" genannt. Wir wissen allerdings noch zu wenig über Träume, um sagen zu können, ob sie sich wie eine Simulation der Virtuellen Realität verhalten. Kommen wir aber zur Kernaussage zurück: Computer-Simulationen sind nicht immateriell. Sie beruhen auf echten physischen Eigenschaften: Tönen aus den Kopfhörern und Lautsprechern, Farben und Lichtern auf den Bildschirmen, Bewegungen, Impulsen von haptischen Geräten etc.

Dennoch werden diverse Modelle, Gedankenansätze und Simulationen oft als immaterielle Dinge—oder laut Musk „jenseits der base reality"—angesehen, als wären wir noch immer Gefangene des cartesianischen Dualismus in einer physischen (base reality) und einer geistigen/immateriellen Welt (Simulation).

Unser Gehirn ist kein Computer

Es ist kein Zufall, dass die alten Philosophen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn Begriffe wie Geist und Simulation gleichzeitig fallen. Es wird zwar wissenschaftlich nicht mehr als seriös betrachtet, an körperlose, immaterielle Seelen zu glauben, doch trotzdem vertreten viele Philosophen und Wissenschaftler bezüglich des Verstandes, Berechnungen und Simulationen überraschend ähnliche Ansichten.

Musks Behauptung basiert im Grunde weitestgehend auf Nick Bostroms einflussreichem Paper „Are We Living in a Computer Simulation?". Bostrom erklärt darin seine Sicht der Dinge folgendermaßen: „Eine gängige Annahme in der Philosophie des Geistes ist die der Material-Unabhängigkeit… Vorausgesetzt, ein System kann die richtige Art rechnerischer Strukturen und Prozesse durchführen, kann es mit bewussten Erfahrungen gleichgesetzt werden. Es handelt sich um keine wesentliche Eigenschaft des Bewusstseins, das sich über kohlenstoffbasierte, biologische neuronale Netzwerke im Schädel abspielt: siliziumbasierte Prozessoren in einem Computer könnten das im Prinzip auch."

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Bostrom formuliert den platonisch-cartesianischen Gedanken einer von der physischen Welt unabhängigen Realitätsebene neu—gleichzeitig ist es auch eine Neuformulierung von Hilary Putnams These der multiplen Realisierung. „Zuerst formulieren wir eine Annahme, die wir der Philosophie des Geistes entnehmen, um eine Diskussion zu beginnen", so Bostrom.

Mit anderen Worten setzt die Simulations-Hypothese voraus, das wir den rechnerischen Ansatz übernehmen. Dabei handelt es sich kurz gesagt in der Philosophie, in den Kognitionswissenschaften und dem Bereich der KI um die Annahme, dass Berechnungen als Gedanken ausreichen. „Wir nehmen an, diese simulierten Menschen sind bei Bewusstsein (was sie wären, wenn die Simulationen gut genug wären und gewisse weitgehend anerkannte Ansichten der Philosophie des Geistes zutreffen)", fährt Bostrom fort. Diese „weitgehend anerkannten Ansichten" sind auch als „Computationalismus" bekannt und beschreiben den Glauben daran, dass das Bewusstsein identisch mit Berechnungen ist oder von ihnen verursacht wird. Es handelt sich dabei in gewissem Maße auch um eine Überzeugungsfrage, da wir keinerlei empirische Beweise dafür haben, dass Berechnung, was auch immer darunter verstanden wird, zu bewussten Erfahrungen führt.

Bostrom behauptet in seinem Paper, dass das Bewusstsein auf Berechnungsprozessen basiert. Doch viele Wissenschaftler stehen der Analogie zwischen Gehirn und Computer skeptisch gegenüber. Das vor kurzem in Aeon veröffentlichte Paper „The Empty Brain" von Robert Epstein zum Beispiel thematisiert diese Analogie und hat einiges Aufsehen erregt. Auch wenn unser Gehirn Berechnungen durchführen kann, wird es dadurch noch lange nicht zu einem Computer. Es ist eine komplexe Ansammlung von Zellen, die durch unseren Körper mit der Welt interagieren. Wir beschreiben sie zwar oft so, als wären sie Computer, doch sie wurden nicht als Computer konzipiert. Genau genommen wäre ein Gehirn in vielerlei Hinsicht ein schrecklicher Computer und umgekehrt genauso.

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Bostrom will verhindern, dass künstliche Intelligenz die Menschheit zerstört

Bostroms These ist also suspekt und vollgepackt mit unbewiesenen Behauptungen. Wir wissen nicht, ob ein Gehirn ein Computer ist. Wir wissen auch nicht, ob eine Berechnung Bewusstsein hervorbringt. Tatsächlich gibt es bisher keinerlei Hinweise dafür, dass Berechnungen von Computern Bewusstsein hervorbringen. Wir wissen nicht, ob Bewusstsein eine Realitätsebene ist, die sich von der base reality unterscheidet. Wäre das wahr, wäre das wie schon erwähnt eine Neuformulierung des cartesianischen Dualismus. Warum sollten wir ohne Weiteres solch eine problematische These als selbstverständlich betrachten?

Der Verstand braucht die Welt

Zum Schluss gibt es noch ein weiteres Argument, das gegen Musks These einer gigantischen Simulation spricht. Angenommen, wir würden tatsächlich in einer Simulation leben, die aus etwas anderem bestünde, als unsere base reality. Wäre das der Fall, wäre die simulierte Welt die einzige Welt, zu der wir Zugang hätten. Solch eine Welt hätte Eigenschaften der Welt, die von allen als die physische Welt bezeichnet wird. Diese simulierte Welt wäre also identisch damit, was alle als physische Welt bezeichnen. Somit wäre die base reality komplett außerhalb unserer Reichweite und unserer Ansicht nach immateriell.

Wir leben in einer physischen Welt, wo physisch ein Begriff ist, um über die Welt, in der wir leben, zu sprechen. An eine umfassende massive Simulation der Welt zu glauben, ist also nicht stimmig. Würde ein simulierter Apfel alle Eigenschaften des Apfels replizieren, wäre der simulierte Apfel der Apfel.

Noch einmal zusammengefasst: Elon Musks Argument—dass es a) einst Pong gab und es nun Doom gibt, und es deswegen b) zukünftig gut möglich ist, dass wir in simulierten Welten leben werden (und das könnte bereits der Fall sein)—überzeugt nicht, weil b) nichts mit a) verbindet. Es sind zwei unterschiedliche Dinge, sowohl empirisch als auch konzeptionell. Die Welt, in der wir leben, besteht aus echten Dingen. Simulationen sind Dinge, die aus dem gleichen Material bestehen wie der Rest der Welt. Musks Argument legt nicht nahe, dass wir uns der Erschaffung einer alternativen Realität nähern. Es zeigt eher, dass wir immer besser darin werden, die physische Welt zu gestalten.

Games werden immer mehr zu einer Art kleiner Aquarien, die mit zunehmender Genauigkeit einen Teil der physischen Welt wiedergeben. Sie ähneln ein wenig den ultrasmarten dynamischen HD-Dioramen. Ursprünglich sind Dioramen Schaukästen, in denen Szenen mit Modellfiguren und -landschaften vor einem oft halbkreisförmigen, bemalten Hintergrund dargestellt werden. Sie sind also physische Simulationen. Eine virtuelle Welt ist wie ein Diorama, nur dass sie aus elektronischen Oberflächen statt aus Holz- oder Plastikmodellen besteht. Ein Bildschirm in einem VR-Headset ist ein fantastisches Stück Realität, das wie ein Chamäleon alle Farben und Formen annehmen kann. Es ist also kein immaterielles Hirngespinst. Es ist ein Stück Materie mit Farben, Masse und Elektrizität, die alle mit unserem Gehirn interagieren.

Wenn ein simulierter Wasserfall nicht nass ist, warum sollte dann ein simulierter Verstand denken oder fühlen? Zu jedem Verstand gehören zwangsläufig ein Gehirn, ein Körper und eine Welt. Ein Verstand ohne eine physische Welt ist ein Mythos. Und eine simulierte Welt ist ebenso ein Mythos. Tatsache ist doch, dass jeder Verstand, den wir kennen, körperlich und an einem bestimmten Ort ist: er gehört zu einem Körper und er nimmt an der physischen Welt teil. Wir sind noch nie einem körperlosen Verstand begegnet. In der Welt treffen wir immer auf Körper.

Riccardo Manzotti ist Professor für Psychologie am Institute of Human, Language and Environmental Sciences an der Universität von Mailand. Er hat einen Doktortitel in Robotik und veröffentlichte 50 Papers über das Bewusstsein. Seine Website ist consciousness.it.

Andrew Smart ist Kognitionswissenschaftler und Autor der beiden Bücher Autopilot: The Art and Science of Doing Nothing und Beyond Zero and One: Machines, Psychedelics and Consciousness.

Vorschaubild: Elon Musk | flickr | Heisenberg Media | CC BY 2.0