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Deutscher Youtube-Star wehrt sich erfolgreich gegen Vorwurf der „Terrorhilfe“

Jörg Sprave postet eigentlich Clips über fliegende Klobürsten. Doch nachdem er vom Boulevard in die Nähe von IS-Terroristen gerückt wurde, schickte er seine Fans zum Gegenangriff – und zwang so offenbar sogar YouTube zu einer Reaktion.
Bild: Screenshot | Youtube

„Deutscher YouTube-Gigant lädt widerliches Video hoch, trotz Warnungen, Terroristen könnten es als Training benutzen" – so titelte die britische Zeitung Daily Mail an diesem Sonntag. Voller Empörung berichtete das Boulevardblatt, der deutsche YouTuber Jörg Sprave habe mit einem Video möglicherweise Terroristen beigebracht, wie man mit einem Messer eine Sicherheitsweste durchsticht – eine Weste, wie sie der Polizist getragen habe, der beim Londoner Terroranschlag getötet wurde. Da das Video bereits seit sechs Monaten online sei, könnte es der islamistische Attentäter Khalid Masood als Trainingsclip genutzt haben, so der Vorwurf der Daily Mail.

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Jörg Sprave zählt mit über 1,5 Millionen Abonnenten zur Top-Liga deutscher YouTuber. Mit Videos über Klobürsten schießende Katapulte und bewaffnete Weihnachtsbäume hat er sich weltweit eine treue Fangemeinschaft geschaffen. Aber ist der YouTube-Star auch ein Terrorunterstützer, wie die britische Presse schäumt?

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Der Bericht vom deutschen Terrorausbilder wirbelte in kurzer Zeit so viel Staub auf, dass selbst die britische Innenministerin Amber Rudd Spraves Video verurteilte und YouTube dazu aufforderte, etwas zu unternehmen. Was die Plattform auch tat: Sie löschte das Messer-Video ohne Ankündigung und verwarnte Sprave mit einem „Strike" – einer Art gelben Karte des Netzwerks, die bei zwei weiteren Strikes zur Abschaltung des Kanals führt. Das gab Sprave zumindest in einem Video zu Protokoll, in dem er wütend darauf hinwies, „dass YouTube ihn abschalten könnte." Jetzt brauche er die Hilfe seiner Fans, schrieb Sprave noch. Gesagt, getan. Der Gegenschlag folgte schnell.

Der 52-Jährige, der mit seinen Clips seinen Lebensunterhalt bestreitet, wehrte sich mit den Waffen eines YouTubers: Er lud ein neues Video hoch, in dem er sich zu den Vorwürfen äußerte, und rief seine Follower dazu auf, die Kommentarspalten der Daily Mail zu fluten.

Seine Unterstützer starteten sogar eine Petition auf change.org, die die Rücknahme des Strikes forderte und innerhalb weniger Tage über 20.000 Unterschriften einsammelte.

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In einem Clip wehrt sich der Bastler von Steinschleudern gegen den „absurden" Vorwurf der Daily Mail. Sein Video sei selbstverständlich keine Anleitung zum Töten, im Gegenteil: Vielmehr habe er zeigen wollen, wie verwundbar handelsübliche Schutzwesten seien und wie wenig Schutz vor Angriffen sie tatsächlich böten. Wenn er hätte zeigen wollen, wie man einen Menschen trotz Sicherheitsweste töten könne, hätte er das Messer nicht an den stärksten Punkten der Jacke getestet, sondern hätte auf die ungeschützten Stellen verwiesen. Es sei ein Produkttest gewesen, kein "How to"-Video.

Ob der Großteil seiner Zuschauer den Clip auch so interpretiert hat, kann Sprave dennoch nicht restlos aufklären. Laut der Daily Mail habe ein User unter dem inzwischen gelöschten Video kommentiert: „Danke dir, jetzt wissen viele Leute wie man einen Polizisten tötet". Und ein anderer habe Sprave gefragt, warum er Leuten beibringe eine Schutzweste zu durchstechen – „Weil ich es offensichtlich kann", soll Sprave geantwortet haben. Genau so sehen es auch Spraves Fans, die fleißig Kommentare zur Unterstützung hinterlassen oder ihm gleich mit eigenen Videos beispringen, wie der us-amerikanische youtubende Bastelkollege ZombieGoBoom. Er bringt die Sperrung von Sprave mit einer größer angelegten Kampagne von YouTube in Verbindung, die die Freiheit von YouTubern einschränken wolle und sie zu „werbefreundlichen Inhalten" nötigen wolle.

Am gestrigen Dienstag dann ein Update von Sprave: Die Video-Plattform habe nachgegeben und die Verwarnung ebenso schnell wieder gelöscht, wie sie gekommen war. In einem Video mit dem Titel „Sieg!" erklärt der Waffenbastler, dass Youtube nicht nur das Strike zurückgenommen, sondern ihm auch erlaubt habe, das angebliche Terrortrainings-Video leicht abgeändert wieder hochzuladen.

Dass YouTube auf den Bericht eines Boulevardblattes hin Gewehr bei Fuß stand und das Video innerhalb weniger Tage löscht, mag verwundern. Die Video-Plattform zeigte sich in der Vergangenheit eher nachlässig, wenn es darum ging, anstößige oder gewaltverherrlichende Inhalte zu entfernen, wie eine aktuelle Studie von jugendschutz.net belegt.

Doch seit YouTube ein globaler Boykott von Werbepartnern ins Haus steht, dem sich mehr als 250 Konzernriesen wie PepsiCo, Verizon oder Volkswagen angeschlossen haben, die ihre Marken nicht neben rassistischem oder anderweitig anstößigem Content sehen wollen, will die Google-Tochter sensibler auf Beschwerden reagieren. Um die wichtigen Werbekunden zu besänftigen, verkündete Youtube, mit verbesserter Software bereits jetzt schon fünf Mal mehr Videos aufzuspüren, die als nicht „markensicher" gelten, also Werbepartner verschrecken.

Ob dazu auch die brachialen Basteltipps eines youtubenden Oberfranken gehören oder nicht, ist sich der Konzern offenbar selbst nicht so ganz sicher.