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Durch die Luftverschmutzung schleichen sich toxische Metallpartikel in unser Hirn

Die Befürchtung vieler Forscher wurde bestätigt: Abgase von Autos und Industrie gelangen direkt ins Gehirn—und lösen möglicherweise sogar Alzheimer aus.
Bild: Shutterstock

80 Prozent der Städter weltweit sind einer Luftverschmutzung jenseits den von der WHO bestimmten Grenzwerten ausgesetzt. Vor allem in den urbanen Zentren ärmerer Länder wird die Luftqualität als besonders kritisch eingestuft. Die durch die Abgase von Autos und Industrie abgesonderten Feinstaubpartikel führen in den betroffenen Gebieten zu enormen gesundheitlichen Belastungen, die in erster Linie die Lunge betreffen. Doch nicht nur Asthma ist ein treuer Begleiter des Smog, auch das Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, ist in einer Stadt signifikant höher. Allein in Deutschland gibt jährlich 7.000 Todesfälle durch Autoabgase.

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Eine aktuelle Studie von Barbara Maher, die an der Lancaster University im Bereich Umwelt- und Paläomagnetismus forscht, liefert nun Belege für eine weitere lang gehegte Befürchtung: Eisenoxidpartikel aus Bränden, Auto- und Industrieabgasen finden ihren Weg nicht nur in den Körper, sondern sogar direkt ins Gehirn. Dort könnten sie psychische und neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer auslösen, wie Maher schreibt.

Normalerweise verhindert die Blut-Hirn-Schranke das Eindringen von Schadstoffen ins Gehirn. Dabei handelt es sich um einen hochselektiven Filter, der die Flüssigkeitsräume des Zentralen Nervensystems von denen des Blutkreislaufs trennt und so das Gehirn vor Krankheitserregern und Toxinen schützt. Dennoch entdeckten die Forscher Magnetitpartikel in Proben des Gehirngewebes von 37 untersuchten Toten unterschiedlichen Alters, die in Mexico City und Manchester gewohnt und gearbeitet hatten. Diese Tatsache legt nun nahe, dass die Partikel bereits zu Lebzeiten in die Gehirne der Personen eingedrungen waren.

Es ist keine neue Entdeckung, dass sich im menschlichen Gehirn Magnetit-Partikel befinden. Diese Feststellung wurde bereits in früheren Studien getroffen. Bereits vor 25 Jahren entdeckte der Geophysiker Joe Kirschvink vom Caltech biologisch entstandene Magnetit-Paritkel im menschlichen Gehirn und schloss auf einen natürlichen Ursprung. Maher zweifelte jedoch daran, dass die gesamte Anzahl an Magnetitpartikeln ausschließlich auf natürlichem Wege im Gehirn selbst entstanden sein konnte. Sie nahm sich dieser Frage in ihren Forschungen über umgebungsbedingte magnetische Partikel und die Feinstaubkonzentration in der Umwelt an.

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Dabei konnte Maher beweisen, dass im Fall der untersuchten Personen die Nano-Ablagerungen im Hirngewebe eindeutig auf eine externe Feinstaubbelastung zurückzuführen waren. Dafür spricht, dass die Forscher nun zwei verschiedene Arten von Magnetitpartikeln gefunden haben, deren Gesamtkonzentration bis zu zwölf Mikrogramm pro Gramm Trockengewicht beträgt—deutlich mehr, als normalerweise im Gehirn gebildet wird. Außerdem ist ein Großteil der Partikel so groß, dass sie sich nicht auf natürlichem Wege im Gehirn gebildet haben können.

Biologisch geformtes Magnetit hat in der Regel die Form von Tetraedern oder Oktaedern. Der Großteil der in den Hirnen der toten Städter gefundenen Teilchen hatte jedoch eine runde Form, welche darauf hinweist, dass die Partikel während der Verbrennung von Kraftstoffen entstanden sind. Sie ähneln damit typischen Feinstaub-Aerosolen, dei bei hohem Verkehrsaufkommen vermehrt in den Luftanalysen gemessen werden. Die Partikel scheinen somit beim Einatmen in die Nerven der Nase eingedrungen zu sein, was bei ihrer Größe von 150 Nanometern und weniger durchaus möglich ist. Und nicht nur das, die Forscher fanden zusätzlich noch andere metallische Komponenten in den Nanopartikeln—wie Platin, Nickel und Kobalt, die sich normalerweise nicht im Hirn finden lassen.

„Weil Magnetit bekanntermaßen so giftig für das Gehirn ist, sieht man die Atmosphäre, die wir einatmen, plötzlich in einem anderen Licht"

Das Problem ist, dass Magnetit toxisch ist und die Nervenfunktionen angreifen kann. Vorherige Studien konnten bereits einen Zusammenhang zwischen einer hohen Konzentration von Magnetitpartikeln im Gehirn und und einer Alzheimererkrankung feststellen. Mit ihrem Magnetismus, den wechselnden Oberflächenladungen und einem hohen Redoxpotential könnten die Teilchen schwere gesundheitliche Schäden anrichten. Die eisenhaltigen Nanopartikel stehen im Verdacht, die Produktion schädlicher reaktiver Sauerstoffspezies (umgangssprachlich: freie Sauerstoffradikale) zu fördern, die neurodegenerative Krankheiten begünstigen und Nervenzellen abtöten.

„Weil Magnetit bekanntermaßen so giftig für das Gehirn ist, erscheint die Atmosphäre, die wir einatmen, in einem anderen Licht", so Maher im New Scientist. Die Wissenschaftlerin selbst hat vorsorglich schon mal ihren Lebensstil diesen Erkenntnissen angepasst und bemüht sich, ihre persönliche Feinstaubaufnahme möglichst gering zu halten. „Wenn ich an einer stark befahrenen Straße entlang gehe, versuche ich mich soweit wie möglich von der Bordsteinkante fern zu halten. Denn die Konzentration der Partikelmasse nimmt über die Breite des Bürgersteigs ab."

Mit 37 untersuchten Personen ist Mahers Stichprobe allerdings noch zu klein, um eine hinreichende Aussage zu treffen. Dennoch sind unabhängige Experten über die Ergebnisse erschrocken. „Die aktuelle Studie ist von äußerster Wichtigkeit, weil es bereits unterschiedlichste Hinweise und jede Menge Spekulationen darüber gibt, ob und—wenn ja—wie anthropogen erzeugte mineralische Nanopartikel in das Gehirn einwandern und sich dort ansammeln können", beurteilt Wolfgang Kreylinfg vom Münchener Helmholtz-Zentrum die Ergebnisse. „Die Suche nach einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und neurodegenerativen Erkrankungen muss also weitergehen."