Demonstranten in Moskau
Mitglieder von PsychoActive
Psychische Gesundheit

Fotos: Diese Aktivistinnen setzen für die Rechte psychisch Kranker ihre Freiheit aufs Spiel

Trotz Demoverbot protestierten sie am 1. Mai in Moskau gegen Stigmatisierung.

"PsychoActive" ist ein Kollektiv mit Sitz in Moskau, das sich für Menschen mit psychischen Erkrankungen einsetzt. Die Gruppe, die als kleine Online-Community begann, hat inzwischen rund 3.000 Mitglieder. Ihren ersten Jahrestag feierte das Kollektiv am 1. Mai mit einer Demonstration durch Moskaus Innenstadt.

Da die Regierung PsychoActive keinen eigenen Marsch erlaubt hatte, schloss die Gruppe sich einer angemeldeten 1. Mai-Demo linker Oppositionsparteien an. Ansonsten hätten die Aktivistinnen bis zu drei Wochen Gefängnis riskiert. PsychoActive war nicht die einzige Gruppe, die sich der linken Demonstration anschloss: Tierschützer und ein feministisches Kollektiv liefen ebenfalls mit.

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Als PsychoActive vergangenes Jahr am 1. Mai versuchte, eine regierungstreue Kundgebung zu infiltrieren, wurden mehrere Mitglieder verhaftet. Trotzdem gingen 40 Menschen dieses Jahr wieder auf die Straße. Für viele war es das erste Mal.

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Katrin Nenaschewa, eine der Gründerinnen von PsychoActive entrollt ein Transparent, auf dem steht: "Psycho, Arbeit, Mai", eine Referenz an den Arbeiterslogan der Sowjetunion: "Frieden, Arbeit, Mai"

Festnahmen gab es dieses Jahr zum Glück keine, dafür konnten die Demonstrierenden Schilder und Transparente hochhalten, auf denen sie die steigenden Kosten für Medikamente anprangerten, das gesellschaftliche Stigma, dem viele ausgesetzt sind, und die mangelhafte Versorgung in vielen Krankenhäusern.

"Wir wollen zeigen, dass es viele Menschen wie uns gibt und dass wir keine Monster sind, auch wenn die Gesellschaft vielleicht etwas anderes denkt", sagte der 21-jährige Wassili. Es war seine erste Demonstration. "Viele von uns treffen sich zum ersten Mal persönlich", sagte Sascha Starost, eine der Gründerinnen von PsychoActive. Die Gruppe habe auf dem russischen Facebook-Klon VKontakte über 3.000 Mitglieder, sagte sie, "aber nur 40 tapfere Seelen sind hergekommen". Das sei in Anbetracht der Umstände verständlich.

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Warwara Tereschenko, 26, ist Künstlerin und Kindergärtnerin. Auf ihrem Plakat steht: "Gute Stimmung mit schlechtem Ende", dazu der Diagnose-Code für eine bipolare Störung: F31.

Auch wenn die Gruppe klein ist, ist ihre Arbeit in Russland unfassbar wichtig, einem Land mit weltweit einer der höchsten Suizidraten unter Teenagern.

Jährlich suchen etwa sieben Millionen Menschen in Russland professionelle Hilfe aufgrund psychischer Probleme. Die staatliche Statistik-Agentur Rosstat behauptet, die Zahlen seien rückläufig. Viele Experten sind jedoch davon überzeugt, dass zahlreiche Betroffenen keine Hilfe suchen würden, weil sie von ihrem Umfeld und Ärzten so schlecht behandelt werden.

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Als die Kundgebung beendet war, vertrieb die Polizei die Teilnehmer. Nur die Linken blieben, um sich die Abschlussreden anzuhören. PsychoActive zogen mit Kaffee und Eis weiter in einen nahegelegenen Park, um sich auszutauschen und gegenseitig zu helfen.

Weiter unten haben wir noch mehr Fotos von der Demonstration für dich.

Du leidest an Depressionen oder sorgst dich um einen nahestehenden Menschen? Die Nummer der Telefonseelsorge in Deutschland ist 0800 111 0 111. In dieser Liste sind bundesweite Anlaufstellen für Menschen mit Depressionen aufgeführt. Die Nummer der Telefonseelsorge in der Schweiz ist 143. Die Nummer der Telefonseelsorge in Österreich ist 142. Den Notfallpsychologischen Dienst erreichst du hier unter 0699 18 85 54 00.

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Trotz des hohen Risikos, verhaftet zu werden, waren viele Teilnehmenden unter 18

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Auf den Schild steht: "Ihr existiert/wir existieren"

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Mascha, 17, kam mit ihren Freundinnen. Ihnen war es wichtig, sie zu unterstützen

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Das war Wassilis erste Demonstration überhaupt. Bei dem 21-Jährigen wurde vor einem halben Jahr Bulimie, Soziopathie und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er wollte zeigen, dass es mehr Menschen wie ihn gibt

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Tessa ist manisch-depressiv. Vergangenes Jahr hatte sie zu viel Angst, um an der Demonstration teilzunehmen. Jetzt wollte sie auf jeden Fall dabei sein

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Sascha Starost ist eine der Gründerinnen der PsychoActive-Community

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Katrin Nenaschewa half dabei, PsychoActive ins Leben zu rufen

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Die Moskauer Polizei überwacht die Demonstration

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Am Endpunkt der Route mischen sich die Aktivistinnen mit den Tierschützern

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Eine Vloggerin berichtet über die Demonstration

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Wassili (rechts)

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Luiza, 21, hat genug Mut gefasst, um ihre Narben zu zeigen

Update vom 6. Mai, 11:15 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels schrieben wir in einer Bildunterschrift, Warwara Tereschenko wäre selbst mit einer bipolaren Störung diagnostiziert wurde. Richtig ist, dass nicht sie selbst, sondern ihr nahestehenden Personen diese Diagnose erhielten.