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500 Euro für eine bunte Waffe – Gamer erzählen, warum sie Unsummen in Spielen ausgeben

Viele große Spiele sind free-to-play, trotzdem verbraten Nutzer Hunderte und Tausende Euro für virtuelle Rüstungen und Sammelkarten. Vier Gamer erzählen, warum ihnen das ein Vermögen wert ist.
Der Medusa-Skin macht dieses Scharfschützengewehr zu einem der wertvollsten Gegenständen von Counter-Strike: Global Offensive | Bild: Screenshot, Axel Andromeda 14 | YouTube

Fast 2000 Euro hat Kochazubi Timmy H. schon für Waffen ausgegeben: Schrotflinten, Messer und Maschinengewehre, bunt bemalt und bereit für den Einsatz. "Hell und auffällig sollen die sein", sagt der 16-Jährige. Timmy sammelt Waffen-Skins in Counterstrike: Global Offensive, einem der populärsten Ego-Shooter der letzten Jahre. Einen Spielvorteil bringen sie ihm nicht, ein Scharfschützengewehr verursacht im Spiel den gleichen Schaden, egal ob der Griff rot gepunktet ist oder in Holzoptik kommt.

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Trotzdem verdienen zunehmend mehr Entwickler mit solchen optionalen Inhalten das eigentlich große Geld. So vermeldet der Verband der deutschen Games-Branche einen Umsatz von 266 Millionen Euro nur für digitale Güter und Zusatzinhalte im Jahr 2016, Tendenz steigend. Je nach Spiel und Outfit kostet ein Skin ein paar Cents oder Hunderte Euro. Free-To-Play-Spiele gehen so weit, dass das eigentliche Spiel kostenlos zu spielen ist, die Gamer sich aber in digitalen Shops Outfits oder andere Kleinigkeiten kaufen können.

Während die meisten Spieler diese Shops ignorieren, geben andere riesige Summen darin aus. Wir haben in Facebook-Fangruppen von Spielen wie Counter-Strike und World of Warcraft nach Gamern gesucht, die einen großen Teil ihres Einkommens für Ingame-Gegenstände ausgeben. Geantwortet haben uns fast ausschließlich Männer. Auch ein paar Spielerinnen haben sich gemeldet; ihre Ausgaben für Einkäufe in Games waren aber deutlich geringer. Über Teamspeak, Telefon und Skype haben wir mit vier Gamern gesprochen, die ihre Käufe als sinnvoll und befriedigend empfinden. Im Gespräch mit Motherboard erklären sie, warum sie ihr Verhalten nicht problematisch finden und auch in Zukunft Hunderte Euro ausgeben wollen.

Timmy, 16, Koch-Azubi: 500 Euro für ein blaues Gewehr

Der "Medusa"-Skin für das Scharfschützengewehr AWP gehört zu den teuersten Skins von Timmy: 560 Euro ist die Bemalung wert | Bild: Screenshot, Axel Andromeda 14 | YouTube

1.747 Euro – so viel ist das digitale Counter-Strike-Inventar von Timmy H. wert. Unter dem Namen triX1337 spielt der 16-Jährige aus Delitzsch in Sachsen aktuelle PC-Spiele wie Playerunkown’s Battlegrounds oder DayZ, doch am meisten unterwegs ist er in Counterstrike: Global Offensive. Regelmäßig kauft er neue Waffen-Skins. "Bei mir ist das der Sammelfaktor", sagt er, "schon früher habe ich Pokémon- und Yu-Gi-Oh!-Karten gesammelt. Jetzt sind es eben die Skins." Für ein Messer gibt er dabei schon mal 100 bis 150 Euro aus. Schrotflinten-Skins dürfen für Timmy aber nicht mehr als fünf Euro kosten, die nutzt er zu wenig im Spiel.

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Je bunter und ausgefallener die Designs sind, desto besser. Im Spiel bedeuten die teuren Lackierungen Prestige. "Es kommt immer wieder vor, dass andere Spieler mich anbetteln, wenn die sehen, was für Skins ich habe", sagt Timmy. "Im Voice-Chat sagen sie: 'Give me skins, give me skins'." Zudem lasse sich an den Waffen auch erkennen, wie gut ein Spieler ist. "Je höher der Rang, desto besser sind in der Regel auch die Skins."

Der Blick in den teuren Waffenschrank tue manchmal schon ein bisschen weh, gibt Timmy zu. Trotzdem bereue er seine Einkäufe nicht. Über das Handelssystem in Counter-Strike: Global Offensive und externe Internetseiten könne er seine Sammlung ja auch wieder verkaufen. "Da würde ich zwar Minus machen, aber ich könnte sofort auscashen."

Manuel, 24, Einzelhandelsverkäufer: 100 Euro im Jahr für einen Söldner

Damit Manuels Charakter wie ein Söldner aussieht, greift er immer wieder tief ins Porte­mon­naie | Bild: Screenshot | NCsoft

"Über die Jahre muss es doch eine vierstellige Summe geworden sein", sagt Manuel S. über das Geld, das er für Zusatzinhalte in Videospielen investiert hat. Der 24-Jährige ist inzwischen in der IT-Branche tätig. Gaming liegt bei ihm in der Familie: "Mit meiner Mutter habe ich früher zusammen Online-Rollenspiele gespielt." Schon damals wollte Manuel die Zusatzinhalte im Spiel haben und bat seine Mutter immer wieder um Geld. "Manchmal habe ich das Geld bekommen oder sie meinte, das sei Verschwendung."

Seitdem Manuel sein eigenes Geld verdient, investiert er noch mehr. In den letzten Jahren hat er am meisten das Online-Rollenspiel Guild Wars 2 gespielt. Neben den Spielerweiterungen kauft er sich Rüstungsgegenstände und Skins, die zu seinem Avatar passen. "Meinen Hauptcharakter Veldarin kreiere ich als Söldner", erklärt Manuel. Ein Söldner ist nicht etwa ein vorgesehene Figur in Guild Wars 2 – Manuel hat einfach den Wunsch, dass sein Avatar sich verhält und so aussieht wie ein Söldner. Zusammen mit anderen Gamern findet er sich deshalb auch in Rollenspiel-Gilden zusammen. "Sobald ich im Echtgeld-Shop etwas sehe, was zu Veldarin passt, sinkt meine Hemmschwelle Geld auszugeben."

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In Guild Wars 2 hat Manuel bereits rund 600 Euro ausgegeben, hinzu kommen Zusatzinhalte für andere Spiele. "Ich betrachte das als mein Hobby. Andere gehen in die Kneipe oder Disko und versaufen das Geld." Er hingegen spiele sein Lieblings-Game jetzt seit fünfeinhalb Jahren und habe immer noch was davon. Zurückstecken muss sein Spielcharakter allerdings, wenn Manuel eine Reise plant und dafür Geld zurücklegt. "Das ist dann zwar ärgerlich, wenn ich einen interessanten Skin sehe und nicht kaufen kann, aber der Urlaub ist mir dann doch wichtiger."

Justin,18, Sozialassistent-Azubi: 400 Euro in FIFA verzockt

"Fauli" oder "Faulsen" nennt sich Justin F. in Videospielen wie FIFA, Fortnite oder League of Legends. Der 18-Jährige aus Köthen macht gerade seine Ausbildung und hat schon große Teile seines Gehalts in Spiele gesteckt: "300 Euro in League of Legends, in FIFA bestimmt 400 Euro. Dann habe ich noch eine Zeit lang online gepokert und wahrscheinlich 100 Euro verloren." Früher musste sein Taschengeld dafür herhalten.

"Mir ist aufgefallen,gerade wenn ich mit Freunden weg gehen wollte, war ich etwas zurückhaltend mit dem Geldausgeben."

Von den Glückspiel ähnlichen Lootboxen, deren Inhalt Spieler vor dem Kauf nicht kennen, hält sich Justin inzwischen fern. "Ich versuche beim neuen FIFA keine Packs mehr zu kaufen. Ich hatte meistens einfach Pech." Packs bei FIFA enthalten digitale Fußballer-Sammelkarten, die Gamer dann im Spiel einsetzen können. Gerade bei Rabattaktionen oder wenn seltene Fußballer in der Verlosung sind, sei die Versuchung aber immer noch groß, zumal Justin inzwischen sein eigenes Gehalt verdient. Deswegen hat Justin die Ausgaben für solche Mikrotransaktionen auch wieder zurückgefahren.

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Dieser Bierhelm und bedruckte Äxte können bei League of Legends um die 15 Euro kosten | Bild: Screenshot | League of Legends | Riot Games

Bei League of Legends gibt er aber immer noch gerne Geld für die Skins seiner Helden aus. "Das fühlt sich eleganter an", sagt Justin. "Die Entwickler überarbeiten ja teilweise auch die Animationen der Charaktere. Pro Skin gehe ich aber nicht über 20 Euro." Zu besonderen Anlässen wie Halloween erscheinen sogar ganze Sets von Skins für verschiedene Helden. "Wenn ich dann mit Freunden spiele, laufen wir alle mit dem gleichen Outfit rum und andere sehen sofort, dass wir zusammengehören."

Rafael, 29, Außendienst-Techniker: 50 Euro monatlich für WoW

Dieese Leerenelfin ist einer von Rafales Charakteren bei World of Warcraft | Bild: Screenshot | World of Warcraft | Blizzard

"Die Spiele, die am meisten Geld fressen, sind Free-To-Play", sagt Rafael R. aus Gelsenkirchen. Der 29-jährige spielt neben World of Warcraft auch gerne eher unbekannte Titel wie Hero Online. Über 500 Euro hat er vor einigen Jahren in dieses koreanische Online-Rollenspiel investiert, um verbesserte Waffen und mehr Erfahrungspunkte zu erhalten. "Es ist absolut absurd, aber es ist wie im Kaufhaus. Du gehst wegen Lebensmitteln hin und die stehen natürlich ganz hinten. Und vorher musst Du an schönen, aber eigentlich unnötigen Dingen vorbei."

Trotzdem gibt Rafael gerne Geld für Spiele aus. Er versteht sich auch als Sammler. "Wenn ein neues Spiel rauskommt, versuche ich mir möglichst die Version mit allen Zusatzinhalten und Skin-Paketen zu kaufen." Damit steigt der Preis von 70 Euro für ein neues Spiel auch mal auf das doppelte. Für physische Fanartikel wie Statuen oder Artbooks interessiert sich Rafael übrigens nicht: "Die stehen eh nur rum und verstauben."

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In World of Warcraft zahlt Rafael nicht nur die monatliche Spielgebühr von etwa zehn Euro, sondern auch jeden Monat zusätzlich bis zu 40 Euro für Skins und Boni. "Das ist für mich nicht einfach ein banaler neuer Anstrich. Wenn der Skin ausgefallen ist und den Charakter nach meinem Geschmack verändert, nehme ich den gerne." Um stets den Überblick über seine Ausgaben zu behalten, setzt Rafael sich gerne am Anfang des Monats ein Budget.


Bei Motherboard: Zu Gast im japanischen Hotel, das von Robotern geführt wird


Ab und zu verschenkt Rafael auch mal Skins an andere Spieler. "Mit einem Kumpel aus Norwegen spiele ich seit 2010. Wir hatten bisher keine Chance uns zu treffen, trotzdem sind wir gute Freunde." Und als Zeichen dieser Freundschaft gibt es auch mal eine virtuelle Rüstung als Geschenk.

Die BZgA bietet eine kostenlose und anonyme telefonische Beratung zum Thema Glücksspielsucht. Auch der Fachverband Glücksspielsucht e.V. bietet auf seinen Seiten weiterführende Informationen und eine Übersicht über Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen in deiner Nähe.

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