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Penisrituale und Bro-Culture: Frauen klagen gegen LoL-Macher wegen Sexismus

Wenn die Vorwürfe stimmen, steckt hinter einem der beliebtesten Spiele der Gaming-Welt eine Firma mit einem großen Sexismus-Problem.
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Eine League of Legends-Statue des Charakters Annie im Eingangsbereich des Hauptquartiers von Riot Games | Bild: Riot Games

Mitarbeiterinnen, die ungefragt Dickpics gezeigt bekommen; Mitarbeiter, die zum Spaß ihre Penisse gegeneinander schlagen und ihre Kolleginnen nach Hotness ranken: Diese und weitere Vorwürfe haben eine ehemalige und eine aktuelle Mitarbeiterin von Riot Games gesammelt, um jetzt gegen den Spieleentwickler zu klagen. Die beiden Klägerinnen seien nach eigenen Angaben nur wegen ihres Geschlechts bei Karrierechancen benachteiligt und im Arbeitsalltag diskriminiert worden.

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Sexismus-Vorwürfe gegen Riot Games gab es seit einem Medienbericht des Gaming-Magazins Kotaku Mitte des Jahres, der den Stein ins Rollen brachte. Kotaku hatte vor drei Monaten nach einer investigativen Recherche und 28 befragten Zeugen mehrere Fälle von grenzverletzendem Verhalten und sexistischen Übergriffen beschrieben. Jetzt gibt es die erste Anklage: Zwei Frauen, die bei dem Entwickler von League of Legends arbeiten oder gearbeitet haben, berichten ausführlich über ihren Alltag bei dem Computerspielunternehmen im kalifornischen Los Angeles. Ihre Geschichten stehen in der online veröffentlichten Anklageschrift der Anwaltskanzlei Rosen Saba.

Schon nach den ersten Medienberichten im Sommer hatte Riot Games auf die Vorwürfe reagiert. Auf der Homepage des Unternehmens heißt es: "Wir möchten uns bei allen entschuldigen, die wir enttäuscht haben, und über die ersten Schritte sprechen, mit denen wir in eine neue Richtung gehen wollen." In einem Tweet verwies das Unternehmen außerdem darauf, dass man Workshops veranstaltet habe, um Frauen und LGTBQ bei einer Karriere in der Gaming-Industrie zu unterstützen.

Riot Games hatte auch gegenüber Kotaku Stellung zur aktuellen Anklageschrift bezogen: Man äußere sich zwar nicht zum laufenden Verfahren, aber man nehme jeden Vorwurf dieser Art ernst und untersuche ihn gründlich. "Wir sehen uns weiterhin einer tiefen und umfassenden Entwicklung unserer Arbeitskultur verpflichtet. Damit wollen wir sicherstellen, dass Riot ein Ort ist, an dem jeder Rioter Erfolg haben kann", zitiert Kotaku die Entwickler.

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"Hotness"-Rankings und ungefragte Penisbilder

Die beiden aktuellen Klägerinnen haben offenbar tiefe Einblicke in die Strukturen des Unternehmens: Melanie M. arbeitet laut Anklageschrift seit über fünf Jahren bei Riot Games, darunter auch für die Geschäftsführung des Milliarden-Konzerns; Jessica N. verließ das Unternehmen im April 2017 nach zwei Jahren.

Die nun veröffentlichte Anklageschrift sammelt erstmals alle berichteten Vorfälle, die zeigen sollen, dass Männer in dem Unternehmen strukturell bevorzugt und Frauen diskriminiert würden. Sie besteht zum einen aus detaillierten Schilderungen der beiden Klägerinnen, zum anderen aus Erlebnissen bei Riot Games, die die Anwaltskanzlei aus Medienberichten gesammelt hat.

Den von der Anwaltskanzlei gesammelten Medienberichten zufolge hätten einige Vorgesetzte und Kollegen zum Beispiel weiblichen Angestellten Bilder von männlichen Geschlechtsteilen gezeigt. Das berichteten Mitarbeiter gegenüber Kotaku. Zudem gebe es ein Insider-Ritual unter einigen männlichen Kollegen, das daraus bestehe, ihre Penisse gegeneinander zu schlagen, wie die L.A. Times unter Berufung auf mehrere Zeugenaussagen berichtet hatte.

Eine Angestellte habe laut Kotaku eine E-Mail-Unterhaltung über sich selbst gefunden, in der ein Kollege schrieb, er würde sie "gerne penetrieren". Ein anderer habe sich in derselben Unterhaltung geäußert, sie wäre eine, mit der man Sex haben könne, die man danach aber nie wieder anrufen würde.

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Der Anklageschrift zufolge gebe es eine E-Mailing-Liste namens "Riot Games Hottest Women Employees", in der weibliche Angestellte nach ihrer "hotness" beurteilt würden. Darüber hinaus sollen Vorgesetzte eine Liste mit Frauen geführt haben, mit denen sie gerne Sex haben würden. Für diesen Vorwurf wird in der Anklageschrift jedoch keine direkte Quelle benannt.

Motherboard wird auch in Zukunft über Arbeitsbedingungen und Sexismus in der Gaming-Branche berichten. Wenn ihr Informationen dazu habt oder selbst betroffen seid, könnt ihr unsere Redaktion per E-Mail an redaktion@motherboard.tv erreichen . Den Autoren Jan Lindenau könnt ihr hier direkt per E-Mail anschreiben.

Lau den von Kotaku gesammelten und in der Anklageschrift zitierten Zeugenberichten würden im Arbeitsalltag Männer bei Teamkonferenzen regelmäßig ihre Kolleginnen unterbrechen und übergehen, bei internen Ausschreibungen würden Frauen kaum beachtet. Die Folge seien schlechte Chancen auf Beförderung, Gehaltserhöhung, Entwicklungsmöglichkeiten.

Gläserne Decke und Peniswitze: Davon berichten Melanie M. und Jessica N.

Melanie M. habe der Anklageschrift zufolge ihren Job bei Riot Games im Oktober 2013 angetreten. Ihr damaliger Chef habe etwa nur Frauen in der Position von Assistentinnen angestellt, da es sich nach seinen Aussagen "seltsam anfühlen" würde, einen Mann auf diese Position zu setzen. Nach rund einem Jahr habe sich M. nach einer neuen Position umgesehen, gegen Widerstände ihres Chefs hätte sie ihr altes Team verlassen. Sie habe sich dann an die Personalabteilung gewandt, um in einem vertraulichen Gespräch die diskriminierende Atmosphäre zu schildern. Doch das Gespräch sei nicht vertraulich geblieben: Der von ihr kritisierte Chef habe sie später darauf angesprochen.


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Auf Broadly: Rose McGowan über Sexismus in Hollywood


Im April 2015 habe Jessica N. bei Riot Games als Assistentin im Content-Bereich angefangen. Einstiegsgehalt: 56.000 Dollar im Jahr. Als nach sechs Monaten ihr Vorgesetzter das Unternehmen verlassen habe, sei es an N. gewesen, diese Aufgaben zu übernehmen. Das habe sie für ein weiteres Jahr gemacht, allerdings ohne, dass sich etwas an ihrer Jobbezeichnung oder ihrem Gehalt getan habe. Dabei soll ihr Vorgesetzter ein Jahresgehalt von 160.000 Dollar verdient haben. Letztlich sei die Stelle von einem Mann besetzt worden, N. gar nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden.

N. beklagt sich nicht nur über die gläserne Decke, auch der Arbeitsalltag sei durch sexistisches Verhalten geprägt gewesen. In einem Monat habe sie mal mitgezählt, wie oft ihre männlichen Kollegen eigentlich das Wort "dick", also Schwanz, verwenden. Sie sei auf die Zahl 500 gekommen. Nach zwei Jahren habe sie das Unternehmen verlassen.

Die Anwaltskanzlei Rosen Saba sieht in den Vorfällen Verstöße in acht Fällen, etwa gegen das kalifornische Equal-Pay-Gesetz, aber auch gegen Diskriminierung und Belästigung im Rahmen des örtlichen Arbeitsschutzgesetzes.

Riot Games ist mit dem Problem nicht allein in der Gaming-Szene

Vorwürfe und Berichte über Sexismus und sexualisierte Gewalt in der Gaming-Szene gab es schon mehrfach. Die Debatte wurde 2014 von der feministischen Videobloggerin Anita Sarkeesian angestoßen. Sie berichtete zunächst über sexistische Narrative in Computerspielen, wurde so zum Ziel von Beleidigung so mancher Gamer. Es folgten weitere Berichte, etwa aus der Gamer-Community NeoGAF, als eine Moderatorin erklärte, sexualisierte Gewalt erlebt zu haben.

Bei Riot werde einem ehemaligen Angestellten zufolge, der von Kotaku interviewt wurde, viel Wert darauf gelegt, "core gamer" einzustellen, also begeisterte bis fanatische Zocker, die sich mit der Videospielkultur identifizieren. In den einleitenden Worten der Anklageschrift steht jedoch der Vorwurf: "Ein core gamer zu sein ist gleichbedeutend damit, ein Mann zu sein".

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