Es war der 25. Januar 1988 in Arzignano, einer kleinen Stadt im Nordosten Italiens. Carlo Celadon, 19 Jahre alt, aß gerade zu Abend. Er war allein zu Hause. Sein Vater Candido, ein reicher Unternehmer, war mit Carlos Schwester im Urlaub, sein großer Bruder war in den Flitterwochen. Plötzlich brachen vier bewaffnete Männer ins Haus ein, fesselten Carlo, sperrten ihn in den Kofferraum ihres Autos und fuhren mit ihm davon. Es sollte die längste Entführung der italienischen Geschichte werden.
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Die vier Männer waren Mitglieder der 'Ndrangheta, einer mächtigen Mafia-Organisation aus Kalabrien, einer Region im südlichsten Zipfel Italiens. Heute ist sie einer der wichtigsten Akteure im internationalen Drogenhandel, insbesondere mit Kokain, und erwirtschaftet einen geschätzten Jahresumsatz von 53 Milliarden Euro. Vor ihrem Aufstieg zur mächtigsten Mafia-Organisation Europas verdiente die 'Ndrangheta ihr Geld vor allem mit Lösegelderpressungen. Vor allem auf Angehörige wohlhabender Familien hatte sie es abgesehen. In der Hochphase dieser Kidnappings, Ende der 1960er bis Anfang der 1990er, wurden fast 700 Menschen entführt.
VICE-Video: ein verdeckter Ermittler erzählt von seiner Vergangenheit
Der italienische Journalist Pablo Trincia hat Carlos Geschichte in einer Folge des italienischen Podcasts Buio rekonstruiert. "Diese Zeit markiert einen Wendepunkt im Aufstieg der Mafiaclans", sagt Trincia am Telefon. "Die 'Ndrangheta hatte um ihre Entführungen ein richtiges System aufgebaut. Die Einnahmen investierte sie in profitablere illegale Aktivitäten wie den Drogenhandel."In jener Nacht im Januar 1988 fuhren die Kidnapper 17 Stunden nonstop mit Carlo nach Aspromonte in Kalabrien, der Heimat der 'Ndrangheta. Dort wurde er in einem kleinen Erdloch angekettet. Zu essen bekam er eine Packung Brot. Aus den Nachrichten wusste Carlo, dass solche Entführungen häufig bis zu sechs Monate dauern. Die Verhandlungen und das Organisieren des Lösegelds brauchen schließlich Zeit. "Ich stellte mich darauf ein, lange leiden zu müssen", erinnert er sich im Podcast.
VICE-Video: ein verdeckter Ermittler erzählt von seiner Vergangenheit
Der italienische Journalist Pablo Trincia hat Carlos Geschichte in einer Folge des italienischen Podcasts Buio rekonstruiert. "Diese Zeit markiert einen Wendepunkt im Aufstieg der Mafiaclans", sagt Trincia am Telefon. "Die 'Ndrangheta hatte um ihre Entführungen ein richtiges System aufgebaut. Die Einnahmen investierte sie in profitablere illegale Aktivitäten wie den Drogenhandel."In jener Nacht im Januar 1988 fuhren die Kidnapper 17 Stunden nonstop mit Carlo nach Aspromonte in Kalabrien, der Heimat der 'Ndrangheta. Dort wurde er in einem kleinen Erdloch angekettet. Zu essen bekam er eine Packung Brot. Aus den Nachrichten wusste Carlo, dass solche Entführungen häufig bis zu sechs Monate dauern. Die Verhandlungen und das Organisieren des Lösegelds brauchen schließlich Zeit. "Ich stellte mich darauf ein, lange leiden zu müssen", erinnert er sich im Podcast.
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Die 'Ndrangheta verlangte fünf Milliarden Lire für die Freilassung, etwa 2,6 Millionen Euro
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"Wenn du nicht zahlen willst, schicken wir dir seinen Kopf!"
Schließlich verabredeten Candido und Agip ein Treffen. Der Vater hielt sich an die Anweisungen und übergab das Lösegeld, aber Carlo wurde nicht wie abgemacht übergeben. Die Polizei, die sich in der Nähe in Stellung gebracht hatte, folgte dem Mann, der das Geld eingesammelt hatte, zu einem kleinen Haus und nahm fünf Menschen fest. Doch von Carlo und dem Geld fehlte jede Spur.Kurz vor der Razzia hatte die Bande Carlo zu einer Höhle im Wald gebracht. Sieben Monate gab es kein Wort mehr von den Entführern, die Familie befürchtete das Schlimmste. Schließlich meldete sich Agip und forderte weitere fünf Milliarden Lire. Der Ton wurde zusehends aggressiv. "Sag mir einfach, wenn du nicht zahlen willst", sagte Agip zu Candido. "Dann schicken wir dir seinen Kopf."
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"Sie brachten mich zu einer Landstraße und ließen mich dort liegen."
"Sie brachten mich zu einer Landstraße und ließen mich dort liegen", erinnert er sich. Ein Autofahrer entdeckte ihn und rief die Polizei. Carlos hatte in Gefangenschaft 30 Kilo verloren und konnte nicht ohne Hilfe stehen. Immer noch in dem Glauben, dass er nur so lange in Gefangenschaft war, weil sein Vater das Lösegeld nicht zahlen wollte, weigerte sich Carlos, am Telefon mit ihm zu sprechen."Was mich an Carlo Celadons Geschichte wirklich beeindruckt hat", sagt Trincia, "war, wie er es schaffte, nicht den Verstand zu verlieren. Er überlebte zweieinhalb Jahre in einem Loch, ohne etwas anderes tun zu können, als die Sekunden zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu zählen. Obendrein ging er davon aus, dass seine Familie ihn aufgegeben hatte und er jeden Moment getötet werde."Agip wurde ein paar Jahre später bei einer Drogenrazzia in Deutschland festgenommen. "Beim Abhören von Telefonaten erkannte die Polizei seine Stimme wieder. Das war aber reiner Zufall und wie sich herausstellte, war er nur einer von vielen Mittelsmännern", sagt Trincia. Der Rest der Entführer blieb verschwunden. Und mit ihnen auch die Milliarden von Lire.Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.