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Wie die US-Regierung einen CIA-Agenten zum Dissidenten machte

John Kiriakou ist der einzige CIA-Mitarbeiter, der je wegen Waterboarding verurteilt wurde. Aber nicht, weil er selbst folterte, sondern weil er Informationen über das Programm öffentlich machte.
​Bild: VICE News.

Vor inzwischen fünf Monaten veröffentlichte eine US-Senatskommision ihren ​Bericht zum CIA-Folterprogramm nach 9/11 und machte damit die rabiaten Methoden publik, mit denen die USA ihre größten Feinde im Krieg gegen den Terror traktierten.

Seitdem gab es zwar eine öffentliche Debatte über die Moral und Rechtmäßigkeit von „erweiterten Verhörmethoden" wie ​Schlafentzug, ​Sound-Folter oder Waterboarding, doch passiert ist seit dem letztlich nichts. Zumindest wurde auch nach dem Senatsbericht niemand der beteiligten CIA-Mitarbeiter, Psychologen oder Ermittler angeklagt oder gar verurteilt.

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John Kiriakou ist tatsächlich bis heute der einzige Amerikaner, der je für seine Taten im Zusammenhang mit den CIA-Folterprogrammen nach dem 11. September im Gefängnis landete. Verurteilt wurde er allerdings nicht für illegale oder unmoralische Handlungen im Kampf- oder Ermittlungseinsatz, sondern für Whistleblowing und seinen Kampf für Transparenz: Kiriakou war der erste CIA-Mitarbeiter, der 2007 in einem ABC-Interview öffentlich bestätigte, dass die CIA sogenannte „high-value detainees" dem umstrittenen Waterboarding unterzog.

​Das Motherboard-Panel auf der transmedial über Whistleblower und ihren Kampf gegen die NSA

Schließlich wurde Kiriakou im Jahr 2012 zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, da er angeblich die Namen von zwei am Folterprogramm beteiligten CIA-Mitarbeitern an Journalisten geleakt habe. Obwohl der langjährige Soldat und Ex-Geheimdienstmitarbeiter an wichtigen Anti-Terror-Maßnahmen beteiligt war, hat Kiriakou seinen Anspruch auf seine Pension verloren. Heute steht der Vater von fünf Kindern vor einem großen Schuldenberg und hat große Schwierigkeiten überhaupt einen Job zu finden.

Nach zwei Jahren im Gefängnis, wurde Kiriakou schließlich im Februar 2015 freigelassen. Ursprünglich sollte er auch ​zum Motherboard-Panel über Whistleblower auf der diesjährigen transmediale zugeschaltet werden, doch diesen Termin verpasste er um wenige Tage.

Kurz nach seiner Entlassung besuchte Kaj Larsen Kiriakou in seiner Heimatstadt Arlington. Mit VICE News sprach Kiriakou über seinen Wandel vom freiwilligen Vorkämpfer im Krieg gegen den Terror zum Dissidenten, seine Versuche wieder im Alltag Fuß zu fassen und wie sein Training als CIA-Spion, ihm das Leben im Bundesgefängnis zwischen Mafia-Mitgliedern und Gefängnisgangs erträglicher machte.

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Kirakou meldete sich nach 9/11 freiwillig bei der CIA und ist ein Veteran aus den Anfangstagen des US-Kriegs gegen den Terror. Er war unter anderem an der Festnahme des al-Qaida Unterstützers Abu Zubaydah beteiligt, dessen Name auch in dem CIA-Folterbericht eine prominente Rolle spielte und darin über 1000 mal genannt wird.

Andere Protagonisten aus den frühen Jahren des Anti-Terror-Kampfs haben den Folterbericht der US-Senatskommission im übrigen in vielen Punkt als falsch abgestempelt. Dick Cheney zum Beispiel ​nannte ihn „full of crap."

CIA-Folterbericht: Was 180 Stunden S​chlafentzug mit dem menschlichen Körper anstellen

Die CIA wirft ihrem Ex-Agenten einen schweren Bruch ihres ​Intelligence Identities Protection Act vor. Kiriakou dagegen meint, dass das Urteil gegen ihn vor allem andere Leaker abschrecken solle und außerdem die CIA-Beamten vor einer Strafverfolgung schützen soll.

Im politischen Washington kommt es jedes Jahr zu ​schätzungsweise tausenden von Leaks durch Regierungsmitarbeiter. Dabei werden allerdings meist geheime Informationen lanciert, die im Sinne der Regierung oder zumindest bestimmter Parteien innerhalb des Regierungs- oder Behördensapparats sind.

„Ich habe nie geglaubt, dass es in meinem Fall wirklich um das Leaken geht," ​erklärte Kiriakou Motherboard gegenüber schon vor dem Antritt seiner Gefängnisstrafe. „Ich war immer überzeugt, dass es in meinem Fall in Wirklichkeit um Folter geht."