FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Knapp daneben in 140 Zeichen: Messerscharfe #Blockupy-Analysen im Twitter-Format

Leopardpanzer auf die Demonstranten, fordert ein NPD-Mann beispielsweise. Am konstruktivsten analysiert es sich eben doch aus der sicheren Distanz.
Bild: Björn Kietzmann​

Während aktuell die Lage um die Proteste gegen die EZB-Eröffnung in Frankfurt eskaliert, fühlen sich auf Twitter einmal mehr zahllose „Kommentatoren" bemüßigt, die Ereignisse mit ihrer messerscharfen Meinung zu „analysieren."

Spätestens seit Occupy oder dem sogenannten „Arabischen Frühling" ist es längst nichts Neues mehr, dass sich die Diskussion des Weltgeschehens auch auf Twitter verlagert—das soziale Netzwerk kann Proteste befeuern und bereichern. Das Tolle an den Twitter-Echtzeit-Diskussionen ist dabei, dass sie dem Leser die ganze Schönheit des deutschen Meinungspluralismus näherbringen. Dank Tastatur und Internet-Zugang kann jeder, ohne sich all zu sehr mit der Realität zu beschäftigen, einfach mal sagen, was er denkt und sich zum Experten aufschwingen.

Anzeige

Selten wird das deutlicher als bei den Blockupy-Protesten.

Bevor ihr euch also die Mühe macht, die​ Bilder der Proteste zu betrachten, in eine grundlegende Untersuchung der politischen Verhältnisse einsteigt, oder gar zwischen gewalttätigen Ausschreitungen, den Forderungen der EZB-Demonstranten und den vielfältigen kreativen Protesten differenziert, lernt ihr hier doch erst einmal etwas über die Welt dank der Dummheit anderer Menschen: ​

Der gute alte Links-Rechts-Relativismus

#Linke Autonome sind keinen Deut besser als #Nazis, wenn es um #Gewalt geht. Beide sind schlicht hirnlos! #blockupyfrankfurt #Blockupy

— DieterH.Tillmann (@EmsDiti) March 18, 2015

Schon klar: #Pegida ist "Schande für Deutschland", aber die Linksterroristen in Frankfurt sind demokratische "Aktivisten"… #Blockupy

— RHK (@Confluentis) March 18, 2015

Seit Jahren gibt es umfassende öffentliche Debatten um die Blockupy-Proteste. Bis zu dieser „Analyse" eines SPD-Ratsherren (@EmsDiti) allerdings war noch nicht ganz klar, dass es bei den Auseinandersetzungen um die EZB eigentlich um Nazis geht. Und wir verstehen natürlich, dass Pegida es ganz schwer hat, Aufmerksamkeit zu erlangen, aber auch hier erschließt sich uns der Zusammenhang nicht.

Unabhängig davon, was man von den gewalttätigen Protesten gegen die EZB halten mag; der flotte Links-Rechts-Vergleich ist einfach in jeder Situation irre präzise. So hat sich dieser Relativismus beispielsweise schon lange bei solch ​differenzierenden Politikern wie Erika Steinbach oder ​querfrontenden Anonymous-Aktivisten bewährt.

Anzeige

Auch zahlreiche Landesämter für Verfassungsschutz hüteten diese Weltperspektive lange Zeit so sorgsam, dass genau jene Denkweise sie letztlich auch in ihrem Glauben bestärkte, dass Nazis doch nie zu systematischem Terror wie dem der NSU-Zelle in der Lage seien. Diese Denkweise hat schon bei den Toten der NSU-Mordserie den offiziellen Stellen geholfen, ihre Arbeit… sagen wir mal, zu vereinfachen.

Hier hat Ismail Küpeli die Absurdität des Problems noch einmal veranschaulicht:

Debattenbeitrag zum Thema #Blockupy/#Gewalt/#Militanz pic.twitter.com/PXVPpZTYFv | via @Andymueller_ PS: Es ist übrigens Marc, nicht Mark

— Ismail Küpeli (@ismail_kupeli) March 18, 2015

Alternativvorschlag:

Nicht einen Großteil der Frankfurter Demonstrierenden auf die Randale reduzieren, um sie dann zu verunglimpfen. Stattdessen die randalierenden Demonstranten auf die anderen Möglichkeiten zur politischen Partizipation in der Demokratie hinweisen.

Falls tatsächlich Interesse an einer differenzierten Betrachtung besteht:  Auch eine Diskussion der Frage, mit welchen Strategien Nazis linke Kapitalismuskritik ​zu vereinnahmen suchen, könnte interessant sein—beinhaltet aber die Akzeptanz einer komplizierten Wirklichkeit.

Sofort Militär auf das Gesindel

Angesichts solcher Bilder wäre wohl der Einsatz auch von Leopardpanzern gerechtfertigt! #18nulldrei #18M #Frankfurt pic.twitter.com/Th9WnMd07v"

— Jörg Krebs (@JoergKrebs) March 18, 2015

Wir verstehen ja, dass ein kleines Feuer im öffentlichen Straßenbild bei NPD-Politikern durchaus anregende Gewaltphantasien auslösen kann.

Anzeige

Was wir aber nicht verstehen: Warum der Frankfurter Stadtverordnete der NPD bei dieser Überblicksaufnahme keinen Drohnenschlag fordert. Wahrscheinlich ist diese Technik den bösen Amerikanern vorbehalten und nicht mit deutscher Waffenwertarbeit zu erledigen.

Alternativvorschlag:

Twitter schließen. Nicht nach der Betrachtung jedes Bildes seine Gedanken öffentlich mitteilen.

Motivationshilfe an die Polizei

Null Toleranz liebe Polizei!!! Holt die Knüppel raus und prügelt diese Chaoten aus dem Land #Blockupy

— Wuchtbrumme (@Zipfelbieger) March 18, 2015

Der Schlagstock als Lösung, für das gemäßigte Lager unter den Panzer-Befürwortern.

Alternativvorschlag:

Siehe oben. Befolgt hat das übrigens immer hin schon einer, Erik Donner: In einer „Klarstellung" betonte er anschließend, nicht zu Gewalt aufrufen zu wollen.

BILD-Populismus wie vor 40 Jahren

​In weiten Teilen der Gesellschaft herrscht noch ein gesunder, aggressiver Populismus aus Zeiten, als die Redakteure der Bild-Zeitung noch hauptberuflich Studentenproteste kriminalisiert und verunglimpft haben. Also werden fröhlich bewährte Parolen wiederholt, die einen „völlig offensichtlichen" Zusammenhang zwischen Demonstrationskultur und Arbeitsscheue herstellen:

„wenn diese Chaoten mal so früh zum arbeiten aufstehen würden" #blockupy

— ︻┳═一 (@erdnuss) March 18, 2015

Alternativvorschlag:

Sich einfach mal um sein eigenes Leben kümmern.​

Anzeige

Gewaltverschwörung

Diejenigen die im Zuge der #Blockupy Demo Feuer gelegt haben und Steine werfen sind die üblichen Agents provocateurs aber keine Bürger.

— Deuterium (@RealDeuterium) March 18, 2015

Alternativorschlag:

Rhetorisch abrüsten. Gut, es gibt seit Jahren Gerüchte, dass die Polizei auch absichtlich durch Zivilbeamte Gewalt eskalieren lässt. Allerdings ist ein Tweet ohne Bildbeweis hier auch nicht wirklich produktiv.

Immer den Zusammenhang zum eigenen Leben sehen

Ich werde heute Morgen via Bahn nach Frankfurt am Main fahren. Diese Proteste kotzen mich jetzt schon an! #Blockupy pic.twitter.com/yhXDBj67nB

— Lonely Ghost (@Anti_Human_Life) March 18, 2015

Alternativvorschlag:

Sofort aussteigen und zurückfahren. Live-Tweet-Report aller vollkommen friedlichen Orte, die auf der Rückfahrt angesteuert werden; währenddessen ausführliche Reflektion der eigenen Emotionen.