Wer kennt sie nicht: Airbnb, Uber, Couchsurfing und Kleiderkreisel—die prominentesten Vertreter der Sharing Economy. Apps, die es uns ermöglichen, vorübergehend unseren Besitz mit anderen zu teilen und daraus im besten Falle noch einen Gewinn für alle Beteiligten zu schlagen.Laut einer Studie von PWC nutzt mittlerweile fast jeder zweite Deutsche in irgendeiner Form die Sharing Economy: Ein Airbnb-Apartment statt eines Hotels oder Spotify, anstatt einzelne Alben im Internet zu kaufen. Auch die Marktchancen für neue Anwendungen der Sharing Economy scheinen im Moment vielversprechend, und so sprießen immer mehr Start-ups aus dem Boden, die sich Sharing zum Thema gemacht haben. Vom geteilten Versicherungsschaden bis zum verliehenen Hund ist inzwischen alles möglich.
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Bei Uber und Airbnb wird die Sharing Economy zum Plattform-Kapitalismus. Statt selbst Eigentum anzubieten und zum Beispiel Hotelzimmer zu vermieten, ziehen sich die Firmen auf die Rolle des Vermittlers zurück. Der Rest wird den Nutzern überlassen, die ihren materiellen Besitz einbringen und ihn—mal mit und mal ohne Entgelt—temporär zum Gemeingut erheben. Aus PKWs werden Uber-Taxis, aus Wohnzimmern werden Gästezimmer.Für manche ist die Sharing Economy nicht nur Geschäftsmodell, sondern gleich Vorbote vom Ende des heutigen Kapitalismus.
Bei Vorläufern wie Couchsurfing sieht das Ganze zwar weniger nach Hochglanz und mehr nach Hippie aus, ist aber dafür auch deutlich günstiger. Das Prinzip der Sharing Economy, in der Kunden und Anbieter zusammenrücken, um ihren Besitz zu teilen, kann viele Facetten haben—und wie ich in meinem einwöchigen Selbstversuch herausfinden sollte, ist der Übergang zwischen Schnorren und Sharen fließend.Nicht alle lieben die Sharing-Economy: Wie in Frankreich ein militanter Streit um Uber entbrannte
Montag
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Ich habe hier die Wahl zwischen den sogenannten Fair-Teilern und der Abholung von Lebensmittelkörben bei Privatpersonen. Bei den Fair-Teilern handelt es sich um öffentlich zugängliche Kühlschranke, die von Privatpersonen befüllt werden. Jeder, der möchte, kann hier vorbeischauen und sich etwas aus dem Kühlschrank nehmen.Die Abholung der Lebensmittelkörbe läuft etwas anders: Hier beschreibt der Spender die zu vergebenden Lebensmittel und postet diesen „Lebensmittelkorb" auf der Foodsharing-Seite. Diese können dann bei der Person zuhause abgeholt werden. Ich schaue mir zunächst erstmal die Lebensmittelkörbe an. Leider ist in meiner Umgebung nichts dabei. Wenn man nicht auf Salatköpfe und Frühlingszwiebeln zum Frühstück steht, gibt es hier jetzt erstmal nichts.Eine gemeinschaftliche Win-Win-Situation, die den verantwortlicheren Umgang mit Konsumgütern unterstützt.
Ab zur Arbeit. Es wird Zeit, die Transportmöglichkeiten zu testen. Da muss jetzt Uber ran. Doch bei einem Blick auf die App stelle ich mit Schrecken fest, dass gar keine privaten Uber-Fahrer zur Verfügung stehen—weil das juristische Hin-und-Her die Taxi-Dienste von privaten Fahrern im eigenen Wagen in Deutschland momentan mal wieder verbietet.Egal, ich habe jetzt keine Zeit, lange zu überlegen und bestelle statt dem echten Sharing-Angebot von Uber Pop das Uber-Taxi. Ich versuche den Taxifahrer ein bisschen auszuhorchen: Gibt es Unterschiede bei den Preisen? Gibt es für Ihn Unterschiede zur Bestellung über andere Taxi-Apps? Ist seine Bezahlung anders bei Fahrten über die Uber-Plattform? Nein, nein und nein. Leute mit Bargeld sind ihm die Liebsten. Aha.
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Ich fahre im Taxi zur Arbeit und werde von Kollegen kritisch beäugt. Jetzt fährt sie schon im Taxi vor. Soso. Abgesehen von den schiefen Blicken kostet mich die Taxifahrt mit Uber sogar noch 1,50€ mehr als die reguläre Bezahlung mit Bargeld. Das war schon mal eher kein Erfolg.
Für manche ist die Sharing Economy nicht nur Geschäftsmodell, sondern gleich Vorbote vom Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Der US-Ökonom Jeremy Rifkin hat das Sharing-Prinzip zur Grundlage einer anderen Wirtschaftsordnung erklärt: Konsumenten werden dank Digitalisierung und Technologien wie 3D-Druck selbst zu Produzenten—und dabei soll nicht mehr Eigentum—von zum Beispiel Maschinen oder Investorengeld—der Motor der Produktion sein, sondern das, was Rifkin „collaborative commons" nennt—geteilte Gemeingüter, von denen alle etwas haben.
Während Maker-Movement und Open-Source-Kultur das Prinzip der Kollaboration am konsequentesten durchziehen, sind es ausgewachsene Start-ups wie Airbnb, die das Sharing im großen Stil zu einer Ökonomie erheben. Sie funktionieren nicht mehr als Firmen, die Eigentum verkaufen und anbieten, sondern als Plattformen, die Nutzer verbinden. Die User sind es, die das Hab und Gut wie zum Beispiel ihre Wohnung oder ihren Privatwagen einbringen, um damit Geld zu verdienen.
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Mittags ist zu viel los auf der Arbeit, daher wird es zu knapp, um extern auf Nahrungssuche zu gehen. Langsam habe ich ziemlichen Hunger. Glücklicherweise gibt es bei uns den Habitus des Geburtstagskuchens—ich weiß nicht, ob das Rifkins Definition von Sharing Economy entspricht, aber ich schlage zu. So verbringe ich meine Pause damit, Menschen zum Geburtstag zu gratulieren und vogelfreie Keksbestände zu überfallen. An meinem Geburtstag gibt's dann auch einen schönen Kuchen für alle! Versprochen, Leute!Nach Feierabend fahre ich nach Kreuzberg zum Fair-Teiler und gucke mal, was man da so absahnen kann. Endlich ein Erfolg! Es gibt belegte Brötchen, süße Teilchen, Obst und Gemüse. Der Kühlschrank, in dem sich die Sachen befinden, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ich bin zunächst etwas skeptisch, nehme aber ein Teilchen und ein bisschen Obst und Gemüse mit. Zuhause muss ich mich dann schon ein wenig überwinden, Lebensmittel zu essen, deren Herkunft ich nicht kenne, aber die Sachen sind noch einigermaßen frisch und schmecken völlig in Ordnung.Das Sharing kostet Zeit und Arbeit—aber es verschafft mir auch neue Freunde.
- Kontostand: -15,40€ (Ausgaben für Uber)
- Genutzte Sharing-Plattformen: Uber (Versuch), Foodsharing
- Eingebrachter Besitz: -
- Fremder genutzter Besitz: Uber-Taxi, Lebensmittel anonymer Spender
Dienstag
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Mittags halte ich mich wieder mit geteilten Keksen und Kuchen über Wasser, da mein Ausflug zum Fair-Teiler nur ein Brötchen fürs Abendessen eingebracht hat. Ich merke schon jetzt, dass die Ernährung über Foodsharing mehr Planungsaufwand bedeutet—sich schnell noch irgendwas zu besorgen, kann auch in die Hose gehen.
Zuhause fällt mir ein, dass ich noch ein Halloween-Kostüm für die anstehende Party am Wochenende brauche. Kaufen ist nicht drin, also versuche ich, mir ein Kostüm beim Kleiderkreisel zu ertauschen. Ich stelle ein paar Sachen ein und schreibe jede Menge Kostümbesitzer an. Ohne Erfolg. Entweder der Anbieter möchte nicht tauschen, möchte schon tauschen, aber findet nichts Passendes bei mir, oder hat die falsche Kleidergröße.Langsam kommt die Verzweiflung hoch, und ich versuche, einfach nur noch IRGENDEIN Kostüm in meiner Größe aufzutreiben—egal ob Sailor Moon, sexy Marienkäfer oder selbstgebastelter Heiligenschein aus Alufolie mit geknickten Flügeln. Hauptsache, ich habe ein Kostüm, um der Strafe des kostümlosen Auftritts auf der Party zu entgehen (zehn Shots gleich nach Ankunft = tödlich).
Der einzige Lichtblick am Horizont ist, dass ich für eines meiner eingestellten Oberteile einen 1A-Pullover ertauschen kann. Ist zwar kein Kostüm, aber immerhin habe ich noch gute Beute für die Wintersaison gemacht—ganz ohne Geld auszugeben.
- Kontostand: -3€ (Ausgaben für „Call a Bike"-Anmeldung)
- Genutzte Sharing-Plattformen: Kleiderkreisel, Foodsharing
- Eingebrachter Besitz: 1 Pullover
- Fremder genutzter Besitz: Lebensmittel von anonymen Spendern
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Mittwoch
Mit der App finde ich schnell eine Abholstation und das Entleihen mit dem Smartphone funktioniert einwandfrei. Allerdings fällt mir unterwegs wieder ein, warum ich Fahrrad fahren so sehr hasse. Es nieselt, der Verkehr ist die Hölle, ich verfahre mich total und komme bei der ersten Adresse 20 Minuten zu spät.Egal. Erstmal greife ich das Essen ab. Der ältere Herr, der den Lebensmittelkorb eingestellt hat, erzählt mir, dass er eigentlich immer seine übrig gebliebenen Lebensmittel über Foodsharing abgibt oder sie zu einem Fair-Teiler bringt. Er findet es fairer, wenn man nicht alles über die Website einstellt, weil viele arme Menschen kein Internet haben. Sympathischer Mann.
Ich fahre weiter zu einer WG, um dort das restliche angebotene Gemüse abzuholen. Auch hier gehört das Foodsharing zum Lifestyle. Die Bewohner geben regelmäßig Lebensmittel ab und holen auch Lebensmittelkörbe von anderen Foodsharern. Hier wird das Foodsharing auch als willkommene Sparmöglichkeit beim begrenzten Studentenbudget gesehen.
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- Kontostand: 0€ Ausgaben
- Sharing-Plattformen: Foodsharing, Call a Bike
- Eingebrachter Besitz: --
- Fremder genutzter Besitz: Lebensmittel von anonymen Spendern, DB Fahrrad
Donnerstag
Für die Unterkunft melde ich mich bei Couchsurfing an, doch leider ist der Anmeldeprozess hier nicht so einfach. Kurze Antworten sind hier nicht gern gesehen—am besten solle man alle Fragen in Essayform ausfüllen. Herzlich willkommen im Vorstellungsgespräch für einen Platz auf meiner Couch.Aber gut, man möchte ja auch ein bisschen was über den Gastgeber erfahren und sich nicht mit irgendeinem Verrückten die Wohnung teilen. Vorm Schlafengehen schicke ich erstmal Anfragen an die Gastgeber raus, deren Profilinformationen nett klingen und die positive Referenzen haben. Von meinen über 20 Anfragen meldet sich nur ein Gastgeber mit positivem Feedback. Ich bin gespannt!
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Freitag
Jetzt wird es spannend! Ich fahre zu meinem Couchsurfing-Gastgeber und habe keine Ahnung, was da jetzt auf mich zukommt. Ein Messi? Ein verrückter Puppensammler? Ein Axtmörder? Wer weiß.Das nette Online-Profil kann auch lügen—tut es aber nicht. Ich werde erstmal von Hund Wolfie empfangen und bin direkt ein bisschen verliebt. Also, wenn ich meine Couch schon teilen, muss dann nur mit ihm.
Der Gastgeber hat ein paar Freunde zu Besuch serviert Sushi und Gin Tonic. Ob ich was möchte? Na, klar! Bevor ich mich mit meinen Freunden treffe, komme ich noch kurz mit auf einen Drink auf den Hamburger Berg. Die Jungs und Mädels haben mich gleich adoptiert, und wir verstehen uns großartig.
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Auf meinem Weg nach Hause am nächsten Morgen schreibe ich dem Gastgeber nochmal, um mich zu bedanken, und wir einigen uns darauf, uns das nächste Mal wieder zu treffen, wenn ich in HH bin oder er in Berlin—schließlich habe ich ja auch eine Couch.
- Kontostand: -14€ (Ausgaben für BlablaCar)
- Sharing-Plattformen: BlablaCar, Couchsurfing
- Eingebrachter Besitz: Meine Couch zum eventuellen Tausch
- Fremder genutzter Besitz: Fremde Couch, fremdes Auto
Samstag
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Sogar auf der Rückfahrt wird geteilt und zwar die Taxifahrt. So komme ich sogar noch mit geteiltem finanziellem Einsatz wieder bis vor meine Haustür.Der Sonntag verläuft ganz ruhig. Ich lebe den Großteil des Tages von den Resten der Party und schaue Netflix.Am Abend durchsuche ich meine Küche und finde noch ein paar Lebensmittel, die ich so gut wie nie verwende und bringe diese zum Fair-Teiler—man kann ja nicht nur nehmen.
- Kontostand: -10€ (Ausgaben für private Mitfahrgelegenheit); -5€ (Taxi-Beteiligung)
- Sharing-Plattformen: Kleiderkreisel
- Eingebrachter Besitz: Halbe Flasche Pfeffi, 1 Flasche Klarer, 6 Bier
- Fremder genutzter Besitz: Fremdes Auto, Essen & Getränke von Freunden
Sonntag
- Kontostand: 0€ Ausgaben
- Sharing-Plattformen: Netflix, Foodsharing
- Eingebrachter Besitz: Verschiedene Lebensmittel
- Fremder genutzter Besitz: Essen von Freunden
Nach fast einer ganzen Woche mit der Sharing Economy kann ich sagen, dass man sicherlich einige Aspekte des alltäglichen Lebens mit diesem Konzept bestreiten kann. Allerdings ist bei der Umsetzbarkeit ein Faktor entscheidend—die Zeit. Bei den meisten vorgestellten Apps bzw. Seiten hing der Erfolg extrem davon ab, wie viel Zeit ich investierte, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Sei es Foodsharing, Couchsurfing oder Kleiderkreisel: Man muss konstant seine Apps checken, Nachrichten beantworten und seinen Alltag dementsprechend organisieren—für jemanden mit einem regulären Job ein anstrengendes, wenn nicht sogar unmögliches Unterfangen.Überraschend fand ich, dass die Sharing Economy definitiv nicht nur für große Unternehmen, sondern tatsächlich auch für das Individuum einen Mehrwert bietet. Vielen Nutzern ermöglichen Sharing-Economy-Plattformen durch das permanente oder temporäre Teilen von Besitz einen finanziellen Vorteil—seien es getauschte Kleidungsstücke, Benzingeld, Lebensmittel oder einen Schlafplatz. Man macht auf diese Weise sicherlich kein Vermögen, aber man generiert eine gemeinschaftliche Win-Win-Situation, die auch einen verantwortlicheren Umgang mit Konsumgütern unterstützt.Nach einer Woche mit viel Gemüse, trockenen Brötchen und Organisationsaufwand lege ich jetzt die Füße hoch und bestelle eine Pizza—für mich ganz allein.