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Tortenwerfer fordert nach Morddrohung Löschung von Facebook-Post

Plötzlich streiten wir ums Recht am eigenen Bild, während die AfD-Anhänger dem Tortenwerfer vom Peng!-Kollektiv Hinrichtungsfantasien ins Ohr keuchen. Was ist da schiefgelaufen?

Bei einer nicht-öffentlichen Parteisitzung in Kassel hat Beatrix „Schießbefehl" von Storch am 28.02. eine Sahnetorte ins Gesicht bekommen und guckte ziemlich doof aus der Wäsche. Der als Clown verkleidete Peng!-Kollektiv-Aktivist Jean P. betrat mit einem Kollegen plötzlich „Happy Birthday" singend den Raum und begrüßte von Storch (und Albrecht Glaser) mit einer Sahnetorte.

Bild: Beatrix von Storch | Facebook

In einem Bekennerschreiben rechtfertigten die Aktivisten ihre Aktion mit Argumenten, die auf die entmenschlichende AfD-Rhetorik anspielen: Der Gebrauch von Torten sei derzeit das moralische Gebot der Stunde, der Tortenwurf letztes Mittel „am Grenzbaum zur Unmenschlichkeit und dringlichster Ausdruck direkter Demokratie."

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Die Berliner AfD-Landesvorsitzende nahm den Übergriff natürlich nicht so lässig wie der frühere Minister v.u.z. Guttenberg, der als abgebrühter Medienprofi den Vorfall einfach tapfer weggrinste, als er selbst 2012 in die Flugbahn einer Torte geriet. Ganz im Gegenteil kam Storch der Aufforderung zum „tortalen Krieg" auf ihre ganz eigene Weise nach und reagierte wie zu erwarten mit eiserner Humorlosigkeit und noch viel plumperen Mitteln als geworfener Konditorware: Sie veröffentlichte ein Foto von P. auf Facebook mit dessen vollem Namen, Bildunterschrift: „Einer der beiden Täter."—und gab den Aktivisten so symbolisch zum Abschuss frei.

Die agitierte AfD-Anhängerschaft ließ sich nicht lange bitten und schickte P. nach eigener Aussage telefonisch umgehend Morddrohungen, natürlich nur echt mit einem hinterhergeschickten, alternativ-deutschen „Heil Hitler". „Ich würde dem Arschloch derart die Fresse polieren, dass er aus der Schnabeltasse trinken muss"—auf diesem Niveau bewegen sich die dazugehörigen Facebook-Drohungen neben dem Post von Storch.

Nun möchte P. gerichtlich gegen von Storch vorgehen und will eine Unterlassungsklage durchbringen. Laut Aussage des Medienanwalts Dr. Ansgar Koreng, den Netzpolitik in dieser Sache zu Rate zog, hat er dabei gute Chancen: P. beruft sich dabei auf Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und will erzwingen, dass Storch den Post löscht.

In einem Radiobeitrag untersuchte der Deutschlandfunk inzwischen, was der Tortenwurf eigentlich als politische Waffe taugt, und stellt dem Peng!-Kollektiv so auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Aktion. Denn dass die AfD mit der Aktion „ihr hässliches Gesicht zeigt", wie der Metronaut erklärt— nun diese Feststellung stammt druckfrisch aus dem Ministerium für Offensichtlichkeit. Man fragt sich: Welches Gesicht haben von Storch und ihre Partei denn bisher so gezeigt, wenn nicht ihr hässliches?

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Viel schlimmer: Spielt man der AfD nicht in die Hände, indem man weitere übergriffige Aktionen provoziert und der Landesvorsitzenden eine Steilvorlage gibt für den fürchterlich relativierenden Satz „Wer keine Argumente hat, der reißt Poster ab, zündet Autos an oder wirft mit Torten"?

Zur Frage, wie man der AfD und ihren absurd hohen Umfragewerten kurz vor den Landtagswahlen 2016 beikommen kann, trägt so ein Tortenwurf leider gar nichts bei, außer dem Vorwurf, auch mal physisch übergriffig geworden zu sein.

Wie smarter, hintergründiger Aktivismus auf mehreren Ebenen geht, hat das Peng!-Kollektiv in den vergangenen Jahren vielfach vorgemacht; selbst, wenn sie nur die Kommunikationsguerilla-Strategien der Yes Men auf den deutschen Markt ummünzten.

Gaben sich die Aktivisten als Shell-Vertreter beim Science Slam aus und besudelten dann die Bühne mit einer Ölfontäne, war die Stoßrichtung der Kritik klar und fand vor Ort direkt ihr Publikum. Vom Fake-Projekt Google Nest blieb die Diskussion um einen omnipotent erscheinenden Konzern, der immer mehr unserer persönlichsten Lebensbereiche durchdringt. Die kurzzeitige Vattenfall-Übernahme setzte den Konzern hinsichtlich einer Lösung für die Lausitz unter Druck und kaperte gekonnt dessen PR-Strategie. Das 2015 vorgestellte „Aussteigerprogramm für Geheimdienstler" Intelexit hinterfragte die moralischen Rechtfertigungen von Bespitzelung. Die Aufforderung „Werde Fluchthelfer" stellte unser Vermögen zur Hilfsbereitschaft in Frage und sensibilisierte mindestens für die lebensgefährlichen Reisen, die Flüchtlinge auf sich nehmen. Alle diese Aktionen hatten einen Mehrwert, einen Nachhall, der mehr war als das dumpfe Slapstick-Klatschen einer Sahnetorte.

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Zur Diskussion über die Frage, wie man der AfD und ihren absurd hohen Umfragewerten kurz vor den Landtagswahlen 2016 beikommen kann, trägt so ein Tortenwurf aber leider gar nichts bei, außer dem Vorwurf, auch mal physisch übergriffig geworden zu sein. Mehr als Anwaltsbriefe und verhärtete Fronten sind also diesmal nicht geblieben. Wer die AfD vorher schon untragbar fand, feiert das Peng!-Kollektiv schadenfroh. Wer die AfD wählen will und von Storch unterstützt, wird das auch weiterhin tun, während ein ein Teil ihrer Anhänger sich noch weiter radikalisieren wird.

AfD liefert dümmste aller Ausreden für Beatrix von Storchs „Facebook-Ausrutscher"

Stattdessen werden nun Blog-Posts mit Detailfragen um das Recht am eigenen Bild gefüllt. Derlei Petitessen lenken nur leider vom kometenhaften Aufstieg der Partei ab—und so geht völlig unter, was die Partei—immerhin laut Umfragen drittstärkste Kraft im Bund—in Kassel eigentlich diskutiert hat, um ihr inhaltlich entgegentreten zu können.

Selbst wenn Jean P. die Unterlassungsklage durchsetzen kann, wird das seine Gegner nicht davon abhalten, ihm Hinrichtungsfantasien ins Ohr zu keuchen. Unter anderem, weil er bei seinen vielen öffentlichkeitswirksamen Aktionen mit hunderten Bildern und Klarnamen seit Jahren im Netz vertreten ist—und weil ein Hetzer bereits nach kurzer Zeit Adresse und Telefonnummer des Tortenwerfers öffentlich machte.

Während dieser Post mittlerweile wieder verschwunden ist, löscht von Storch die vielen, anderen hasserfüllten Kommentare unter ihrem Facebook-Post natürlich erstmal nicht: es seien einfach zu viele, um da hinterherzukommen. Und wir wissen ja, wie schwer Beatrix von Storch der gezielte Umgang mit einer Computermaus fällt. Wer hat also nun gewonnen?