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Warum es eine gute Idee ist, bestrahltes Essen zu verkaufen

Selbst Astronauten essen bestrahlte Lebensmittel—warum also nicht auch wir?

So langsam aber sicher ist der Sommer wirklich da, und die Grillsaison ist eröffnet. In Kanada könnte es schon bald passieren, dass viele der Burger-Frikadellen, die auf den BBQs der karnivoren Bevölkerung brutzeln, zuvor eine gute Portion ionisierende Strahlung verpasst bekommen haben. Health Canada, die Abteilung für Gesundheitswesen der kanadischen Regierung, bereitet nämlich gerade einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, der den Verkauf von „bestrahltem Hackfleisch" möglich machen würde, so ein Sprecher gegenüber Motherboard.

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Diese Neuigkeit hat einen etwas beängstigenden Beigeschmack und scheint eher dem Kalten Krieg als dem 21. Jahrhundert zu entspringen. Tatsächlich könnte aber die Bestrahlung unserer Nahrungsmittel eine der geeignetsten Möglichkeiten sein, das Kolibakterium und andere gefährliche, teils sogar lebensbedrohliche Krankheitserreger in den Lebensmitteln abzutöten. Die Kette unserer Nahrungsmittelversorgung wird zunehmend komplexer und geht weit über Landesgrenzen hinaus—ein einziger Ausbruch irgendwo auf der Welt könnte die Gesundheit tausender von Menschen gefährden. Allein in den USA erkrankt jährlich eine von sechs Personen durch kontaminierte Lebensmittel oder Getränke. Und auch in Kanada erleiden etwa vier Millionen Menschen pro Jahr eine Lebensmittelvergiftung.

Es scheint, als würde die Notwendigkeit immer stärker, zumindest bestimmte Lebensmittel mit Strahlung zu behandeln, um diese auch weiterhin bedenkenlos konsumieren zu können.

„Das Problem bei Rindfleisch ist, dass es oft für Hamburger benutzt und dann nicht richtig durchgebraten wird", so der Lebensmittelwissenschaftler Keith Warriner von der kanadischen University of Guelph in einem Interview mit Motherboard. „Diese Krankheitserreger sind hochansteckend", und das erklärte Ziel der Lebensmittelsicherheit ist, Konsumenten so gut wie möglich vor gefährlichen Erregern zu schützen. „Wir müssen immer davon ausgehen, dass die Konsumenten alles falsch machen", erklärte Warriner, „und dass niemand ein Fleischthermometer ins Burger-Fleisch steckt, um die Temperatur der Frikadellen zu überprüfen, bevor er davon abbeißt."

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Bestrahlung wird bei gewissen Nahrungsmitteln schon seit langem angewandt, wie in Kanada beispielsweise für Weizen, Gewürze, Kartoffeln und Zwiebeln. Man könne sich den Prozess in etwa so vorstellen, als würde man diese Nahrungsmittel röntgen, so Warriner. Auch NASA-Astronauten nehmen auf ihren Missionen bestrahltes Essen zu sich. Eine Lebensmittelvergiftung oder gar schlimmeres wäre an Bord der ISS nämlich mehr als nur ungünstig.

In den USA hat die Zulassungsbehörde für Nahrungs- und Arzneimittel FDA auch schon zahlreiche Lebensmittel für dieses Verfahren freigegeben. Angefangen bei Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch bis hin zu Salat und Gewürzen gibt es eine Menge von Produkten, die einer Bestrahlung unterzogen wurden. Diese Lebensmittel erkennt man an einem grünen, kreisförmigen Symbol auf der Verpackung, in dessen Mitte sich eine kleine grüne Pflanze befindet.

„Die Generation Z scheint die Strahlung eher zu akzeptieren", sagte Warrier. „Zu der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, haben wir dabei immer direkt an die Kubakrise und an Atombomben gedacht."

Heutzutage kennen die Menschen die Gefahren von Krankheitserregern in Lebensmitteln besser. Vor allem Kanadier werden den Listeriose-Ausbruch im Jahr 2008 nicht so schnell vergessen, der 22 Menschen das Leben kostete und wahrscheinlich aus einer Fabrik des Nahrungsmittelunternehmens Maple Leaf Foods stammte. Im Nachhinein hatten viele Experten für Nahrungsmittelsicherheit kritisiert, dass die Lebensmittelbestrahlung in Ottawa nicht zugelassen sei. Auch die Fleischindustrie hatte damals gefordert, das Verfahren in der betroffenen Region für Rindfleisch zu genehmigen.

Nun könnten die Wünsche der Befürworter schon bald in Erfüllung gehen.

Natürlich sind nicht alle von der Aussicht auf bestrahltes Essen begeistert. Kritiker der Bestrahlung merken an, dass diese für Veränderungen der Lebensmittel sorge und die Produktion von sogenannten freien Radikalen fördern könnte. Warriner gibt zu, dass solch ein Szenario nicht ausgeschlossen sei, schränkt dieses Bedenken aber sogleich wieder ein. „Bei der geringfügigen Bestrahlung, die bei Lebensmitteln eingesetzt wird, entstehen keine Nebenerzeugnisse", so der Wissenschaftler. „Wenn man ein verbranntes Stück Toast isst, ist die Wahrscheinlichkeit, krebserregende Stoffe zu sich zu nehmen, um einiges höher als bei bestrahlter Nahrung."

Ein großer Nachteil bestrahlter Nahrung sei aber laut Warrier der Geruch nach „nassem Hund". Dieser hafte nach dem Verfahren vor allem Fleisch an. Bei einer geringen Bestrahlung sollte sich dieses Problem jedoch im Rahmen halten.

Letzten Endes ist es ganz klar, dass jeder von uns lieber unbestrahlte Burger als bestrahlte essen will. Wenn unser immer stärker international vernetztes Ernährungssystem uns alle jedoch auch weiterhin mit sicheren Lebensmitteln versorgen sorgen soll, dann müssen wir uns wohl oder übel Methoden wie die Lebensmittelbestrahlung einfallen lassen. Daran führt in der Zukunft leider kein Weg vorbei.