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2.000 Nutzer haben offenbar gerade den BND bezwungen

Der BND sagt, er speichert jetzt weniger Telefondaten. Elf Tage zuvor haben über 2.000 Menschen genau das verlangt. Zufall?
Außenstelle des BND in Bad Aibling  || Bild: imago | Sven Simon 

Wenn sich Internetnutzer für ein gemeinsames Ziel einsetzen, kann daraus mehr werden als ein schnöder Trending Hashtag. Das haben jetzt 2.000 Menschen bewiesen. Denn sie haben den deutschen Auslandsgeheimdienst BND offenbar innerhalb von zehn Tagen dazu gebracht, eine unangenehme Überwachungspraxis zu verändern – die Speicherung und Auswertung von Telefondaten.

Konkret geht es um VerAS, das sogenannte Verkehrsanalysesystem. Es ist eine der größten Datenbanken des BND und enthält Metadaten aus Telefongesprächen, also wer mit wem wann wie lange telefoniert. Der Geheimdienst speichert etwa Daten in VerAS, wenn Nutzer einen Kontakt im Ausland anrufen oder selbst im Ausland mit einem Kontakt im Ausland telefonieren. Die Daten dieser Telefonate speichert der BND nicht nur für Verdächtige, sondern auch für deren Kontakte, und zwar bis zur fünften Ebene. Das heißt, der BND speichert auch die Daten aller Kontakte eines Verdächtigen (1. Ebene), sowie die Daten der Kontakte dieser Kontakte (2. Ebene) – und immer so weiter. Eine exponentiell steigende Menge an Daten. Selbst die NSA durfte nur bis zu drei Ebenen speichern.

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Längst haben Forscher berechnet, über wie viele Ecken eigentlich jeder Mensch auf der Welt mit jedem bekannt ist. Dieses sogenannte Kleine-Welt-Phänomen besagt, dass alle Menschen auf der Welt mit allen anderen Menschen über 5,5 Zwischenstationen bekannt sind. Für den BND bedeutet das: In der Datenbank VerAS könnte prinzipiell jeder landen, eine eigene Vorratsdatenspeicherung.

Dabei darf der BND eigentlich nur in wenigen Ausnahmefällen Deutsche überwachen. Dass VerAS offenbar rechtswidrig ist, hatte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff bereits im Jahr 2016 in einem geheimen Prüfbericht festgestellt, den netzpolitik.org veröffentlichte. Voßhoffs Ermahnung hat jedoch keine bindende Wirkung.

Bindend ist aber das Urteil in einem Einzelfall, über den das Bundesverwaltungsgericht im Dezember 2017 entschieden hat. Der Verein "Reporter ohne Grenzen" hatte geklagt und verlangt, dass der BND diese Metadaten für die Vereinsmitglieder nicht mehr speichern darf. Der Verein bekam Recht – und entschied sich, dass andere Bürger seinem Beispiel folgen sollten. Mit juristischer Hilfe erstellte Reporter ohne Grenzen einen "Widerspruchsgenerator". Damit konnte jeder den BND mit Bezug auf das gesprochene Urteil auffordern, auch die eigenen Daten aus der Datenbank zu tilgen.

Über 2.000 Menschen nutzten den Generator von Reporter ohne Grenzen

Funktioniert hat dieser Generator für jeden Bürger, da das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hatte, es fehle allgemein eine gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung des BND. Demzufolge hätte jeder Bürger gegen den Geheimdienst klagen können.

Innerhalb von zehn Tagen hatten 2.000 Menschen entsprechende E-Mails für den BND generiert und abgeschickt. In jedem juristischen Schreiben wurde der BND aufgefordert, die Unterlassung der Speicherung innerhalb von zehn Tagen zu bestätigen. Passenderweise reagierte der BND elf Tage später und verfasste sogar eine Pressemitteilung: "Die Vorgaben des Gerichts in Bezug auf VERAS hat der BND bereits umgesetzt." Auf die 2.000 Anträge müsse die Behörde zudem nicht reagieren, schließlich hätten die Personen nicht einmal eine gültige Ausweis- oder Passkopie mitgeschickt.

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Was dafür spricht, dass der BND doch auf die 2.000 Anfragen reagiert hat

Der BND erweckt damit den Eindruck, nicht etwa die Flut von 2.000 Anträgen hätte ihn zum Einlenken gebracht. Dabei hatte der Verein Reporter ohne Grenzen die gelungene Aktion längst mit einer triumphalen Pressemitteilung vermeldet. Ob der BND tatsächlich wegen der 2.000 Briefe eingelenkt hat, lässt sich abschließend nicht belegen, aber es gibt Hinweise dafür.


Ebenfalls auf Motherboard: Totalüberwachung für 150 Euro


Bevor der "Widerspruchsgenerator" online ging, hat Reporter ohne Grenzen nämlich ausprobiert, welche juristischen Feinheiten ein solcher Brief an den BND berücksichtigen muss, damit er Erfolg hat. Mehrere Privatpersonen erhielten auf diesem Weg eine positive Antwort des BND, und zwar ohne ihren Ausweis vorzeigen zu müssen. Zumindest damals war dem Verein zufolge noch keine Rede davon, dass der BND die umstrittene Speicherung allgemein anders geregelt habe.

Motherboard hat mehrmals beim BND nachgefragt, ab wann die Sammlung der Telefondaten umgestellt wurde. Eine Sprecherin verwies aber nur auf die offizielle Mitteilung des BND, ohne auf die Frage näher einzugehen.

Was genau nun an VerAS geändert wurde, um der aktuellen Rechtsprechung gerecht zu werden, hat der BND auf Nachfrage nicht verraten. Auch Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, ist überfragt: "Wir wissen durch das BND-Schreiben nicht, wie VerAS im Detail umgestellt worden ist. Darüber schweigt sich der Geheimdienst erwartungsgemäß aus", sagt er im Gespräch mit Motherboard. "Unsere Erkenntnisse aus dem Gerichtsprozess und Schriftwechseln im Nachgang lassen jedoch nur den Schluss zu, dass der BND kürzlich VerAS umgestellt haben muss, als der BND-Generator von uns veröffentlicht wurde."

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