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Falscher YouTuber verbreitet Panik vor angeblichem Disneyland-Amokschützen

Erst jagt ein 22-Jähriger Menschen in einem Freizeitpark Todesangst ein. Dann behauptet er, alles sei nur ein YouTube-Prank. Offenbar stimmt nicht mal das. Für den Disney-Gast hat der Fall jetzt Konsequenzen.
Bild: imago | Imagebroker

Als Dillion B. am 28. Mai an die Hotelrezeption des Disney's Contemporary Resort in Florida tritt, will er nicht etwa ein Zimmer buchen. Er möchte auch nicht Mickey Mouse im Freizeitpark treffen. "Wahrscheinlich suchen sie mich gerade", sagt Dillion B. der Rezeptionistin. "Warum?", fragt diese. Dann erklärt der 22-Jährige, er habe gerade herumerzählt, dass hier ein Amokschütze unterwegs sei.

Wenig später wird Dillion B. von der Polizei festgenommen und zu drei Tagen Gefängnis verurteilt. So berichten es zahlreiche Medien wie die Washington Post unter Berufung auf Berichte der örtlichen Behörden. Die Geschichte vom vermeintlichen Schützen hatte Dillion B. demnach frei erfunden.

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Zunächst soll Dillion B. einer anderen Hotelmitarbeiterin erzählt haben, es gebe einen Schützen auf dem Gelände und man müsse sofort evakuieren, wie die Washington Post berichtet. Nach der entsetzten Reaktion der Mitarbeiterin habe Dillion B. aber sofort eine andere Geschichte ausgepackt, berichtet die Zeitung mit Bezug auf entsprechende Gerichtsakten. Demnach habe Dillion B. erklärt, er wolle nur Leute erschrecken, um ihre Reaktionen für ein YouTube-Video aufzuzeichnen. Auch an der Bushaltestelle vor dem Hotel soll Dillion B. von einem Schützen erzählt haben.

Medien glauben dem 22-Jährigen, dass er YouTuber ist

Vieles spricht dafür, dass der 22-jährige verwirrt war. Den Polizisten soll er gesagt haben, er sei betrunken, wie die Post berichtet. Nach seiner Beichte vor der Hotelrezeption habe sich Dillion B. noch vor dem Hotelmanager gerechtfertigt und von einem "Schulprojekt" gesprochen, bis die Sirenen der Polizei zu hören gewesen seien. Dann sei Dillion B. laut Polizeibericht davon gelaufen und habe sich im Gebüsch versteckt.

Aus dieser wirren Geschichte geht deutlich hervor, dass es Dillion B. mit der Wahrheit wohl nicht so genau genommen hat. Trotzdem haben dutzende Medien eine seiner Behauptungen einfach geglaubt und als Fakt verbreitet: Dass er YouTuber sei.

Das Tech-Blog Gizmodo spricht in einer Schlagzeile von einem "Drunk YouTuber"; das Magazin Futurezone titelt: "Betrunkener YouTuber schockiert Disney-World-Gäste". Auch die Washington Post lässt in ihrem Titel keinen Zweifel daran, dass es sich bei Dillion B. tatsächlich um einen YouTuber handele.

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Dabei deutet vieles darauf hin, dass Dillion B. das YouTuber-Dasein ebenso erfunden hat wie den vermeintlichen Schützen im Freizeitpark. Ein entsprechender YouTube-Kanal lässt sich per Suchanfrage nicht finden; auch eine Google-Suche mit dem vollen Namen des 22-Jährigen liefert keine Ergebnisse über einen aktiven oder gar erfolgreichen Videomacher.


Ebensfalls auf Motherboard: Zu Gast im japanischen Hotel, das von Robotern geführt wird


Natürlich haben viele YouTuber einen Künstlernamen; ihr realer Name ist aber in der Regel trotzdem in Fanforen und Fan-Wikis zu finden. Die Polizei hat auch ein Bild von Dillion B. veröffentlicht, doch eine umgekehrte Google-Bildersuche liefert keine Hinweise darauf, dass dieses Gesicht einem Influencer gehört. Auch andere Medien berichten davon, dass sie den Kanal von Dillion B. nicht finden konnten.

YouTuber-Prankster als Vorbild

Ein YouTube-Sprecher konnte auf Nachfrage von Motherboard zunächst nicht bestätigen, ob Dillion B. YouTuber ist oder nicht. Falls er einen YouTube-Account besitzt, ist er allem Anschein nach höchstens ein Nutzer der Plattform, aber kein YouTuber mit einer großer Fangemeinschaft.

Wahrscheinlich hat die Geschichte für viele Berichterstatter einfach zu gut ins Bild des verantwortungslosen Internet-Stars gepasst, der für Klicks und Ruhm Grenzen verletzt. In der Vergangenheit gab es vermehrt Geschichten von Prankstern und Social-Media-Stars, die offenbar den Bezug zur Realität verloren haben. Häufig gibt es in den Medien Debatten über die Verantwortung, die YouTuber mit ihrer Vorbildfunktion für ihre jungen Fans haben.

Im September 2017 etwa stand der deutsche YouTuber ApoRed wegen eines öffentlichen Pranks vor Gericht. Er hatte so getan, als wollte er auf einer öffentlichen Straße eine Bombe legen – und wurde wegen Nötigung, Körperverletzung und Störung des öffentlichen Friedens zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Im Juni 2017 hat eine YouTuberin in den USA versehentlich ihren Freund erschossen. Offenbar wollte das Paar vor laufender Kamera beweisen, dass ein dickes Lexikon den Schuss einer Pistole aufhalten kann. Konnte es aber nicht.

Selbst wenn Dillion B. kein YouTuber ist, ganz offensichtlich hat er sich die gefährlichen Aktionen einiger YouTube-Prankster zum Vorbild genommen – und nachgeahmt.

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