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The Holy Cow Issue

Ist diese seltene, 2000 Jahre alte weiße Rinderrasse die Zukunft der Gastronomie?

Die Tiere gelten in den USA nicht als wild, doch sie verhalten sich wie Wildtiere. Ein Vorteil, finden viele Farmer, denn so können sie Kojoten und sogar Grizzlybären selbst vertreiben.

Ein Weißes Parkrind grast auf Alec Bradfords Farm Leaping Waters in Alleghany Springs, Virginia. Die britische Regierung ernannte die seltene Art einst zum nationalen Kulturgut. Fotos von Tim Schutsky

Aus der The Holy Cow Issue

Als Alec Bradford das Tor öffnete und einen langen, gellenden Ruf ausstieß, stürmten etwa 100 riesige, weiße, gehörnte Rinder auf uns zu. Sie liefen über eine abgegraste Weide, durchs Tor und auf eine unberührte, saftige Wiese. Wir folgten auf die Weide und standen inmitten der Herde Weißer Parkrinder. Von der seltenen britischen Art gibt es nur noch wenige. Manche hatten mit ihren dünnen schwarzen Augenbrauen, die ihre Stirn zierten, einen fast menschlichen Ausdruck; andere hatten welliges Haupthaar. Die eindrucksvollen Hörner verliehen ihren Wiederkäuergesichtern etwas Mythisches.

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Die Rinder sind auf Bradfords 282 Hektar hügeligen Weidelands in Alleghany Springs, Virginia, zu Hause. Die Rasse ist besonders, weil sie aufgrund ihrer sagenumwobenen und königlichen Abstammung—die während des Zweiten Weltkriegs die britische Regierung bewegte, sie auf einer Art modernen Arche nach Kanada zu exportieren—noch nie etwas außer selbst gesuchter Nahrung gefressen hat. Die Gene der Art sind seit Jahrtausenden gleich. Der 40-jährige Bradford erklärte mir, diese Ernährung führe zu gesünderem, schmackhafterem Fleisch. Er plant, diesen Sommer ein Burger-Restaurant in Charleston, South Carolina, zu eröffnen, wo er das Fleisch verkaufen wird.

An jenem Abend würden wir Weißes Parkrind essen, doch draußen auf der Weide hatte ich das Gefühl, die Rinder hätten die Oberhand. Die Tiere gelten in den USA nicht als wild, doch sie verhalten sich wie Wildtiere. Ein Vorteil, finden viele Farmer, denn so können sie Kojoten und sogar Grizzlybären selbst vertreiben. Da ich mit Bradford gekommen war, beruhi­gten sie sich bald über meine Ankunft. Manche kamen neugierig auf mich zu, starrten und gaben ein heulendes "Muh" von sich. Doch Bradford sagte: "Wenn ich nicht hier wäre und sie sich angegriffen fühlen würden, dann würden sie aggressiv werden." Ihre Taktik: Sie bilden einen Halbkreis um den Feind, senken die Hörner auf Bodenhöhe, und dann marschieren sie gleichzeitig vorwärts. Nein, danke.

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Als ich den Rindern beim Weiden zusah, kam es mir komisch vor, sie mir als Cheeseburger vorzustellen, vor allem angesichts ihrer Geschichte. Irische und walisische Schriften aus den ersten Jahren unserer Zeitrechnung erwähnen sie, genau wie Aufzeichnungen der römischen Invasoren der britischen Inseln im ersten Jahrhundert. Druiden galten sie aufgrund ihres weißen Fells als heilig und als beste Opfertiere. Sie liefen bis ins Mittelalter hinein frei durch britische Wälder, bevor sie in großen Gebieten eingezäunt wurden—noch immer wild, aber eingeschränkt. Als Hungersnot und Krieg ihre Artgenossen ausrotteten, überlebten die Rinder auf den Koppeln der Adligen, als stolzer Besitz und gelegentliche Jagdbeute.

Zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sorgte sich die britische Regierung, dass die Bomben der Nazis das Aussterben der Rinder bedeuten könnten. "Sie galten als nationales Kulturgut", sagte Jeannette Beranger von der NGO The Livestock Conservancy, die Weiße Parkrinder und andere seltene Arten erforscht. Eine Handvoll Rinder wurde also in den Zoo von Toronto evakuiert, ihr Nachwuchs wurde in den Bronx Zoo gebracht. Von dort gelangten sie auf ein paar nordamerikanische Ranches, wo sie mit wenigen Ausnahmen von anderen Rassen isoliert gehalten wurden und sich mit Gras ernährt haben.

Alec Bradford

Nicht lange nach Kriegsende wandten sich amerikanische Rinderfarmen der Getreidefütterung und schließlich der heute verbreiteten Massentierhaltung zu. 70 Jahre entsprechen drei menschlichen Generationen, doch für Kühe, die im Alter von 14 bis 18 Monaten geschlachtet werden, ist das genug Zeit, um sich genetisch auf eine völlig neue Ernährung einzustellen. Bauern, die Rinder selektieren, die sich mit reiner Maisfütterung gut mästen lassen, beschleunigen diesen Prozess. Während also das Weiße Parkrind seine ursprüngliche, natürliche Ernährung beibehielt, wurde der Speiseplan anderer Rinder radikal auf Mais umgestellt.

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Doch ein Rinderkörper ist nicht auf massenweise Mais ausgelegt. "Es geht", sagte Beranger. "Aber sie sind dafür nicht gemacht." Die Kohlenhydrate im Mais können zu erhöhter Magensäureproduktion führen. Manche Rinder vertragen das besser als andere, doch bei großen Mengen leiden sie meist Schmerzen. "Diese Tiere haben sich über Jahrtausende entwickelt, und wir kennen Mais erst seit Christopher Columbus", sagte sie.

Bradford wurde etwas deutlicher. "Sie verfüttern etwas, das die Rinder nicht verdauen können", erklärte er mir, während wir mit seinem schlammverkrusteten Truck in einem Feld standen. "Wenn sie länger leben dürften als 16 Monate, wären sie von Krebs zerfressen."

Weiße Parkrinder seien robuster, sagte er, denn während die kommerziell gezüchteten Arten sich zu schnellem Wachstum auf Maisdiät hin entwickelt hätten, seien diese Tiere nach Jahrtausenden der Futtersuche wie Überlebensmaschinen, die so gut wie alles in Muskeln und Fett verwandeln könnten.

Wes Henthorne ist Ranchmanager der B Bar Ranch in Big Timber, Montana, und ein Experte für Weiße Parkrinder. "Weiße Parkrinder kommen mit weniger zurecht", verglich er es mit Autofahren. Sie fressen kohlenhydratarme Gräser statt kalorienreichem Mais. "Dafür wachsen sie langsamer. Die meisten Menschen in der Industrie wollen Gas geben. Sie wollen mehr Leistung und der Verbrauch ist ihnen egal." In anderen Worten: Das Leben der Tiere ist ihnen egal. Sie wollen schneller größere Rinder. Bradford lässt sich dagegen etwas Zeit; er hat 370 Weiße Parkrinder, von denen nur wenige auf einmal geschlachtet werden.

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Wir fuhren die paar Kilometer von der Farm zu Bradfords Haus. Der Bach vor seinem Grundstück war über sein Bett getreten und in der Auffahrt stand nach einer Überschwemmung 30 Zentimeter hoch das Wasser. Bradford fuhr an den 14 Notpferden vor seinem Haus vorbei, die seine Familie aufgenommen hatte, und parkte das Auto. Sein Sohn Aidan verteilte mit einem Minitraktor Heu an die Pferde, während Hunde der Familie und der Nachbarhöfe um Bradford he­rumsprangen und kläfften.

Auch für die Menschen war es Zeit, zu Abend zu essen: Butternusskürbissuppe und geschmorte Querrippe vom Weißen Parkrind. Es war köstlich, doch der Geschmack war etwas abgeschwächt, denn das Fleisch serviert man am besten roh oder ganz leicht angebraten. Blutig "kann man schmecken, was sie fressen", sagte Bradford. "Frühlingszwiebeln, Alfalfa oder Klee. Wenn du es vor dem Grillen marinierst, hast du den Geschmack ruiniert."

Vor drei Jahren habe ich in einem Restaurant in Alabama ein Steak von Bradfords Weißen Parkrindern gegessen, das so schmackhaft war, dass ich heute noch davon träume. Jetzt, wo ich seine Verwandten kennengelernt habe, weiß ich es noch mehr zu schätzen.

Am folgenden Morgen fuhren wir mit drei von Bradfords Kindern und einem seiner Hunde zur Farm zurück. Die Kinder reinigten einen kleinen Schweinestall und spielten auf dem Heuboden der Scheune. Wir fuhren auf einen Hügel, wo Kühe und Stiere friedlich in der Sonne grasten.

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Weiße Parkrinder haben seit Jahrtausenden dieselbe Ernährung und Verdauung beibehalten, was ihr Fleisch schmackhafter und sehr gefragt macht.

Vom Truck aus überblickten wir die aufgeräumt wirkende Farm. "Sie ist zu klein für staatliche Subventionen", sagte er. Doch sie sei auch zu groß, um mit dem Verkauf auf Bauernmärkten über die Runden zu kommen, also halte er sein Unternehmen damit über Wasser, dass er sein Rindfleisch an Restaurants und zwei solidarische Landwirtschaftsprogramme verkaufe.

Es ist wirtschaftlich nicht leicht: Rinder müssen in den USA in einer vom Landwirtschaftsministerium USDA inspizierten Einrichtung geschlachtet und zerteilt werden. Große Schlachthäuser könnten günstige Preise bieten, doch ihre Angebote begännen bei 1.000 Tieren pro Monat und sie seien größtenteils im Mittleren Westen angesiedelt, so Bradford. Kleine, lokale Betriebe verlangen 1.200 Dollar pro Tier. Das sei der größte wirtschaftliche Faktor für seine Farm, sagte er. Gegen ein Pfund Hack von der Schulter für 2.99 Dollar kommt man schlecht an, wenn man nicht unter 8 Dollar gehen kann.

Manche Restaurants stört der Preis nicht: Das Le Bernardin in Manhattan serviert seit sieben Jahren regelmäßig das fein marmorierte, magere Fleisch des Weißen Parkrinds. Das Rose's Luxury in Washington, D.C., hatte sechs Monate lang ein Carpaccio auf der Speisekarte.

Mit seinem Restaurant will er eine neue Strategie ausprobieren, die ihm den schlechten Handel mit dem Schlachthaus ersparen und seinen Betrieb etwas stärken könnte. Seine Rinder sollen in einem kleinen, zugelassenen Schlachthaus für 75 Dollar pro Tier geschlachtet und gekühlt werden. Das Fleisch wird am Stück dem Restaurant geschickt und erst dort, vor Ort, zerteilt—große Stücke gibt es an der Fleischtheke und das Hack wird zu Burgern verarbeitet, die sich Bradford als regionale Spezialitäten im mittleren Preissegment vorstellt. "Du kriegst einen Cheeseburger, ein Glas Wein und handgeschnittene Pommes für 13 Dollar", sagte er mir.

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Großbritannien evakuierte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Weiße Parkrinder, um sie vor den Bombenangriffen der Nazis zu beschützen.

"Wir kennen die Kuh beim Namen und ich weiß, in welchem Feld sie ihr ganzes Leben lang stand und wie sie bei der Schlachtung behandelt wurde." Er schien besorgt, wie ein Trittbrettfahrer der Hipster-Gastronomie zu wirken, und fügte hinzu: "Es klingt nach einer Abwandlung der regionalen Küche, aber wir sehen sonst wirklich keinen Weg, wie kleinere Farmen überleben

Bradford hat nicht nur für seine eigene Ranch Hoffnung. "Wenn es bei uns klappt, dann würde es auch bei anderen Farmen klappen. Ich wünsche mir, dass irgendwann jedes Städtchen Unternehmen aufbaut, die direkt bei örtlichen Landwirten einkaufen."

Im Laufe der letzten zehn Jahre ist das Vom-Hof-zum-Tisch-Essen immer mehr im Mainstream angekommen, doch die Zahl der mittelgroßen Landwirtschaftsbetriebe ist laut USDA gesunken. "Für die kleinen Höfe gab es dank dem Trend zum 'Farm Chic' ein wenig Wachstum", sagte Bradford, "aber Betrieben meiner Größe geht es von beiden Seiten an den Kragen."

Während er mir seine Vision für die mittelständische Landwirtschaft in den USA erklärte, liefen seine Rinder um den Truck—einige von nur ein paar Tausend auf dem gesamten Planeten. Im Laufe ihrer Geschichte haben diese Tiere Menschen bereits als vieles gedient: rituelle Opfertiere, königliche Jagdfauna, nationales Kulturgut. Wenn Bradford erfolgreich ist, können die Rinder ihrer Vita bald "Retter" hinzufügen können."