FYI.

This story is over 5 years old.

Paris

Der richtige Rhythmus zählt nicht nur beim Sex

Simone Tondo, junger Chefkoch und Besitzer vom Roseval in Paris, erklärt uns, warum gutes Essen kein großartiges Restaurant ausmacht und was Sex damit zu tun hat.

Ich trinke Kaffee mit Simone Tondo, dem Chefkoch und Besitzer von Roseval, einem winzig kleinen Bistro im 20. Arrondissement in Paris. Als er ankommt, behauptet er beharrlich, dass wir uns schon mal in seinem Restaurant kennen gelernt hätten, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Es dauerte nicht lange bis mir klar wird, dass Beziehungen für Tondo wichtig sind—für ihn ist das Kochen eine Art, mit den Leuten um sich eine Verbindungen aufzubauen.

Anzeige

VIDEO: Chef's Night Out mit Simone Tondo

„Ich möchte als liebenswürdig in Erinnerung bleiben. Nur wer ein guter Mensch ist, kann auch ein guter Koch sein. Man teilt etwas mit den Leuten, also muss man sie auch mögen", verkündet er. Kurz darauf korrigiert er sich mit einen schüchternen Lächeln: „Wobei, nein, ein Chefkoch. Auch ein schlechter Mensch kann ein Koch sein."

Ich bohre nach und frage ihn nach dem Unterschied zwischen einem Koch und einem Chefkoch. „Ein Koch bereitet Gerichte zu, ein Chefkoch konzipiert sie", sagt er. Und was ist er? „Ich mag beides."

Zum Glück. Denn seit Tondos früherer Geschäftspartner und zweiter Chefkoch Michael Greenwold im September 2014 ausstieg, legt er eine Ein-Mann-Show hin. Roseval, das seinen Namen einer Kartoffelsorte zu verdanken hat, befindet sich in einer der kleinen Seitenstraßen im etwas schmuddeligen Viertel Ménilmontant am Rive Droite und wurde 2012 eröffnet, als Tondo erst 23 war. Es wurde schnell zu einem Paradies für alle, die frische, natürliche Aromen schätzen. 2013 wurden Tondo und Greenwold mit dem Le Fooding-Award für das beste Restaurant ausgezeichnet.

Tondo steht der Trennung von seinem Geschäftspartner positiv gegenüber und sah es als eine Gelegenheit, nach drei Jahren ein Résumé zu ziehen und sich darüber Gedanken zu machen, wo die Reise noch hingehen soll. Das Resultat ist laut Tondo ein „klarerer, präziserer und wahrscheinlich einfacherer" Ansatz—weniger Zutaten, klassischer. „Zum Experimentieren war es zu spät", sagt er. „Die Leute wollen Beständigkeit."

Anzeige

Obwohl er seine Wurzeln in Sardinien hat, kocht Tondo kein italienisches Essen. Er beschreibt seinen Stil als eine Mischung aus „französischen technischen Grundlagen, den Aromen Italiens und die Produkte, die gerade erhältlich sind." Er erklärt mir den Unterschied zwischen den beiden europäischen Küchen: „In Italien ist Bitterkeit ein typischer Geschmack, man muss nur an Oliven, Anchovis oder Pecorino denken. In Frankreich sind die Aromen weicher, runder—mehr Fett. Auch gut, aber nicht sehr viel Säure."

SCREENSHOT 5

Die größte Herausforderung sieht er darin, die Gaben der Natur zu betonen, ohne es zu übertreiben. Und wie weiß man, dass man es richtig gemacht hat? „Man spürt es", lacht er, als würde er an seine Kunden denken. „Schweigen ist kein gutes Zeichen."

„Bei einem Restaurant geht es nicht nur um gutes Essen—sondern auch um Lächeln, Schnelligkeit … und den richtigen Rhythmus. Der ist wichtig, wie bei allen guten Dingen—Konzerten, Sex, Autos—wenn du 200 km/h fährst, kannst du nicht mehr anhalten. Wenn du Liebe machst, kannst du nicht einfach 40 Minuten Pause einlegen. Mit Essen ist es das gleiche."

Obwohl Tondo viel Wert auf die Einrichtung und Stil setzt, weiß er auch um die Wichtigkeit des Service. Das Lokal ist klein und es gibt jeden Abend nur ein Menü für maximal 20 Gäste. Dadurch können sich die Mitarbeiter die Zeit nehmen, die Gerichte und die Weine ausführlich zu erklären.

„Ich freue mich, wenn die Leute mein Essen mögen. Ich wünsche mir ein volles Lokal, glückliche Mitarbeiter und interessante Leute", sagt Tondo. Er interessiert sich sowohl für die Leute um ihn, als auch für die Umgebung. Ménilmontant ist das Zuhause einer großen nordafrikanischen Gemeinde und Tondo sagt, er würde gerne Arabisch lernen. „Ihre Kultur ist gar nicht so anders als die mediterrane."

Während unseres Interviews erhielten wir beide die Benachrichtigung über den Angriff auf das Büro von Charlie Hebdo. Verständlicherweise schweiften seine Gedanken schnell auf die Auswirkungen auf die Leute um ihn herum ab. „Das ist nicht gut für Ménilmontant", sagt er nachdenklich.

Auf lange Sicht träumt Tondo davon, nach Sardinien zurückzukehren und seine neuen Protégés mitzunehmen, um dort ein Restaurant zu eröffnen. Obwohl er sich bewusst ist, dass er sich über die Zukunft Gedanken machen sollte, gibt er zu, Entscheidungen oft kurzfristig aus dem Bauch heraus zu treffen. „Solange ich ein gutes Gefühl habe und glücklich bin, werde ich bleiben", sagt er „Sobald Roseval nicht mehr interessant ist, war's das."