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Dieser Uber-Klon ist der App-gewordene Beweis des russischen Alltagsrassismus

Die russische App CityMobil bietet jetzt auch die Möglichkeit, sich einen reinrassigen slawischen Fahrer vermitteln zu lassen.
​Bild (Ausschnitt): Chris / ​FlickR | ​CC BY SA 2.0

​Wenn du in Moskau von A nach B kommen willst, reicht es eigentlich, an einer Straßenecke die Hand zu heben. Irgendjemand, der ein Auto hat und gerade Geld braucht, hält an, kurbelt das Fenster runter und fragt: Wohin? Ihr verhandelt über den Preis und du steigst ein. Das Ganze nennt sich „Bombila" und war gewissermaßen die erste Version von Uber, lange bevor es ​Uber, Apps und Smartphones gab.

Seit einiger Zeit gibt es nun auch russische Uber-Klone, die nach dem gleichen Prinzip per App den Service von selbsterklärten Taxifahrern vermitteln: Du überlegst dir, wo du hin willst, tippst das in die App ​„CityMobil" ein und ein privater Fahrer holt dich ab. Seit neuestem wartet CityMobil leider zusätzlich auch mit einer unschönen Rassismus-Funktion auf: Wer will kann sich in der App von CityMobil einen „slawischen" Fahrer bestellen. Kindersitz – check, Klimaanlage – check, reinrassiger Fahrer – check. Und los geht's.

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Alltagsrassismus trifft auf Sharing-Economy-Populismus

CityMobil ist nicht die einzige russische Taxi-App, die mit Rassismus Geld verdienen will. Bei dem russischen Dienst ​GetTaxi verwandelten sich die ausländisch klingenden Namen vor kurzem wie von selbst in sehr russisch anmutende: Aus Fahrern namens Damir wurde durch einen kleinen manuellen Eingriff der App-Macher Danilo, aus Erdschan wurde Evgenij.

Die Auswahlkriterien bei der russischen Taxi-App CityMobil.

Die Auswahlkriterien bei CityMobil. Bild: CityMobil / Screenshot. 

In der Umbenennung der Taxifahrer bei GetTaxi und der diskriminierenden Funktion von CityMobil verbinden sich zwei unterschiedliche Phänomene zu einer unangenehmen, technikgewordener Xenophobie: Russischer Alltagsrassismus und der gnadenlose Populismus von Sharing-Economy-Apps, der einem ethisch verantwortlichen Unternehmertum nur allzu oft im Weg steht. Aber zunächst einmal zu Ersterem.

Geographisch gesehen ist Russland die halbe Welt: Im Westen grenzt es an Polen (naja, zumindest Kaliningrad) im Osten an China und Nordkorea. Dazwischen leben ungefähr ​160 verschiedene Ethnien. Es gibt ihn also gar nicht, den Russen. Wenn man jetzt noch all die Gebiete dazuzählen würde, die Russland als Einflusssphäre betrachtet, würde es erst richtig bunt.

Das hält Moskauer Nationalisten aber nicht davon ab, Bürgerwehren zu bilden und Leute zu verprügeln die nicht so weiß sind wie sie. Erst im Oktober zog ein Haufen randalierender Nazis durch Süd-Moskau, schmiss Scheiben ein, zündete ein paar Läden an und zertrümmerte Melonen auf dem Boden, denn Melonen bringen ja die Migranten mit. Später griff der Mob noch einen Großmarkt an, auf dem man kriminelle Einwanderer vermutete. Um die Situation zu entschärfen und den aufgebrachten Mob zu beruhigen, stürmte die Moskauer Polizei daraufhin am nächsten Tag eben diesen Großmarkt und ​nahm 1200 Leute fest. Die Polizei wollte dem Mob vorführen, dass auch sie etwas gegen die Immigranten tue.

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Politisch gesehen schlagen GetTaxi und CityMobil in die selbe Kerbe, wie die Moskauer Polizei: Der Gründer von GetTaxi ​behauptete später, die Umbenennung der Fahrer in russische Namen sei ein Experiment gewesen, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Ausländisch klingende Fahrer seien nämlich immer schlechter bewertet worden als russische. Rassismus fände er auch nicht gut, aber mit russischen Namen bekommen seine Fahrer eben bessere Bewertungen.

Diese Argumentation ist ein typisches Beispiel für einen gefährlichen Sharing-Economy-Populismus—und der geht ungefähr so: In der Sharing Economy mit AirBnB, Uber und Co kann jede Person Kunde und Anbieter sein. Die Firmen verstehen sich nur als Plattform. Wenn die Nachfrage der Kunden auf das entsprechende Angebot trifft, wird das schon in Ordnung sein. Diese Form einer gewissen kollektiven Teilung und gemeinsamen Nutzung  privater Besitztümer soll laut der Befürworter durchaus den Wohlstand aller steigern—aber sie droht eben auch einem gnadenlosen Populismus Vorschub zu leisten, in dem sich die Anbieter der Sharing-Plattformen sich von jeglicher Verantwortung für ihr Produkt problemlos befreien können.

Der russische Uber-Klon mit einer Prise Alltagsrassismus.

Bild: Masha Rasterjasha / MOTHERBOARD.

Wenn die Kunden lieber reinrassige Fahrer oder welche mit einheimischen Namen wollen, bekommen sie die eben. Da kann das Unternehmen ja nichts dafür, man ist ja nur Plattform. Es wird sicher spannend zu beobachten sein, was passiert, wenn die Sharing Economy verstärkt in Deutschland Fuß fasst. Vielleicht gibt es ja auch hierzulande Menschen, die bereit sind, für einen deitschen Fahrer mehr zu bezahlen, oder ihr Zimmer günstiger an einen deitschen AirBnB-Nutzer zu vermieten?

Auch in Deutschland haben die Prinzipien einer Plattform-orientierten Sharing Economy schon interessante Start-up-Konzepte hervorgebracht: ​Piggy Bank Girls zum Beispiel bietet „Girls" eine persönliche Finanzierungs-Plattform. Dort können sie einem Sugardaddy Nacktfotos und Videos von sich anbieten—im Gegenzug finanzieren die spendablen Herren dann die Projekte der Mädels. Die Anbieter gehen dabei von folgenden Grundannahmen aus: Solange die Sach legal ist, sich Kunden und Anbieter finden und der Laden läuft, kann das so falsch nicht sein. Von ​Sexismus und dem Prostitutions-Diskurs distanzieren sich die Anbieter natürlich, während sie Körper als ultimative Ware für eine Art privates Crowdfunding anbieten.

Spätestens hier schlägt das gute alte Mantra von der absoluten Rechtmäßigkeit des Marktgesetzes zu: Wenn's jemand anbietet und jemand kauft, dann sind ja alle einverstanden, oder? Wenn es einen Kunden gibt, dann muss es doch ok sein, eine App-Plattform zu erschaffen, die das Angebot befriedigt. Auch wenn der Kundenwunsch alltäglich verankerter Rassismus ist.