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Die wissenschaftlichen Gründe für Luis Suarez' Beißattacken

Suarez ist nicht der erste Beißer, der es auf Menschen abgesehen hat. Er folgt eher einem tief verwurzelten Instinkt, der sich wohl leider nicht abstellen lässt.
Bildschirmfoto des WM-Spiels 2014 Uruguay vs. Italien.

Der berüchtigte Vampir des Fußballs hat wieder Blut gesaugt: In dem spannenden WM-Spiel Uruguay gegen Italien lehnte sich der Stürmer Luis Suarez ziemlich offensichtlich gegen die Schulter von Giorgio Chiellini und biss hinein. Das Match ist längst entschieden, doch die Frage, die uns weiterhin beschäftigt, lautet schlicht: Warum?

Warum beißen? Es ist erst einmal ein völlig lächerliches Foul—wenn der Schiedsrichter in die richtige Richtung gesehen hätte—, hat einen peinlichen Twilight-Beigeschmack und ist außerdem eine ziemlich abscheuliche Art, athletischen Frust zu zeigen.

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Doch es gibt eine lange Geschichte von Sportlern, die ihre Beißerchen zeigen. Die bekannteste ist die von Mike Tyson und seinem Ohrbiss von 1997. Rugbyspieler sind dafür bekannt, ins Gedränge zu schnappen, wenn es für den Schiedsrichter wirklich kaum zu erkennen ist, doch Suarez hat sich mittlerweile zum bekanntesten Beißer im Sport hochgeknabbert—es ist mindestens das dritte Mal, dass er in ungefähr ebenso vielen Jahren nach einem Gegner schnappt.

Letztes Jahr wurde er für zehn Spiele suspendiert nachdem er Branislav Ivanovic in den Arm biss. 2010 saß er wegen eines ebensolchen Tatbestandes für sieben Spiele auf der Bank und mittlerweile ist er unter dem Namen „Kannibale" ungefähr genauso bekannt wie unter seinem echten. (Falls du noch mehr Hassgründe suchst: er ist auch rassistisch veranlagt und zerstörte 2010 Ghanas Hoffnungen auf den WM-Titel mit einem absichtlichen scheußlichen Handball.)

Auch wenn Suarez Verhalten absolut widerwärtig ist, ist eine Beißattacke unter Menschen keine unbekannte Sache. Eine 2007 veröffentliche Studie des National Institutes of Health fand heraus, dass menschliche Bisse die am dritt-meisten behandelte Art von Säugetierbissen in den Notaufnahmen von Krankenhäusern sind, direkt nach Hunde- und Katzenbissen.

Die Studie unterschied zwischen „Plosiv-Bissen"—die absichtliche Zahn-auf-Haut-Agression wie bei Suarez und Tyson—und „Kampf-Bissen", die auftreten, wenn eine Faust oder ein Arm punktiert wird indem er in den Mund einer Person schlägt.

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Männer unterliegen zwölf mal öfter der Chance, durch Bisse verletzt zu werden und in 90 Prozent der Fälle—welch Überraschung—war Alkohol im Spiel. Das Saufargument erklärt zwar einiges, doch nicht die Tatsache, warum Tyson an Hollyfield kaute und andere Sport-Beiß-Attacken.

Zum Glück haben die meisten Beißwütigen keine spitzen Hauer. Bild: fickr/ Alisha Vargas | Lizenz: CC BY 2.0

Um die Gründe für die Angriffe heraus zu finden, interviewte die BBC nach dem Suarez-Vorfall im Jahr 2013 den Sportpsychologen Dr. Thomas Fawcett. Nachdem dieser sich die Videos intensiv zu Gemüte geführt hatte, sagte er, das der Bissimpuls eine „primitive Reaktion" ist, wenn Emotionen den rationalen Denkprozess überlagern.

„Es ist nicht geplant", erzählte Fawcett der BBC. „Es ist eine sehr spontane, emotionale Reaktion, die durch einen Impuls entsteht." Eine ursprüngliche, animalische Geste, die mit größerer Kraft durchbricht als es die meisten Menschen annehmen.

Eine Studie, veröffentlicht in den Proceedings of the Royal Society B, versuchte, diese Annahme anzufechten. „Wenn du dir die Mechanik ansiehst ist das menschliche Gebiss hocheffizient.", berichtete der Autor der Studie Stephen Wroe Discovery News. „Wir können jeden Biss mit relativ wenig Muskelkraft ausführen." Unser Kiefer, betonte er, ist 40 bis 50 Prozent effizienter als die der großen Affen. „Wir beißen wesentlich härter zu als ein Gorilla oder ein Schimpanse. Unsere Bissstärke ist sogar vergleichbar mit einem Nussknacker."

Neben der Aggression gibt es noch andere Gründe warum Menschen ihre Kollegen beißen. Odaxelagnia beschreibt die Perversion, die sich auf eine sexuelle Erregung durch Beißen gründet. Es gibt immer noch einige Stämme und Gruppen, die Kannibalismus praktizieren, was eine ziemliche Beißarbeit ist. Und Kriminologen stellten fest, dass ein bestimmter Typ gewalttätiger Krimineller aus dem sadistischen Verlangen zubeißt, ihre Opfer zu stigmatisieren.

„Der Biss wird durchgeführt, um das Opfer zu kennzeichnen.", sagte der Kriminologe David Wilson der BBC. „Aber ich denke, noch wichtiger für den Täter ist, dass es etwas darüber verrät, wie er das bestimmte Opfer inspizierte."

Der Serienbeißer Suarez mag mit seinem Profil irgendwo zwischen der psychologischen und der kriminologischen Deutung liegen, doch wir können uns zumindest einer Sache sicher sein: auch wenn er für die gesamten 24 Spiele suspendiert sein sollte, wird er sicherlich weiterhin spielen und beißen.

Nach seinem ersten Biss 2010 wurde ihm eine Therapie zum Aggressionsmanagement angeboten. Doch Dr. Fawcett ist sich nicht sicher, ob das helfen würde. „Es ist in ihm drin", so der Psychologe. „Ich nehme an, dass er auch in fünf Jahren wenn in einer ähnlichen Situation wieder diese Saite in ihm angeschlagen wird, wieder zubeißen wird."