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Der Weltraum-Truther, der einen Astronauten zum Kinnhaken zwang

Es gibt noch immer eine Menge Leute, die die Mondlandung für einen Fake halten und ihre Theorie ist einfach nicht totzukriegen.

Der 9. September 2002 markiert die bisher dramatischste Eskalation der Apollo-Verschwörungstheorie: Niemand Geringeres als der Astronaut Buzz Aldrin, der im Jahr 1969 unmittelbar nach Neil Armstrong als zweiter Mensch den Mond betrat, sah sich gezwungen einem aufdringlichen Truther einen amtlichen Kinnhaken zu verpassen.

Das Opfer ist kein Unbekannter in der Szene der Mondlandungs-Verschwörungstheoretiker: Bart Sibrel postet gerne Videos, in denen er angeblich beweist, dass die USA gar nicht wirklich auf dem Mond gelandet seien und verarbeitet in seinen Clips einige der populärsten Argumente der Zweifler. An jenem Septembertag lockte Sibrel den 70-Jährigen Aldrin in die Lobby eines Hotels in Beverly Hills und bedrängte ihn, auf die Bibel zu schwören, dass er tatsächlich auf dem Mond war.

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Als Sibrel den Astronauten minutenlang provozierte und als Feigling und Lügner beschimpfte, wusste sich dieser irgendwann nicht mehr anders zu helfen: Er holte kurz aus und schlug ihm mit einem trockenen rechten Haken ins Gesicht.

Die unschöne Begegnung verkörpert ein ebenso surreales wie nicht totzukriegendes Phänomen: Trotz der vollkommen überzeugenden wissenschaftlichen Beweise und der vielen Zeugen gibt es eine Gruppe Verrückter, die einfach nicht von ihrer Überzeugung abzubringen sind, dass der größte technische Erfolg der Menschheitsgeschichte lediglich auf einer Bühne in der Wüste Nevadas gefaket worden sei.

Die NASA hat sich längst eine eigene Strategie überlegt, mit der sie sich gegen „Moon Truther" wie Sibrel zur Wehr setzt: Sie begegnet ihnen mit knallharten Fakten und hofft, dass sie entweder von ihrem Wahn ablassen oder sich zumindest vom Acker machen.

Also wirklich, wer legt sich auch freiwillig mit Buzz Aldrin an?

Neil Armstrong machte seinen weltberühmten großen Schritt für die Menschheit am 20. Juli 1969 und betrat den Mond—direkt auf seinem Fuße folgte Aldrin. Es war der wissenschaftliche Höhepunkt eines von großen politischen Turbulenzen durcheinander gewürbelten Jahrzehnts. Doch genau wie die Ermordung Kennedys und die Auswüchse des Kalten Krieges bot auch die Mission Apollo 11 noch jahrzehntelang einen fruchtbaren Boden für Verschwörungstheoretiker jeglicher Coleur. Im Jahr 1974, also zwei Jahre nachdem die Folgemission Apollo 17 aus dem Taurus-Littrow Valley abgehoben hatte, kam das Buch We Never Went To The Moon: America's Thirty Billion Dollar Swindle von Bill Kaysing heraus—es war der erste ernsthafte Versuch, die Mondlandung als eine riesengroße Lüge darzustellen.

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Kaysing hatte als technischer Redakteur für die Firma Rocketdyne gearbeitet (die zufälligerweise mit dem Bau der Apollo-Raketen beauftragt wurden, nachdem Kaysing die Firma im Jahr 1963 verlassen hatte) und machte sich schließlich als freiberuflicher Autor selbständig. Wie ein in die Jahre gekommener Kaysing gegenüber Bart Sibrel in einem seiner letzten Interviews mitteilte, begründeten sich die Kernaussagen des Buches auf Erzählungen eines Junkie-Vietnam-Veteranen, der in den frühen 1970er Jahren auf Kaysings Hausboot gelebt hatte.

Heute liest sich Kaysings Idee, dass das gesamte Apollo Space-Projekt an hundertprozentig geheimen Orten abgewickelt wurde, während die Beteiligten aber ab und zu durchaus Martinis und Black Jack am Sunset Strip genossen, wie eine groteske Story von William S. Borroughs. We Never Went To The Moon wird inzwischen nicht mehr gedruckt (einige gebrauchte Exemplar befinden sich aber noch im Umlauf), aber die Hypothese der Apollo-Truther, dass die Apollo-Mission niemals die Umlaufbahn der Erde verlassen habe, stützen sich nach wie vor auf Kaysings Ideen—und einer ihrer lautesten Fürsprecher ist Bart Sibrel. Wenn er sich nicht gerade Kinnhaken von siebzigjährigen Ex-Astronauten einfängt, dreht er Filme, um seine eigenen Theorien über den großen Mondschwindel unter die Leute zu bringen.

In seinem bekanntesten Werk A Funny Thing Happened On The Way To The Moon greift Sibrel Kaysings Thesen auf und unterlegt diese mit einer surrealen Persiflage der Nachrichtenmeldungen, untermalt von lateinischen Chören und vielen Überblendungen mit Bibelversen. Zusammen mit dem Buch von Kaysing biete Sibrels Film das Futter für jene Apollo-Verschwörungstheorien, die Online-Foren und E-Mail-Newsletter auf der ganzen Welt bevölkern.

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Illustration des radioaktiven Van Allen-Gürtels. Bild: NASA

Eines der liebsten Argumente der Verschwörungstheoretiker sind die tödlichen Gefahren des Van Allen-Gürtels, jenes radioaktiven Strahlengürtel in Form eines doppelten Donuts, der die Erde umgibt. Sie gelten unter Skeptikern als erstes großes und unüberwindbares Hindernis einer Mondmission. Ihrer Meinung nach hätte die Durchquerung beider Gürtel Aldrin, Armstrong und Collins einer tödlichen Dosis hochenergetischer Protonen ausgesetzt.

Tatsächlich waren die Gefahren dieser Gürtel der NASA aus früheren unbemannten Raumfahrtmissionen bekannt, weshalb die Raumfahrtbehörde den Launch der Apollo-Mission auf einen Zeitraum mit der geringstmöglichen Van-Allen-Intensität legte. Die NASA veröffentlichte sogar dieses Arbeitsblatt, das zwar aussieht wie eine Klassenarbeit aus der achten Klasse, aber eigentlich auf ziemlich informierte Weise erklärt, wie viel Radioaktivität während der Mission bei den Astronauten tatsächlich ankam.

Insgesamt verbrachten die Apollo-Astronauten ungefähr eine Stunde in den Gürteln, was dazu führte, dass die Apollo-Rakete ungefähr 13 Rad (0,13 Gray) ausgesetzt war. Natürlich war sich die NASA der Gefahr bewusst und stellte sicher, dass die Astronauten im Raumschiff gut genug geschützt waren. Der biomedizinische Bericht, den die NASA zur Apollo-Mission veröffentlichte, nennt eine durchschnittliche Hautbelastung für die Apollo 11-Crew während der 12-tägigen Mission von nur 0,18 Rad (0,0018 Gray).

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In den Verschwörungstheorien wird zudem häufig das Argument ins Feld geführt, dass das Triebwerk der Landefähre einen Krater hätte hinterlassen müssen, die Bilder aber keinen Krater zeigen. Sicherlich, so die Skeptiker, hätte das Abheben oder die Landung eines Gefährts mit einer Schubkraft von 10.000 Pfund zu einer deutlichen Aushöhlung führen müssen, oder? Diese Theorie hakt an zwei Punkten: Zum einen nutzt das Raumschiff diese Kraft in erster Linie, um zum Mond runterzukommen, nur um dann vor der Landung auf die Bremse zu steigen, so dass weniger als ein Drittel dieser Kraft auf den Boden selbst wirkte. Außerdem expandiert der Gasstrom aus der viereinhalb Fuß großen Motordüse im Vakuum viel stärker als auf der Erde und hinterließ aufgrund der stärkeren Verteilung auch keinen Krater.

Der wichtigste „Beweis", den die Apollo-Truther ins Feld führen, hat jedoch nichts mit wissenschaftlichen Daten oder Ungenauigkeiten zu tun: Am häufigsten verweisen sie auf das Wedeln der amerikanischen Flagge, die auf dem Mond platziert wurde. In dem Video der Mondlandung, das um die Welt ging, weht die Flagge, nachdem Aldrin und Armstrong sie auf dem Mond aufgestellt haben, fleißig hin und her. Aha, triumphieren die Verschwörungstheoretiker, Flaggen wehen ja gar nicht im Vakuum, das muss wohl auf der Bühne in der Wüste von Nevada gewesen sein! Nun gut, die Antwort darauf kann die NASA gar nicht oft genug wiederholen:

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Nicht jede flatternde Flagge braucht Wind—jedenfalls nicht im Weltall. Als die Astronauten die Flagge setzten, drehten sie sie nach hinten und nach vorne, um sie besser im Boden zu verankern (jeder, der einmal einen stumpfen Zeltpfosten gesetzt hat, kennt diese Bewegung). Also bewegte sich die Flagge natürlich! Wenn man ein aufgerolltes Stück Stoff entrollt und dabei hin und herdreht führt dies zu einem leichten Flattern—auch ohne Wind!

Mehr als 500 Millionen Menschen verfolgten die Landung von Apollo 11 auf dem Mond. Der Fernseher war das Medium, durch das Menschen überall der ganzen Welt diesen Triumph miteinander teilen konnten, doch die TV-Berichterstattung auch Quelle der besonders abwegigen Hypothesen über die angeblich gefakte Mondlandung: Zum Beispiel die illustre Behauptung, dass das Mondgestein eigentlich nur eine mit dem Buchstaben C gekennzeichnete Requisite gewesen sei.

Die wohl lächerlichste Behauptung ist aber, dass die amerikanische Regierung so von dem Film

2001: A Space Odyssey

von Stanley Kubrick beeindruckt war, dass man den Regisseur anheuerte, um die Mondlandung filmisch zu fälschen. Dieses Gerücht wurde so hartnäckig verbreitet, dass Kubricks Tochter Vivian sich noch im Juli diesen Jahres gezwungen fühlte, die kreative Integrität ihre Vaters

auf Twitter zu verteidigen

. Ja, wir haben das Jahr 2016 und solche Selbstverständlichkeiten müssen noch immer wiederholt werden. Die Moon Truther lassen einfach nicht locker.