"Hallo, mein Name ist Ficker"

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"Hallo, mein Name ist Ficker"

Im Land der Grubers, Bergers und Hofers haben wir uns mit den Fickern, Negern und Beidln unterhalten.

Foto: Helen | flickr | by CC 2.0

Ja, wissen tun wir es eigentlich eh alle – bei Nachnamen wie "Beidl", "Depp", oder eben "Ficker" gibt es nichts zu lachen oder grinsen. Der Mediziner Dr. Grausam wird bei der allfälligen Zeckenimpfung nicht sadistischer an die Sache herangehen als eine Frau Dr. Fröhlich und auch bei der Salzburger Bildhauerfamilie Ficker befindet sich im Hinterstüberl wohl kaum ein geheimer Dark Room.

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Laut einer Nachnamen-Suchmaschine leben in Österreich rund 105 Personen mit dem klingenden Namen "Ficker". Dass ursprünglich kleine Beutel und Taschen als Ficke bezeichnet wurden, wird dabei auf den Schulhöfen des Landes aber sicher nur wenige interessieren. Kinder können grausam sein – ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an Enis aus meiner Schule, besser bekannt als Penis-Enis hatte es nicht leicht – und für den Witz musste man vergleichsweise sogar noch um die Ecke denken. Ficker hingegen drängt sich für pubertäre Verarschung richtiggehend auf.

"Der Name bietet sich natürlich schon seit Schulzeiten für den einen oder anderen 'Nomen est Omen'-Sager an, das ist klar."

Mal ganz abgesehen von ein paar verhaltenen Lachern und Seitenhieben, können Nachnamen aber auch zum echten Nachteil werden – zumindest liegt das nahe.

"Auch Namen machen Leute", meint die Salzburger Psychologin Mag. Müller dazu. "Gerade im Berufsleben geht es ja immer um einen gewissen Respekt. Vieles geschieht da auch im Unbewussten – man lässt sich beeinflussen. Ein Herr Blöd hat da dann vielleicht weniger Chancen auf Beförderung und Karriere als ein Herr Kaiser." Das bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2015, laut der Menschen mit aristokratisch klingenden Namen eher in einer Führungsposition arbeiten, als zum Beispiel ein Herr Bauer.

"Nur weil ich Neger heiße, bin ich noch lange kein Rassist oder Hofer-Wähler!"

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Jemand, der aus persönlicher Erfahrung weiß, wie sich klingende Namen auf den zwischenmenschlichen Umgang auswirken, ist der Arzt Dr. Schlecht. Im Gespräch erzählt er mir: "Der Name bietet sich natürlich schon seit Schulzeiten für den einen oder anderen 'Nomen est Omen'-Sager an, das ist klar, ich bin allerdings selbstbewusst und weiß, was ich kann. Vor allem aber ist es ja kein Name, der wirklich peinlich ist – ich würde ihn mittlerweile fast eher als Eisbrecher sehen."

Wird der eigene Nachname aber tatsächlich zu einer psychischen Belastung, gibt es die Möglichkeit, den Namen ändern zu lassen. Am Wiener Standesamt haben im letzten Jahr 1142 Personen einen Antrag auf Namensänderung gestellt sagt mir Frau Mag. Kuzaj-Sefelin von der MA63. Den Großteil davon machen aber Änderungen auf den ursprünglichen Nachnamen nach einer Scheidung aus.

Die Bewilligungsgebühr beträgt in der Hauptstadt 545,60 Euro – bei besonders problematischen Nachnamen, müsse man diese aber nicht berappen. Es werde einem da nicht unnötig schwer gemacht, heißt es seitens des Magistrats. Auch Menschen mit ausländisch klingenden und schwer ausprechbaren Namen würden immer häufiger eine Namensänderung beantragen, um sich den Alltag zu erleichtern. Wenig verwunderlich, wissen wir doch alle nur zu gut, dass es in Österreich leider immer noch eine ziemlich große Erleichterung mit sich bringt, nicht ausländisch zu klingen – weder mit Akzenten, noch mit seinem Namen.

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"Ich fühle mich manchmal weniger ernst genommen – Anwesenheitskontrollen sind und waren für mich immer eine Qual."

Davon Anspruch genommen hat zum Beispiel auch der Politiker Peter Westenthaler, der eigentlich als Peter Hojač geboren ist und später den Mädchennamen der Mutter annahm. Er war unter anderem langjähriger Spitzenrepräsentat der FPÖ und später des BZÖ – vielleicht also auch karrieretechnisch gesehen nicht unbedingt der unklügste Schachzug.

Wer einen doch eher unvorteilhaften Namen nicht ändern lässt, muss, so denke ich mir zumindest, vor allem selbstbewusst sein. Eine, die es wissen muss, ist eine Studentin mit dem Nachnamen Ficker. Sie erzählt mir, dass sie gerade in der Pubertät sehr unter der Bürde ihres Namens gelitten hat. "Ich kann es den Leuten ja nicht mal verübeln, ich würde wahrscheinlich auch lachen, das ist menschlich. Trotzdem fühle ich mich manchmal weniger ernst genommen – Anwesenheitskontrollen sind und waren für mich immer eine Qual."

Eine Namensänderung hat sie trotzdem nie in Erwägung gezogen. "Andere haben eine schiefe Nase, ich halt einen blöden Nachnamen – damit muss ich leben", sagt sie. "Später mal zu heiraten und den Namen meines Mannes anzunehmen, wäre aber sicher eine Möglichkeit."

Martin Neger aus Krems hat Ähnliches zu berichten: "Die wirklichen 'Probleme' mit meinem Namen kamen eigentlich erst in den letzten Jahren – sorgte der Nachname früher höchstens für einen kurzen Lacher, reagieren die Leute mittlerweile oft hypersensibel. Nur weil man Neger heißt, ist man aber noch lange kein Rassist oder Hofer-Wähler – das muss ganz klar gesagt werden. Das Logo unserer Familienfirma, das früher noch eine eventuell falsch zu verstehende Zeichnung zierte, ließen wir schon vor über einem Jahrzehnt ändern. Damals dachte man da vielleicht einfach weniger nach."

Schwarze, so sagt er, hätten übrigens am allerwenigsten ein Problem mit seinem Namen, sehen das immer sehr locker und fragen höchstens, wie man bitte so einen bescheuerten Nachnamen tragen könne. "Auf Facebook wurde ich schon mehrfach gemeldet und meine Mails landen öfter im Spam – wenn das allerdings wirklich mein größtes Problem ist, bin ich doch ein glücklicher Mensch."

"Ein Name bedeutet immer auch Zugehörigkeit", meint die Psychologin. Deshalb käme vielen Betroffenen gar nicht in den Sinn, ihre Familie dahingehend zu "verraten". "Ganz ehrlich, ich bin trotzdem stolz auf meinen Namen, meine Familie trägt ihn seit zig Generationen – diesen einfach ändern zu lassen, sehe ich nicht ein – gerade, weil er auch absolut keinen rassistischen Ursprung hat.", bestätigt mir Herr Neger. Dickes Fell schadet wohl allerdings trotzdem nicht.

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