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Hat ein TV-Hack samt Fake News die diplomatische Krise um Katar ausgelöst?

Mehrere Golfstaaten haben ihrem Nachbarn den Rücken zugewandt. Kurz zuvor war im katarischen Fernsehen berichtet worden, wie Staatsoberhaupt Al Thani Katars Beziehungen zum Iran und Israel lobt. Doch waren diese Worte überhaupt echt?
Der US-Verteidigungsminister Jim Mattis bei einem Treffen mit Scheich Tamim bin Hamad Al Thani in Katar. Bild: flickr | Jim Mattis | Lizenz: CC BY 2.0

Am Montag haben Saudi-Arabien, Ägypten und drei andere arabische Golfstaaten abrupt alle diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Dadurch droht dem kleinen, aber an Gasvorkommen reichen Land nun die vollständige Isolation. Wie konnte es zu dieser Eskalation in der schon lange andauernden diplomatischen Krise zwischen den Ländern kommen?

Katar steht bereits seit Jahren in der Kritik, islamistische Terrororganisationen zu unterstützen – trotz des Versprechens in der Vergangenheit gegenüber Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten, diese Bemühungen zu unterlassen. Bereits 2014 hatte sich Katar außerdem bereit erklärt, staatliche Medienberichte, die seine Nachbarstaaten kritisieren, zu unterbinden.

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Stein des Anstoßes in der aktuellen diplomatischen Krise ist nun aber ausgerechnet ein TV-Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Qatar News Agency (QNA). Dabei kam dieser möglicherweise von Hackern, die eine Fake News im TV und auf Twitter platzierten.

Am 23. Mai strahlte QNA eine Rede des katarischen Staatsoberhaupts Scheich Tamim bin Hamad Al Thani aus, die er bei einer militärischen Abschlussfeier hielt. Unter dem Fernsehbeitrag liefen im Ticker angebliche Zitate von Scheich Tamin über den Bildschirm, in denen er Katars Beziehungen zum Iran und Israel, die als Erzfeinde Saudi-Arabiens gelten, als "stark" und "gut" bezeichnete, wie die Washington Post berichtet. Ähnlich positive Äußerungen Al Thanis wurden etwa zeitgleich auch von einem angeblichen Twitter-Account des QNA gepostet.

Die obige Gegenüberstellung zeigt dabei zwei unterschiedliche Tweets. Beim linken handelt es sich um einen echten Tweet von QNA, der anscheinend von einer benutzerdefinierten App namens QNAnewstweets gesendet wurde. Bei dem rechten Tweet handelt es sich um einen Fake, der von den mutmaßlichen Hackern gepostet wurde – darüber sind sich zumindest ein Sicherheitsforscher aus der Golfregion und der US-amerikanische Sicherheitsforscher und Analyst John Arterbury einig.

Dieser mutmaßliche Hack könnte der Auslöser für das Zerwürfnis unter den Golfstaaten gewesen sein, denn Israel und Iran gelten als Erzrivalen mehrerer Golfstaaten. Der vermeintliche Kuschelkurs könnte von Katars eigentlichen Verbündeten somit als offener Bruch gewertet worden sein.

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Die Regierung von Katar dementierte derweil den Wahrheitsgehalt der angeblichen Zitate und bezeichnete den Fernsehbericht als "gefälschtes Video". Außerdem sei der QNA "von Unbekannten gehackt" worden. Saudi-Arabien reichte diese Erklärung jedoch offenbar nicht aus. Ein Beitrag des staatlichen Fernsehsenders Al-Arabya versprach sogar "Beweise", dass QNA gar nicht gehackt worden sei. Tatsächlich konnte der Bericht im saudi-arabischen Fernsehen jedoch nicht viel mehr als fragwürdige Argumente für diese Behauptung hervorbringen, darunter die Aussage, dass Google "sehr schwer zu hacken" sei.

Rückblickend betrachtet könnte es das Ziel der Hacker gewesen sein, den schwelenden Konflikt zwischen Katar und seinen Nachbarn eskalieren zu lassen. Die mutmaßlichen Falschinformationen könnten Saudi-Arabien und andere nun als Rechtfertigung dafür nutzen, Katar öffentlich zu abzustrafen, meint Arterbury.


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"Ein Ziel des Hacks war es möglicherweise, für öffentliche Unruhe zu sorgen", erklärte der Sicherheitsforscher gegenüber Motherboard. "Der Hack könnte Teil einer größeren Kampagne zwischen diesen Ländern sein, mit dem strategischen Ziel, Katar gefügig zu machen". Für Arterbury sehen die Hacks nach den ersten öffentlichen Schritte eines größeren Plans aus.

Einige Sicherheitsforscher haben QNA nun dazu aufgefordert, Daten zur Verfügung zu stellen, die klären können, was tatsächlich passiert und wer verantwortlich für den Beitrag ist.

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"Falls sich herausstellt, dass einer von Katars Nachbarn für den Hack verantwortlich ist, wirft das ein paar interessante Fragen darüber auf, ob die aktuelle Krise absichtlich von einer Partei herbeigeführt wurde", erklärt der Sicherheitsforscher Bill Marczak, der mit seiner Forschungsgruppe Bahrain Watch das Königreich Bahrain untersucht. Ebenso interessant wäre es laut Marczak, wenn sich herausstellen würde, dass sich eine ausländische Regierung in den Golf-Kooperationsrat einmischen würde – dem politischen Zusammenschluss, zu dem sowohl Saudi-Arabien als auch Katar gehören.

Während US-Geheimdienstkreise laut CNN-Berichten den Ursprung der Hackerattacke in Russland verorten, erklärte der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow heute in Moskau, „dass staatliche russische Strukturen keinen Bezug zu Hacking haben."

Für Sultan Sooud Al-Qassemi, einem bekannten politischen Kommentator aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, spielt es zum jetzigen Zeitpunkt dagegen keine Rolle mehr, wer hinter dem Hack steckt oder wie er zustande kam.

"Es geht nicht mehr um den Hack", tweetete er am Montag. "Das ist wie im Ersten Weltkrieg: nach zwei Tagen war allen bereits egal, wer Erzherzog Franz Ferdinand getötet hatte."

Titelbild: Der US-Verteidigungsminister Jim Mattis bei einem Treffen mit Scheich Tamim bin Hamad Al Thani in Katar. Bild: flickr | Jim Mattis | Lizenz: CC BY 2.0