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Größter deutscher Twitch-Streamer verteidigt umstrittene Casino-Videos

Der Rekord-Streamer bezeichnet sich als spielsüchtig und zeigt einem Millionenpublikum, wie er in einem Online-Casino zockt. Juristen bewerten das als illegal, er sieht darin kein Problem.
Der Twitch-Streamer MontanaBlack nimmt ein Statement in seinem AMG auf (rechts). Ausschnitt eines Videos des Streamers, in dem er im Online-Casino Lapalingo spielt.

Jede Nacht "lacht ab 0 Uhr die Sonne" bei MontanaBlack: Ab dann spielt der erfolgreichste deutsche Twitch-Streamer nämlich keine Computerspiele mehr, sondern zieht an einarmigen Banditen in Online-Casinos. Damit erreicht er eine gigantische Zielgruppe: Mehr als 1,2 Millionen Abonnenten versammelt er auf seinem Kanal, darunter sind auch rund 19.000 zahlende Fans.

Der Buxtehudener, der bürgerlich Marcel Eris heißt, setzt aber nicht nur große Summen, sondern scheint auch auffällig oft zu gewinnen – und daran lässt er seine Fans auf allen großen sozialen Netzwerken teilhaben. Er behauptet zum Beispiel, innerhalb eines Monats um 80.000 Euro reicher geworden zu sein, lässt 500er-Scheine durch eine Geldzählmaschine rattern oder blättert in einem Instagram-Video vor der Sparkasse einen frisch gezogenen Geldstapel durch: "40.000 Online-Gewinn", kommentiert er trocken. "Schmeckt."

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Lapalingo.com heißt das Online-Casino seiner Wahl. Laut eigenen Angaben hat MontanaBlack sogar "einen Deal mit der Seite." Details eines solchen "Deals" sind zwar nicht gesichert, klar ist aber, dass er sehr häufig in dem Casino spielt, obwohl dies "in einigen Staaten per Gesetz verboten ist", wie die Betreiber in ihren FAQs sogar selbst schreiben. Das Problem: Zu diesen Staaten muss auch Deutschland gezählt werden, denn hier gilt das staatliche Glücksspielmonopol. Der Staat entscheidet, wer eine Lotterie oder ein Casino betreiben darf und dem unregulierten Online-Eldorado Lapalingo wurde eine solche Lizenz nie erteilt. Einer sieht daran ganz sicher kein Problem: MontanaBlack.

"Das was er da macht, funktioniert hinten und vorne nicht", meint der Anwalt

Eris' Casino-Streams haben die Debatte um die Verantwortung bei Twitch- und YouTube-Influencern auf ein neues Level gehoben. Mittlerweile hat sich halb YouTube zu der Sache geäußert. Zunächst ging es um den Vorwurf der Schleichwerbung, als ein Video des Funk-Kanals "offen un' ehrlich" den Stein ins Rollen brachte. In dem Video wird herausgestellt, dass MontanaBlack diese Streams als ungekennzeichnete Werbung laufen lässt.

Aber die Frage nach Schleichwerbung ist eigentlich zweitrangig. Denn inzwischen stehen andere Vorwürfe im Raum: Werbung für illegales Glücksspiel und Internet-Werbung für Online-Casinos. Beides ist in Deutschland verboten. "Es hat mich genau eine Google-Suche und einen Anruf gekostet, um das herauszufinden", erklärt der YouTuber Robin Blase alias RobBubble. Er kommt nach Gesprächen mit Experten in einem Video am 31. Oktober zu einer weiteren Erkenntnis: "Die pure Teilnahme an Online-Glücksspiel ist illegal." Montana Black dürfte also noch nicht einmal am Glücksrad drehen, geschweige denn, daraus einen Stream machen.

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Das unterschreibt auch der Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke in einer ausführlichen juristischen Einschätzung auf YouTube. Solmecke bilanziert: "Das was er da tut, funktioniert hinten und vorne nicht. Es ist illegal, es ist ne Straftat, es ist ein Verstoß gegen den Glücksspielstaatsvertrag und auch ein Verstoß gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag."

Auch die Landesmedienanstalt Hamburg/Schleswig Holstein, die die Aufsicht über MontanaBlacks YouTube-Videos hat, bekräftigt in einer E-Mail an Motherboard, dass es sich bei Lapalingo um unerlaubtes Glückspiel handelt. Werbung dafür sei "ausnahmslos und in allen Medien verboten und kann außerdem eine Straftat darstellen."

MontanaBlack will die Debatte mit einer kurzen Durchsage aus dem AMG beenden

Am Sonntag, den 4. November meldet sich MontanaBlack mit einem 20-minütigen Video aus seinem AMG zurück und äußert sich zu den Vorwürfen. Er komme gerade von seinem Anwalt, lässt er seine Fans wissen und verteidigt seine Werbung für das Online-Casino: "Alles, was Glückspiel war, alles, wo man um Geld spielen konnte, fand ich schon immer geil."

Als Vorbild möchte sich MontanaBlack nicht sehen. Er sei "nicht dafür verantwortlich, wenn jemand seinen Monatslohn oder whatever verzockt", erklärt er. Doch auch wenn Eris nichts von seiner Rolle als Vorbild wissen will, durch seine Rekord-Abonnentenzahlen wird er sie deshalb noch lange nicht los. Unter seinen Zuschauern dürften sich besonders viele Kinder und Jugendliche befinden. Denn erst durch Fortnite-Streams ist MontanaBlack zum größten deutschen Twitch-Streamer aufgesteigen, ein Spiel, das besonders unter sehr jungen Zuschauern einen extremen Hype erlebt.

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Selbst innerhalb seiner Follower-Community werden die Dauerwerbesendungen für Lapalingo alles andere als durchweg begeistert aufgenommen. Eris allerdings findet nicht, dass er etwas falsch gemacht hat. "Das sind staatlich geprüfte Seiten", beschwichtigt MontanaBlack immer wieder. Was genau das heißen soll, bleibt allerdings im Dunklen. Denn das Online-Casino sitzt in dem einzigen Land der EU, in dem man überhaupt noch Online-Casinos betreiben kann: Malta. Die Spiele selbst werden auf den Cayman Islands gehostet, das als Steuerschlupfloch gilt. Laut der für Glücksspielwerbelizenzen zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf darf lapalingo.com in Deutschland nicht werben – das schließt natürlich auch Influencer-Marketing ein.

MontanaBlack gibt seine Spielsucht zu – aber sieht kein Problem

Irreführend ist zudem, dass Eris in seinen Casino-Streams fast immer auf der Gewinnerseite steht und kaum darauf hinweist, dass man beim kommerziellen Glücksspiel schnell schmerzhafte Verluste einfahren kann. Niemand dürfte das eigentlich besser wissen als MontanaBlack, der in früheren Videos bereits über seine Spielsucht, sein Abrutschen in den Alkoholismus und die dramatischen Konsequenzen seiner Zockerei berichtet hat. Ein Dreivierteljahr hätte er damals pausiert und sich auf kalten Entzug gesetzt. In seinem jüngsten Video findet er allerdings einen viel bequemeren Zugang zu diesem Thema: "Die Dosis macht das Gift", tönt es aus dem Benz. In einem seiner Twitch-Casinostreams befindet er noch relativierender: "Sucht muss nicht immer etwas Negatives sein."

Mit seiner Spielsucht geht er am 23. Oktober sogar auf Twitter für seine 307.000 Follower hausieren, verteidigt im gleichen Atemzug allerdings das Zocken auf Lapalingo. Durch seinen "Deal" – das Casino stelle ihm Gratis-Credit zu Verfügung – könne er kaum verlieren. Doch für jeden anderen, der sich bei Lapalingo anmeldet, gilt das natürlich nicht.

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Ebenfalls auf Motherboard: Wenn Gamer zu Versuchskaninchen werden


Bislang scheint sich noch kein Staatsanwalt dem Fall angenommen zu haben. "Es werden bisher keine Ermittlungen in dieser Sache geführt", schreibt auch die in der Nähe von MontanaBlacks Wohnort gelegene am 2. November auf Anfrage von Motherboard. Die Medienzentrale Schleswig-Holstein will nicht medienrechtlich gegen MontanaBlack vorgehen, "da die betreffenden Videos zum 1. November von dem Anbieter gelöscht wurden", heißt es in einer E-Mail an Motherboard. Lapalingo hat auf eine Anfrage zum Thema Influencer-Marketing in Deutschland bisher nicht geantwortet.

"Ich habe nicht vor, in Zukunft aufzuhören, was Online-Casinostreams angeht", betont MontanaBlack in seinem jüngsten YouTube-Upload vom 4. November. "Ich werde nach diesem Video auch erstmal nix dazu mehr sagen, denn das Thema hängt mir aus dem Arschloch raus."

Von seinen Kanälen auf YouTube und Twitch wurden jedoch inzwischen alle Videos, die ihn beim Spielen im Online-Casino zeigen, gelöscht. Laut Eris' Angaben wurden die YouTube-Videos von der Plattform selbst entfernt. Allerdings finden sich zahlreiche von Fans erstellte Kopien, in denen MontanaBlack auf Lapalingo zockt, weiterhin und ohne Zugangsbeschränkung auf Twitch. Viele seiner Tweets und Instagram-Videos zu dem Thema sind ebenfalls noch online.

Besorgten Eltern empfiehlt der leidenschaftliche Glücksspieler ansonsten, "einfach mal zu gucken, was ihr kleiner Butschi da im Internet macht". Man könne sich schließlich die Gewinne als Minderjähriger gar nicht auszahlen lassen. Was er nicht sagt: Verzocken kann man das Geld auf den Plattformen trotzdem.

**Folgt Theresa auf Twitter und *Motherboard auf Facebook, Instagram,* Snapchat und Twitter**

Die BZgA bietet eine kostenlose und anonyme telefonische Beratung zum Thema Glücksspielsucht. Auch der Fachverband Glücksspielsucht e.V. bietet auf seinen Seiten weiterführende Informationen und eine Übersicht über Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen in deiner Nähe.

Update vom 6. November 2018: Wir haben den Artikel um Auskünfte der zuständigen Landesmedienanstalt ergänzt.