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Sex

Dieser Anwalt könnte dir deine Pornos wegnehmen

Weil die deutsche Erotikbranche unter dem Internet leidet, kämpft Arndt Kempgens gegen Gratis-Sexfilme. Wir haben mit ihm über seine Mission gesprochen.
Foto: Anwaltskanzlei Kempgens.Brunnengräber

Was Einsamkeit heißt, weiß jeder, der Sonntagmittag allein, verkatert und nackt aufwacht. Besonders wegen dieses schrecklichen Pochens in der Lende. Es hilft ja nichts. Also je nach Tagesform "lesbian" oder "milf" ins Suchfenster eintippen und – STOP. Redtube will erst den Personalausweis sehen. Pornhub ist gesperrt. Für viele eine Horrorvorstellung, die allerdings Wirklichkeit werden könnte, wenn es nach Arndt Kempgens geht.

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Der Anwalt aus Gelsenkirchen vertritt den Bundesverband Erotik Handel, den größten Interessenverband von Sex-Einzelhändlern in Deutschland. Weil deren DVD-Verkäufe seit Jahren zurückgehen, hat Kempgens gerade die Telekom aufgefordert, ihren Kunden den Zugang zu Pornoseiten ohne echte Altersprüfung zu sperren. Warum macht er das? Ein Anruf in seiner Kanzlei:

VICE: Warum wollen Sie mir meine Pornos wegnehmen?
Arndt Kempgens: Keine Sorge, ich will Ihren Konsum nicht beeinträchtigen.

Das beruhigt mich.
Es ist einfach so, dass Betreiber von Porno-Seiten ohne Alterskontrollen in Deutschland gegen geltendes Recht verstoßen. Wir haben über 100 Betreiber angezeigt und die Staatsanwalt hat jedes Mal Rechtsverstöße festgestellt.

Moment. Mache ich mich strafbar, wenn ich Pornhub besuche?
Ganz unabhängig von Pornhub stellen wir auf solchen Seiten massive Urheberrechtsverletzung fest. Wenn sie sich nur die Urheberrechtsverletzungen von anderen ansehen, ist das rechtlich in Ordnung. Aber wenn sie dort Filme anderer hochladen, dann machen sie sich strafbar. Und auch wenn Sie eigene Filme ohne Altersgrenze frei zugänglich hochladen, ist das eben auch nicht in Ordnung.


Auch bei VICE: Karley fährt nach Utah, um die komplizierte, illegale und gotteslästerlich-erotische Welt der Pornografie in Utah zu besuchen


Warum gibt es diese Seiten dann noch in Deutschland?
Die Strafverfolgung ist schwierig, weil die Hintermänner im Ausland sitzen.

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Warum setzen Sie sich als Anwalt eigentlich ausgerechnet für Porno-Produzenten ein?
Das sind Filme, die teils unter großem finanziellen Aufwand hergestellt werden. Das unterliegt auch dem Kunst- und Urheberschutz. Es ist wie in der Musikindustrie. Die geht auch dagegen vor, wenn Werke kostenlos weitergegeben werden. Die Musikindustrie klagt gegen den Konsumenten, wir gegen die Betreiber. Mir als Anwalt geht es um geltendes Recht. Und dazu gehört auch der Jugendschutz.

Dann wollen Sie also meinem kleinen Cousin seine Pornos wegnehmen?
Stellen Sie sich vor, ihr Cousin will in einen Sexshop gehen. Der kommt da nicht rein, wenn er unter 18 ist. Im Internet kann ihr Cousin die Ladentür aufmachen, sich die Cover ansehen, die Klappentexte lesen und die Filme schauen. Das geht so nicht.

Der Arme ist gerade in der Pubertät.
Jugendliche wollen vieles: Auto fahren, feiern, Drogen. Das dürfen sie auch nicht unbedingt.

Bei vielen Pornoseiten muss man schon heute sein Alter bestätigen.
Bleiben wir bei Ihrem Beispiel: Ihren kleiner Cousin lässt niemand ins Pornokino, wenn er die Stimme verstellt und sagt: "Ich bin aber schon längst 18." Wer sich als Kinobetreiber davon täuschen lässt, verarscht sich selbst. Aber im Internet funktioniert das.

Träumen Sie doch mal: Wie müsste das Internet aussehen?
Sie müssten ihren Personalausweis zu einer zentralen Behörde oder einem zertifizierten privaten Dienstanbieter schicken, um einen Altersnachweis für das ganze deutsche Internet zu bekommen.

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Dann weiß doch jeder, welche Pornoseiten ich mir ansehe.
Nicht unbedingt. Das könnte wie Paypal funktionieren. Die Behörde kennt ihre Daten, die Pornoseiten sehen nur den Altersnachweis. Alles anonym.

Und das ist technisch möglich?
Es ist technisch kein Problem, dass Internetanbieter die Seiten hinter so einer Verifikation blocken. Die Frage ist, ob das politisch gewünscht ist.

Fürchten Sie sich gar nicht, zum Feindbild von Pornofreunden zu werden?
Das bin ich schon längst. Ich werde im Internet beschimpft als sexuell frustrierter Anwalt, der den Leuten ihre Pornos wegnehmen will.

Sie sind nicht sexuell frustriert?
Im Gegenteil. Ich bin sexuell gänzlich unfrustriert. Ich fordere den Schutz der Jugend. Wo soll da der Zusammenhang sein?

In der Tat wirken Sie recht ausgeglichen. Aber ich will auch nur weiter umsonst Pornos gucken.
Das will ich Ihnen persönlich nicht wegnehmen, glauben Sie mir das. Aber die Rechtslage ist eindeutig. Unternehmen umgehen das deutsche Strafrecht und verdienen damit Millionen.

Dabei schauen die Deutschen doch immer mehr Amateur-Pornos, bei denen sich die Darsteller selbst vermarkten.
Da bin ich überfragt. Ich berate den Verband vorrangig juristisch, nicht wirtschaftlich. Amateur und Hochglanz, das sind einfach unterschiedliche Sparten.

Und welche mögen Sie selbst lieber?
Ich? Sagen wir so, ich bin ein eher konservativer Konsument.

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