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Apple wusste offenbar vor Verkaufsstart, dass iPhone 6 und 6 Plus sich verbiegen

Bisher hat Apple nicht zugegeben, an "Bendgate" und der "Touch-Krankheit" bei den Modellen 6 und 6 Plus schuld zu sein. Interne Dokumente legen das Gegenteil nahe.
iPhone mit Touch-Krankheit
Die grauen Balken am oberen Rand des Bildschirms bedeuten: Das iPhone hat die Touch-Krankheit | Bild: Trent Dennison

Gerichtsdokumente zeigen, dass Apple offenbar frühzeitig vom wohl größten iPhone-Design-Fehler der Firmengeschichte gewusst hat: Das iPhone 6 und iPhone 6 Plus verbiegen sich viel leichter, als andere Modelle, auch bei gewöhnlicher Nutzung. Dadurch wurden die Touchscreens Tausender Geräte unbrauchbar. Dieses Problem wurde 2016 als "Touch-Krankheit" bekannt. Öffentlich streitet Apple bis heute ab, dass die Geräte einen Fehler haben.

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Hinweise, dass Apple anscheinend doch von dem Problem gewusst haben muss, wurden nun im Zuge eines Gerichtsverfahrens gegen Apple öffentlich. Die internen Apple-Dokumente befinden sich zwar unter Verschluss, doch die zuständige Richterin Lucy Koh nahm in einer Erklärung darauf Bezug.

Aus dieser Erklärung geht hervor, dass Apple in seinen Tests feststellte, dass das iPhone sich mit 3,3-mal höherer Wahrscheinlichkeit verbiegt als das iPhone 5s. Beim iPhone 6 Plus ist die Wahrscheinlichkeit sogar 7,2 mal so hoch. Koh schreibt, dass Apple sich bereits vor Verkaufsstart der neuen Apple-Modelle sorgte, dass sie sich im Vergleich mit anderen Modellen leichter verbiegen ließen.

Auszug aus der Erklärung von Richterin Koh.

Auszug aus der Erklärung von Richterin Koh | Screenshot: Motherboard

Obwohl Apple demnach bereits vor der Markteinführung des iPhone 6 und iPhone 6 Plus von der Schwäche der Geräte gewusst haben sollte, behauptete das Unternehmen weiterhin, es gebe keinen Konstruktionsfehler. In einer öffentlichen Mitteilung, die Apple im November 2016 herausgab, heißt es, dass die sogenannte Touch-Krankheit bei Geräten nur auftritt, "nachdem sie mehrmals auf eine harte Oberfläche fielen und anschließend weiter belastet wurden". Dieses Argument bringt Apple bis heute vor Gericht vor.

Den Gerichtsdokumenten zufolge ergab eine interne Untersuchung von Apple zudem, dass technische Änderungen nötig seien, um die "Touch-Krankheit" zu verhindern. Laut Koh habe Apple im Mai 2016 still und heimlich damit begonnen, den Teil des Logicboards zu verstärken, der für die Touch-Krankheit verantwortlich sein soll.

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Kunden beschwerten sich über verbogene iPhones

Kurz nachdem das iPhone 6 und iPhone 6 Plus im September 2014 auf den Markt kamen, berichteten Kunden, dass sich ihre Geräte sehr leicht verbiegen ließen. Einige dieser Berichte gingen viral, woraufhin Apple ein Statement veröffentlichte, in dem stand, dass mit den Geräten alles in Ordnung sei und dass die Belastbarkeit der Geräte ausführlich getestet worden sei.

Eine zeitlang wurde es still um das sogenannte "Bendgate". Anfang 2016 zeigten einige iPhones 6 und iPhones 6 Plus jedoch Symptome der "Touch-Krankheit": Am oberen Rand des Bildschirms erschien ein flackernder grauer Balken und die Touch-Funktion reagierte gar nicht mehr oder nur noch unzuverlässig. Unabhängige Reparaturdienstleister stellten fest, dass das Problem durch den Touch IC-Chip verursacht wurde, der die Berührung des Nutzers in digitale Signale umsetzt. Dieser Chip hatte sich vom Logicboard gelöst – nach Ansicht der Reparaturprofis eine Folge des ständigen Verbiegens bei normaler Gerätenutzung.

"Das ist definitiv ein Problem in der Konstruktion. Die Nutzer machen nichts falsch, außer das Telefon ganz normal zu benutzen", sagte Mark Shaffer, Inhaber des Reparaturdienstes iPad Rehab 2016 gegenüber Motherboard.


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Apple hat offenbar heimlich nachgebessert

Im Zuge der Klage gegen Apple, die bereits seit Oktober 2016 läuft, musste der Konzern seine internen Testergebnisse und Berichte an den Anwalt der Kläger übergeben. Richterin Koh schrieb in ihrem Statement, dass Apple nicht nur wusste, dass die iPhone-Modelle 6 und 6 Plus sich leicht verbiegen ließen. Im Mai 2016, anderthalb Jahre nachdem die Geräte auf den Markt gekommen waren, nahm Apple zudem technische Änderungen vor, um die Touch-Krankheit zu verhindern.

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"Nach internen Untersuchungen beschloss Apple, dass Füllmasse nötig war, um den Defekt zu beheben", schreibt Koh und bezieht sich dabei auf ein Kunstharz, das genutzt wird, um das Logicboard zu verstärken. Diesen Stoff hatte Apple laut Koh bereits bei früheren Modellen des iPhones eingesetzt. Für das iPhone 6 und 6 Plus kam er jedoch erst zum Einsatz, nachdem bereits Millionen Geräte verkauft worden waren.

Auszug aus der Erklärung von Richterin Koh.

Auszug aus der Erklärung von Richterin Koh | Screenshot: Motherboard

Die Touch-Krankheit erkannte Apple erst im November 2016 an, nachdem das Problem viel mediale Aufmerksamkeit erhalten hatte. Damals bot Apple betroffenen Kunden ein Reparaturprogramm bei Touchscreen-Problemen an. Offiziell beharrt Apple jedoch weiterhin auf dem Standpunkt, dass es keinen Designfehler beim iPhone 6 und 6 Plus gebe.

Das letzte Wort im Prozess ist noch nicht gesprochen. Die Richterin hat den Prozess nicht als Sammelklage zugelassen, die Kläger wollen jedoch Berufung einlegen. Apple hat auf unsere Anfrage bisher nicht reagiert.

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